Hallo Ladies und Gentlemen,
dieses Mal widme ich mich einem komplexeren Thema.
Dieser Thread hat drei Hauptthemen.
1. Eure Definition des Shadowrunners
2. Warum sind Abenteuer und Kampagnen so viel anders als die Beschreibung des Hintergrunds impliziert?
3. Eure Tabus im Shadowrunspiel
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Was ist ein Shadowrunner oder Runner für euch?
Ist er ein Rebell, aber gegen was rebelliert er denn? Gegen die Konzerne? Warum arbeitet er dann in den meisten Fällen für sie? Und wenn er gegen sie arbeitet wäre er dann nicht ein Anarchist oder Öko-Terrorist? Was ja eindeutig namendlich etwas anderes als Shadowrunner ist.
Ist er, wie so oft im Fluff erwähnt, ein Schwerverbrecher? Aber was ist eigentlich ein Schwerverbrecher, was macht ihn aus? Meine Definition von Schwerverbrecher ist jemand der mehrfach bewusst ein oder mehrere hochgradige Gesellschaftstabus gebrochen hat und dafür von der Gesellschaft geächtet wird (aber dazu später mehr).
Oder ist es ein Spezialist? Aber für was? Und sind da nicht viele Spezialisten von Heute eigentlich auch Runner von Morgen? Ich denke da an militärische oder staatliche Spezialeinheiten (SWAT und GSG9 u.ä.) oder Spione im staatlichen Dienst wie auch im Wirtschaftlichen, Sicherheitsangestellte Spezialisten u.ä.
Aber vom Fluff her existieren diese und andere Gruppierungen als solche noch und grenzen sich vom Runner ab, oder anders gesagt, sind meist die Opposition. Also was ist dann ein Runner?
Das Argument man ist ein Gelöschter, ein SINloser ist ja schön und nett aber das sind die meisten der oben genannten auch, ob es jetzt der Konzernagent ist, oder das SWAT-Teammitglied beide arbeiten verdeckt teilweise sogar mit besseren Mitteln als sich das ein Spielercharakter je leisten könnte. Ich rede hier von Falschen Identitäten, einprogrammiert und abrufbar im Gehirn, Falschen Papieren für jeden Auftrag extra angefertigt, Falschen Biometrieanzeigen (von Genmasking bis falschen Fingerabdrücken und Retinamustern) und einem Training und Notfallplänen (wie eine Dosis Laés u.ä.) falls er doch mal geschnappt wird.
Da sieht der allgemeine Runner doch irgendwie unorganisiert und Straßenpunk ähnlich aus. Also kommt Spezialist auch nicht wirklich hin.
Also was ist der Shadowrunner dann?
Er soll ja laut Fluff kein Held wie im klassischen Fantasysetting sein. Auch wenn das bei den meisten Abenteuern und Kampagnen doch irgendwie so scheint.
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Was mich zum zweiten Themenkomplex bringt:
Warum sind offizielle Abenteuer und Kampagnen so fantasylastig (damit ist eher das Heldentum als Magie und Mystic gemeint) und simple gestrickt? Warum sind die Runner immer die Guten, ethisch Korrekten (zumindest wenn man die Karmaverteilung ansieht)? Und warum gibt es keinen einzigen offiziellen Run wo man wirklich die dunkle Seite spürt und wirklich mal der Böse ist und nicht nur eine Schachfigur der anderen Bösen? Das Setting würde nämlich in meinen Augen, genau dieses wunderbar verkörpern können. Wird aber total vernachlässigt!
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Und das bringt mich zum dritten Themenkomplex: Dem Tabu.
Was ist in eueren Augen im Shadowrunspiel unerwünscht? Und hier ist mir das Wichtige die Begründung (das Warum).
Gehen wir vom Fluff her soll Shadowrun in einer kaputten zweigesichtigen Welt spielen, wobei man meist nur die dunkel Seite (die Straße) kennen dürfte, Armut und gesellschaftliche Ächtung, sind hier das Setting in dem die meisten Runden anfänglich spielen und seine neuen Runner gesetzen.
Doch was heißt Straße?
Tabus: Es geht hier nicht nur um die Beschreibung und das Vorkommen im Spiel, sondern auch die Spielercharaktere als Täter.
Gewalt
wie unnötige Gewaltanwendung (statt zu diskutieren ein auf die Nase geben, unfaire Kampfvorteile ausnutzen, beispielsweise ein Tritt zwischen die Beine, das Eindrücken der Augäpfel, jemanden wahrlos zusammentreten der schön am Boden liegt und aufgegeben hat, u.ä.)
Gewalt gegenüber körperlich Schwächeren (ob gegenüber einem Krüppel oder einem Kind, einer älteren Person, oder einfach einem hoffnungslos Unterlegenen)
wie Mord (hierzu zählt Geplanter Mord, Massenmord oder auch Aktionen die wissendlich zum Mord führen)
wie Folter (Körperliche wie auch Pychische, von schmerzhaften Befragungen über den Verlust von Körperteilen bis dem Vorspiel zum Mord)
wie Vergewaltigung (siehe auch weiter unten)
Sexuale Perversionen
wie Prostitution
wie Homosexualität
wie Fetische (alles von Unterwasche sammeln bis Sado-Maso)
wie Pedophilie
wie Sodomie
wie Snuff-Clips
wie Necrophilie
usw.
Drogen Missbrauch
wie Abhängigkeit und seine Folgen (damit ist nicht der Körperliche und Psychische Verfall gemeint, sondern eher die Dinge die ein Abhängiger tut um den nächsten Schuß zu bekommen)
wie Drogenhandel (das Handeln mit Harten Drogen zieht meist Vieles mit sich. Folter, Mord, Prostitution/Sklaverei u.ä., gehören irgendwie dazu)
Sonstiges
Rassismus und die Folgen
Jemanden seinem Freien Willen berauben, ob jetzt durch Magie, Technologie oder Drogen, er wird versklavt.
Diebstahl und Raub (hier ist nicht der Robin Hood gemeint, sondern der Alltag, das heißt egal ob die Person reich oder arm ist, man beraubt ihn seines Eigentums, hier aber eher den Waisenkindern das letzte Brot wegschappen oder einen guten Freund bestehlen)
...
Hier kann man noch sehr viel anhängen und eingliedern, aber das sollte erst Mal reichen.
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Meine eigene Meinung und warum ich diesen Thread erstellt hab.
Meine Runde und ich kommen aus einem schon sehr düsteren RPG-Bereich (haben jahrelang KULT und Call of Cthulhu gespielt), deshalb ist uns das integrieren und ausspielen von Tabus wichtig. Meiner Meinung nach sind die dunklen Seiten des Charakters meist die Interessanteren.
Und wir spielen ja Rollenspiele um Dinge auszuprobieren (gedanklich durchzuspielen), eine Person darzustellen (zu sein), die man in der Realität (im Leben) nicht ist oder sein kann. Ob aus physischen, psychologischen, ethnischen, ethischen oder spirituellen Gründen ist hier unwichtig hier zählt die Vorstellungskraft. Ob ich jetzt einen Magier spiele (es gibt keine solche Magie in der Realität) oder eine gutaussehende Frau (ich bin ein Mann) oder ein Troll (es gibt keine Trolle) oder halt einen psychisch labilen Homocidle Maniac (ich kann selbst einer Fliege nichts zu Leide tun ohne Schuldgefühle zu haben) spiele ist im Grunde alles das Gleich.
Der einzige Unterschied ist das Tabu was in der Runde existiert. Und da waren wir (meine Runde und ich) letztlich etwas überrascht, als wir an einem RPG-CON teilgenommen haben und eigentlich alle Shadowrun-Runden eher wie ein klassisches Fantasysetting vorkam. Alle Runner die wir gesehen oder mit denen wir gespielt haben, waren so tolle waschechte Helden, das uns schon fast die Galle hochkam, und kein Spielleiter hat unsere SC ohne viele Fragen akzeptiert.
Deshalb frage ich mich halt spielen wir Shadowrun falsch? Oder ist die Spielerschaft grundsätzlich zu verweichlicht und zu ängstlich und denkt das jeder, das ist was er spielt?
Das Setting redet in meinen Augen von einer Verwahrlosung der Menschheit. Menschen als Material, biologische Komponente, mit einem Wert. Der Gebrauch von Waffen oder körperlich verletzener Sicherheitsmaßnahmen ist ins Unermessliche gestiegen, Schwarzes IC, Selbstschußanlagen, bewaffnete Drohnen, Monodrahtzäune (ich weiß die sind unrentabel aber sie sind existent), oder gefährlichen Wachcrittern. Designerdrogen haben durch BTL und Genetik sowie durch die Magie ein neues Hoch. Die religiöse und ethnische Freiheit ist auf einem neuen Höhepunkt, was auch zur sexuellen Freiheit führt, durch BTL, Magie, Sexbots oder Bunraku-Fleischpuppen kann jeder seine Perversionen und Fantasien ausleben. Und das wird auch fleissig zelebriert. Warum dann noch künstlich ein Tabu aufrecht erhalten (nur weil es bei uns in der Realität gesellschaftliches Usus ist) ich meine viele Dinge nicht einen speziellen Punkt, deshalb will und kann ich hier auch kein einzelnes Beispiel nennen. Aber die Welt in SR lässt vieles wenn nicht gar alles zu (natürlich mit Folgen)! Warum sind dann die meisten Runden so realitätnah behaftet und engstirnig? Wo vor haben sie Angst? Sittenverfall durch Rollenspiel? (Okay ich gebe zu es wäre eine gute Schlagzeile, aber nicht wirklich eine Gefahr oder?) Wie gesagt wo ist der logische Grund warum ich einen Mörder spielen darf und keinen Sexualverbrecher nicht? Obwohl ersteres bei weitem schlimmer ist?
Warum wird Sexualität mehr geächtet als Gewalt und warum auch im Rollenspiel also einem nicht realen Gedankenspiel? Oder warum ist der eine gut weil er von einer reichen Konzernfamilie was klaut und der andere böse weil er der Squatterfamilie ihr Hab und Gut wegnimmt?
Die Schwarz und Weiß Sicht einiger SR-Spieler gehört einfach in eine andere Welt wo man einen Helden spielt und Jungfrauen aus Drachenfängen befreit.
Sorry, das ich hier mal Dampf abgelassen hab, aber diese CON-Erfahrung war für uns erschreckend.
Aber ich freu mich schon auf eure Antworten. :wink:
Mr. White