Als Fortsetzung des Metavarianten-Threads nun die Diskussion, ob SR ein gutes Con-Spiel ist oder nicht.
Pro:
Einfache Gruppenzusammenführung und -auflösung
SR erlaubt es durch seinen für dieses System generischen Auftraggeber-Einstieg, ohne große Schwierigkeiten Gruppen zusammenzuführen und nach dem Abenteuer wieder aufzulösen.
Man muß dazu aber auch einschränken, dass Auftraggeber-Varianten in fast jedem RPG möglich sind. SRs Stärke ist nur, dass es dort der typische Einstieg ist und darum nie deplaziert wirkt.
Hohe Verbreitung
SR ist ein RPG mit hoher Verbreitung, so dass es nur sehr selten eine Schwierigkeit darstellt auf einem Con Spieler und SLs dafür zu finden.
Contra:
Hoher Grad an Problemspielern
Der hohe Verbreitungsgrad, besonders unter dem jüngeren und darum i.d.R. eher unreiferen Teil der Spielerschaft, bringt jedoch auch das Problem mit sich dass Runden für dieses System häufig Leute anziehen, die ich als Problemspieler bezeichnen möchte. Ich gebe zu, diese Formulierung mag hart klingen, und sicher schwingt da auch viel von meiner persönlichen Aversion gegen diesen Spielertypus mit, aber ich denke, dieses Problem existiert und wird auch von der Mehrheit als solches anerkannt.
Was ist nun ein Problemspieler? Mit Problemspielern bezeichne ich Spieler, die dem SL und den Mitspielern vorsätzlich oder unbeabsichtigt Probleme beschaffen. Sei es, weil sie es cool finden andere Spieler-Charaktere zu töten, oder sei es weil sie eine leicht andere Sicht des Hintergrundes haben (und z.B. Vampir-Runner in ihrer Runde vorkommen), diese Spieler senken den Spaß der anderen Teilnehmer der Runde, wenn sich der SL nicht die Arbeit macht sie im Vorfeld auszuschließen oder anzupassen - Arbeit, die er auch in nützlichere oder angenehmere Dinge stecken könnte.
Viele 1:1-Szenen
In SR existieren viele lange Szenen, die 1:1 zwischen Spieler und SL abgewickelt werden müssen. Beispiele hierfür wären Matrixläufe und Erkundungen per astraler Projektion. Ich will nun nicht auf Lösungsansätze für 1:1-Szenen eingehen(das wäre eines eigenen Threads würdig), ich will nur festhalten, dass es ein Problem ist.
Viel Planung
Dieses Problem gilt nur für den SpecOp-Spielstil, aber da dieser wohl der verbreitetste, ist muß diese Problematik hier angesprochen werden.
Beim SpecOp-Stil kommt es häufig zu langen Planungen, bei denen die Spieler lange über Karten, Tabellen und Plänen brüten müssen, um einen idealen Plan zu entwerfen.
Solche Szenen sind auf Cons nicht leicht umzusetzen, da hier sehr viele Ablenkungen existieren und es den Spielern erschweren, der Planung aufmerksam zu folgen.
Komplexe Regeln
Die komplexen Regel-Mechanismen stellen ebenfalls eine Schwierigkeit beim Con-Spiel dar. Der Ablenkungsgrad auf einem Con ist sehr hoch, was es bei einem Spiel wie SR, wo regelmäßig Mindestwürfe berechnet und Tabellen konsultiert werden müssen, sehr schwer macht.
Zudem muß noch bedacht werden, dass auf Cons öfter einmal interessierte Einsteiger Systeme ausprobieren wollen. Dem spontanen Schnelleinstieg steht dabei das komplexe Regelsystem entgegen.
Hohe Hausregelverbreitung
SR ist ein System, für das unzählige Hausregeln existieren, was die Kompatibilität zwischen den einzelnen Gruppen existiert.
Dabei muß auch die Definition des Wortes Hausregel beachtet werden. Hausregeln müssen nicht ein detaillierter Katalog wie das SFD sein. Unter Hausregeln fallen auch regeltechnische Festsetzungen, die stillschweigend ignoriert werden. Beispiele für häufig ignorierte Festsetzungen wären die Würfeltabellen für Beinarbeit und die Reaktionszeiten im New Seattle. Ebenfalls öfter einmal ignoriert wird die Tabelle, die bestimmten Skillstufen einen bestimmten Grad an Meisterschaft zuweist. Wenn Spieler, die streng nach dieser Tabelle spielen, auf Spieler treffen, die die Weltklasse von 8 auf 12 hochgesetzt haben, ist Ärger vorprogrammiert.
Inhomogene Spielerschaft
Das führt mich direkt zum größten Schwachpunkt von SR als Con-Spiel: Die inhomogene Spielerschaft.
SR ist bekanntlich ein System, das sehr viele Spielstile unter einen Hut bringt. Dies führt bei gemischten Runden auf Cons dazu, dass z.T. grundverschiedene Spielstile aufeinanderprallen.
Powerlevel: SR funktioniert auf den verschiedensten Powerleveln, von Gossenpunk über Special-Ops bis hin zu God-Mode. Hinzu kommt, dass sich nicht allein aus Aufbaupunkten und Reputation das Powerlevel eines Charakters bestimmen läßt, so dass dies eine Vorauswahl erschwert. Das Ergebnis ist häufig, dass Charaktere sehr unterschiedlichen Powerlevels in einer Con-Runde zusammenkommen, was manchmal gut gehen kann, aber noch häufiger Konflikte schürt.
Cyberpunk vs Fantasy: SR besteht aus zwei Elementen, die verschieden fokussiert werden können. Ein weiteres Problem daran ist, dass SLs zwar häufig viele Worte über erwünschten Karmastand und Hausregeln verlieren, aber selten auf diesen wichtigen Punkt eingehen. Das Ergebnis kann sein, dass ein Spieler, der mit dreckigem Cyberpunk auf den regennassen Straßen Seattles erwartet hat, sich auf einem Run in den Zauberwäldern Tirs wiederfindet(oder umgekehrt). Ein Spieler, dessen Erwartungshaltung dermaßen krass durchbrochen wird, wird vermutlich keine große Freude an seiner Runde haben.
Realismus vs Cineasmus: SR funktioniert sowohl mit hartem Realismus à la Full Metal Jacket als auch mit abgedrehtem Hollywood-Cineasmus à la Tiger & Dragon, sowie mit jeder Zwischenstufe. Auch hier werden häufig Erwartungshaltungen durchbrochen, was für Unmut sorgt.
Weltsicht: Eng verwandt mit den beiden letzten Unterpunkten , aber dennoch einer eigenen Betrachtung würdig.
Die Vielschichtigkeit und Komplexität von SR, gepaart mit den sparsamen Hintergrundbeschreibungen, führt mit sich dass grundverschiedene Ansichten der Welt existieren. Als Beispiel mögen die Barrens gelten: In der einen Runde sind sie einfach ein runtergekommener, verschlafener Teil der Stadt, in anderen sind sie brandgefährliche Kriegsgebiete in denen an jeder Ecke schießwütige Thrill-Gangs mit Sturmgewehren herumstehen.
Ein Spieler, der damit rechnet dass sein deutsch-japanischer Albino-Wakyambi mit Balanceschwanz ganz toll geeignet ist um eine Konzernanlage unauffällig auszubaldowern, wird sicher sehr enttäuscht sein wenn der SL einen solchen Charakter für zu auffällig befindet.
Fazit:
Im Kampagnen-Spiel daheim fallen viele Schwachpunkte weg, hier ist SR also uneingeschränkt geeignet.
Im Con-Spiel existieren jedoch viele Schwachpunkte, die SR als Con-Spiel relativ ungeeignet machen.