Problemzone: Verschränkung von Regeln und Hintergrund

  • Ich werd jetzt nicht jedes Einzelbeispiel durchkauen, sondern eher allgemein antworten.


    "Asleif" schrieb:

    - Schafft ihr viele Hausregeln, die einzelne Situationen behandeln (z.B. wie die im nebenstehenden Thread diskutierte zu den SINs)?
    - Habt ihr generelle Mechanismen geändert, um das Spiel konsistenter zu machen (z.B. Serbitars "skill critical"-Regel, welche die Zahl der verwertbaren Erfolge direkt vom Fertigkeitswert abhängig macht)?
    - Ignoriert ihr viele Regeln und setzt auf Meisterwillkür bzw. Vereinfachung im Sinn von "höhere Stufe gewinnt Vergleich"?
    - Ist euch das Schisma Regeln//Hintergrund egal, weil es euch gar nicht interessiert, wie die Welt aussehen würde, wenn wirklich alles nach RAW abliefe?


    In einigen Fällen hab ich Hausregeln, bspw. bei SINs oder Emotitoys.
    Im Allgemeinen passe ich lieber den Hintergrund den Regeln an, wenn es Differenzen gibt bzw. die Regeln sind für mich eine wichtige Grundlage, um Prognosen über das Setting zu machen.
    Dabei ist zu unterscheiden zwischen grundlegenden Möglichkeiten, die die Regeln bieten (den eigentlichen Regeltexten, die für mich an erster Stelle stehen) und offiziellen Beispielen, wie die Regeln in der Praxis angewandt werden (bspw. Werten für Beispiel-NSC).
    Bei mir ist es bspw. normal, dass Johnsons und andere Charaktere, die gut davon leben, Leute zu belabern, mit einer ganzen Reihe charismaverbessernder Bioware ausgestattet sind (Biosculpting, Vocal Range Enhancer, Tailored Pheromones), auch wenn die Beispielwerte für offizielle NSC das nicht nahelegen.



    Zitat

    - Was denkt ihr, sind die Ideale, nach denen Rollenspielregeln allgemein konzipiert werden sollten, inwiefern wurden die bei SR beachtet oder links liegen gelassen?


    Da gibt es die unterschiedlichsten Prioritäten.


    "Realismus" ist nicht unbedingt ein Punkt, der mich groß interessiert.
    Mir ist in Grundzügen bewusst, dass bspw. der Umgang von SR mit Feuerwaffen wohl schon immer ziemlicher Quatsch war.
    Taugt aber fürs Spiel, also ist das okay für mich.


    Balancing muss auch nur so weit vorhanden sein, dass absolute No-Brainer vermieden werden (was leider bei SR selten der Fall ist).
    Total gebalancete Systeme bieten nun mal leider auch null Raum zur Optimierung, was ich als nachteilig für mein Spielerlebnis empfinden würde.


    Weltmodellierung ist eine nützliche Eigenschaft, die dem SL vieles erleichtern kann, aber die Regeln können nicht alles abbilden, dafür ist eine Welt einfach zu komplex.
    Manchmal muss man als SL auch selber Plausibilitäten abwägen.
    Dabei kann einen ein Spiel unterstützen, auch ohne harte Regeln, s. hierzu den Text zu Tempo in Ghost Cartells, mit dem man hervorragend arbeiten kann. Ein Spiel kann den SL aber auch komplett mit der Plausibilitätenabwägung allein lassen - s. die Informationen zu Drogen im GRW und Arsenal, die ohne umfangreiche Vorkenntnisse zur Thematik nicht angemessen im Spiel umsetzbar sind.
    Ich habe trotz guter Allgemeinbildung zum Thema Stunden auf Wikipedia damit verbracht, mich über einige der exotischeren Rauschmittel zu informieren, dann festzulegen, welche SR-Droge am Ehesten mit welcher RL-Droge vergleichbar ist und jetzt kann ich nicht nur genau erklären, welche Halluzinogene untereinander Kreuztoleranzen bilden, sondern nach nur drei Abenden Recherche auch Abhängigkeit vernünftig im Spiel umsetzen. :roll:
    Na ja, war nicht uninteressant, hätte man aber auch einfacher haben können.


    Ein weiterer Punkt sind leichte Erlernbarkeit und Anwendbarkeit der Regeln.
    Hier kommt SR4 ganz gut weg, frühere Editionen fand ich in der Hinsicht weniger gelungen.
    Gute Regeln kann man ohne intensives Studium im Kopf behalten und jederzeit anwenden.
    Zu viele Ausnahmen können sich hier sehr störend auswirken.
    Ein expliziter Detaillversessenheitsanspruch ist also kontraproduktiv zu diesem Punkt.


    Flexibilität ist ein weiterer zentraler Punkt.
    Gerade weil Regeln nicht jede denkbare Situation erfassen können, sollte man sie leicht auf unvorhergesehene Situationen adaptieren können.
    Die einfachen Grundmechaniken von SR4 sind ein ganz guter Ansatz, wenn auch nicht so überraschend vielseitig wie das typische Oldschool-RPG mit seinen gerade durch extremen Minimalismus immer adaptierbaren Mechaniken.
    Bei DSA1 zB kann ich mir immer eine wirklich passende Probe aus dem Ärmel schütteln, ohne groß überlegen zu müssen, bei SR ist das etwas schwieriger.


    Regeln sollen weiterhin eine Grundlage für taktisch und strategisch anspruchsvolles Spiel bilden, ein Punkt,der für mich von sehr zentraler Bedeutung ist.
    Da ist SR4 im Mittelfeld.
    Leider bietet das Spiel durch den Wegfall früherer Pools weniger Ressourcenmanagement, trotzdem kann man in der Hinsicht aber noch seinen Spaß damit haben.
    Auch der Kampf mit Bodenplänen wird sträflich vernachlässigt, das System hat tatsächlich keinerlei expliziten Regeln für die Bewegung pro Kampfphase, sondern nur pro Runde.
    Sehr gut schneidet es dagegen im Bereich Strategie durch Charakteroptimierung ab, hier ist das System ein wunderbarer Baukasten, an dem ich viel Freude habe.
    Ich würde mir aber etwas mehr Unterstützung bei Strategie und Taktik im tatsächlichen Spiel wünschen.


    Dann gibt es noch den Punkt, inwieweit Regeln bei der Charakterdarstellung und beim Geschichtenerzählen helfen.
    Den Ansätzen, die viele moderne RPGs da haben, stehe ich mittlerweile etwas skeptisch gegenüber, mir reicht es, wenn mich ein System zur Erschaffung interessanter Charaktere mit vielen Plothooks inspiriert, was SR ganz gut hinkriegt- man muss sich aber sowohl als SL als auch als Spieler sehr deutlich dessen bewusst sein, woran es oftmals zu hapern scheint und bei storyverwertbaren Eigenschaften gleich "Spotlighthugging!" geschrien wird.
    Was ich weniger dem System als den Spielern anlaste, die es einfach nicht kapieren und immer nur BlackOps-Corestory-SR wollen.


    Insgesamt halte ich SR4 für ein System, das meinen Ansprüchen recht gut entgegenkommt, aber noch durchaus verbesserungsfähig ist.



    Zitat

    - Ist bei einem Rollenspiel allgemein / bei Shadowrun speziell Regeln oder Hintergrund wichtiger, oder stehen beide gleichberechtigt nebeneinander?


    Mir sind Regeln wichtiger, weil sie im Idealfall eine klarere, weniger interpretationsbedürftige Grundlage sind.
    Der Hintergrund dagegen sollte eher offen gehalten sein und mir Raum für meine eigene Vorstellung der Spielwelt lassen bzw. meine Fantasie anregen und mich dadurch bei der Gestaltung meiner eigenen Kampagnen unterstützen.


    Zitat

    - Inwiefern sind konsistente und hintergrundkonforme Regeln notwendig für ein "gutes" Rollenspielerlebnis? Sind sie das überhaupt oder ist das rein vom Spielstil abhängig?


    Letzteres.

  • Entschuldigung, dass ich mich erst jetzt wieder zu Wort melde, aber ich habe leider sehr viel zu tun zur Zeit.

    "Serrax" schrieb:

    Du weist aber schon, dass Du so viele Aspekte in Dein Posting gepackt hast, um damit 5 oder mehr Threads füllen zu können?

    Mir ist bewusst, dass das ein sehr tiefes Fass ist. Andererseits ist das hier kein explizites RP-Theorie-Forum, weswegen eine breite Themenwahl wahrscheinlich der Beitragszahl förderlich ist, nehme ich an. :)


    "Medizinmann" schrieb:

    UiUiUi
    heftige Kost !
    Vielleicht sollte Ich über meinen Post erstmal die unsterblichen Worte Tim Curry's /Frank n'Furters stellen:" Don't Dream it,be it! "
    Will heißen ,sich nicht zusehr den Kopp zu machen sondern lieber spielen

    :D Ich denke, sich mal ernsthaft solche Gedanken zu machen, kann durchaus unterhaltsam und lehrreich sein.


    Nachdem es schon so viele schöne Beiträge gibt, greife ich mal willkürlich ein paar Posts heraus und subsumiere unter drei Punkte, um die's mir im Wesentlichen geht:



    Umgang mit Inkonsistenzen zwischen Regeln und Hintergrund

    "doc damnij" schrieb:

    Benutze RAW mit GMV um den Fluff darzustellen. Im Zweifelsfall biege Fluff oder RAW, je nach dem, was sinniger erscheint (aber immer mit Hinblick auf die Gesmtheit von Regeln und Hintergrund). Und hoffe, dass dein Charakter auch für andere Spielgruppen (zB auf Cons) spielbar bleibt, oder dass ein Errata dir irgendwann Recht gibt oder ne brauchbare Alternative aufzeigt.

    "SirDrow" schrieb:

    Für mich ist eine Konsitenz Regeln/Hintergrund wichtig.
    Wenn eines von beiden Definitiv ist, muss das andere nachgeben.

    "Wolv" schrieb:

    Regeln und Hintergrund müssen zusammen passen, konsistent sein und Spielspaß gewährleisten. Mal muss man dafür was am Hintergrund drehen, mal an den Regeln. Man muss sich dabei allerdings immer bewußt sein, dass Regeln lediglich eine Abstraktion sind um etwas spielbar zu machen und der Grund für eine Regel die Spielbalance sein kann.

    "Rasumichin" schrieb:

    Mir sind Regeln wichtiger, weil sie im Idealfall eine klarere, weniger interpretationsbedürftige Grundlage sind.
    Der Hintergrund dagegen sollte eher offen gehalten sein und mir Raum für meine eigene Vorstellung der Spielwelt lassen bzw. meine Fantasie anregen und mich dadurch bei der Gestaltung meiner eigenen Kampagnen unterstützen.

    Letzteres.

    SirDrow, mich würde interessieren, was du hier unter "definitiv" verstehst. Ist prinzipiell die Hintergrundbeschreibung über den Regelmechanismus zu stellen, oder umgekehrt? Nach welchen Kriterien wird da abgewogen?
    In einem guten Regelsystem sollten in dem Punkt keine ernsthaften Diskrepanzen vorkommen - das würde es nötig machen, dass die Regelautoren einfach mal ihre Mechanismen nicht nur an eine Testgruppe abgeben, und nach einem gelungenen Spielabend unter "funktioniert" verbuchen, sondern tatsächlich ein bisschen Rechnerei udn Gedankenexperiment betreiben. Um den Konsistenztest zu bestehen, muss eine Regel in jedem Powerbereich, der im System vorgesehen ist, ein glaubwürdiges Ergebnis produzieren - nicht nur bei einem Testspiel mit relativ ineffektiven Archetypen"builds". SR fällt hier leider häufig durch.
    Den Meinungen von Wolv und docdamnij kann wahrscheinlich jeder zustimmen; Rasumichins Ansatz halte ich für sehr interessant. Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass konsistente, gut funktionierende Regeln essentiell für einen glaubwürdigen Hintergrund sind, wenn man auch nur den Hauch eines simulationistischen Anspruchs hat, also kein Erzählsystem wie NWoD spielen will. Dass SR auch ein bisschen den Simulationismus bedienen will, zeigt z.B. das Vorhandensein von Regeln für Scanner, Verfolgungsjagden etc., um Situationen darzustellen, die in einem Erzählspiel rein vom dramatischen bzw. storyteller-Standpunkt her vom Meister willkürlich entschieden würden. Ein Minimum an Simulationismus ist notwendig, sobald das System auch Konflikte darstellen und den Spielern darin echte Handlungsmöglichkeiten und Taktiken anbieten will.
    Deswegen ist dieser Punkt auch so wichtig, denke ich - SR ist in seinem üblichen Setting von Grund auf als Konfliktspiel konzipiert. Runner gegen Konzern, Verhandlung gegen Johnson, falsche ID gegen Türscanner, Schleichen gegen die Wachmannschaft, Kampfsituationen, Verfolgungsjagden etc. Konflikte sind essentiell für klassisches SR - deswegen sollten die Regeln hierfür auch halbwegs sophisticated sein, zumindest aber gut funktionieren und konsistente Ergebnisse liefern. Das ist bei SR leider häufig nicht der Fall, Inkonsistenzen treten hier häufig auf, meist in Form von kaum vorhersehbaren Wahrscheinlichkeiten nach RAW. Paradebeispiel ist das hinreichend bekannte SIN/SIN-Scanner-Problem, indem einfach die Stufen als Pools vergleichend gegeneinander gewürfelt werden.
    Hausregeln sind für die meisten Gruppen, die ein wenig Wert auch auf den simulationistischen / taktischen Aspekt des Spiels legen, wohl unverzichtbar.



    Hausregeln

    "doc damnij" schrieb:

    Ich bevorzuge generelle Regeländerungen, damit die Regeln gleichbleibenden Schemata folgen.

    "Sleipnir4650" schrieb:

    Ich verstehe Asleifs Kritik durchaus, mir ist die schon zu SR3-Zeiten aufgefallen.
    Rollenspielautoren sind nunmal keine Statistiker, Statistiker sind immer die Spieler^^
    Allerdings habe ich eben, wie Drow auch angesprochen hatte, für mich die nette Cineastik-Ausrede gefunden und lege sie jedem ans Herz, der nicht komplett sämtliche Wahrscheinlichkeitsrechnungen für SR erneut ausführen will.

    "Rasumichin" schrieb:

    In einigen Fällen hab ich Hausregeln, bspw. bei SINs oder Emotitoys.
    Im Allgemeinen passe ich lieber den Hintergrund den Regeln an, wenn es Differenzen gibt bzw. die Regeln sind für mich eine wichtige Grundlage, um Prognosen über das Setting zu machen.
    Dabei ist zu unterscheiden zwischen grundlegenden Möglichkeiten, die die Regeln bieten (den eigentlichen Regeltexten, die für mich an erster Stelle stehen) und offiziellen Beispielen, wie die Regeln in der Praxis angewandt werden (bspw. Werten für Beispiel-NSC).
    Bei mir ist es bspw. normal, dass Johnsons und andere Charaktere, die gut davon leben, Leute zu belabern, mit einer ganzen Reihe charismaverbessernder Bioware ausgestattet sind (Biosculpting, Vocal Range Enhancer, Tailored Pheromones), auch wenn die Beispielwerte für offizielle NSC das nicht nahelegen.

    "SirDrow" schrieb:

    Ich würfel nicht jede SIN überprüfung in einer Fussgängerzone. (...) Ich handhabe es nach RAW! Und da steht, das eine Probe nur dann gewürfelt wird, wenn der Erfolg Fragwürdig ist.(...) Standard-massen-proben kann man über die Erfolge Kaufen Regeln abhandeln und darin gibt es keine Patzer. Sprich: Alle Standard Aktionen sind Patzerfrei. Damit auch die Scanner.(...)

    doc damnijs Post folgend wäre meine Forderung an alle Regelautoren dieser Welt: beschäftigt euch entweder verdammt noch mal selber ein bissl mit Wahrscheinlichkeiten oder gebt eure Regelkonstrukte an Leute zum Testen, die selbiges tun. Ich meine, es ist eigentlch wirklich ein starkes Stück, ohne einen Hauch von stochastischen Kenntnissen Spielregeln auf Würfelbasis zu designen - eben diesen Eindruck hat man aber von vielen Autoren der SR-Regeln.
    Rasumichin spricht einen wichtigen Punkt an, den sich jeder Abenteuerautor zu Herzen nehmen sollte: Regeln erlauben Prognosen über das Setting. Genau das ist der Konsistenzanspruch: nur wenn die Regeln den Hintergrund abbilden, dieser sich aber im Gegenzug auch so verhält, wie die Regeln nahelegen, ist das Setting mAn ernstzunehmen und motiviert zu ernsthafter Charakterdarstellung und suspension of disbelief.
    SirDrow hat mAn ein gutes Beispiel gebracht, wie man Konsistenz aus den vorhandenen SR-RAW ziehen kann: indem man einfach davon ausgeht, dass "Erfolge kaufen" der Standardfall in der Spielwelt ist, kann die Welt funktionieren, auch wenn die SR-Regeln allgemein nicht so wirklich gut geeignet für die simulationistische Darstellung sind. Dem vorangehend steht natürlich die Prämisse, dass die Regeln tatsächlich so etwas wie "Naturgesetze" in der Hintergrundwelt sind, d.h. für alle gleichermaßen funktionieren und angewandt werden. Dieser Anspruch ist eine conditio sine qua non für eine ernstzunehmende simulationistische Komponente im Spiel. Warum ich auf selbige so großen Wert lege, hat nicht nur den Grund, dass es einfach schöner und konsistenter für die Spielwelt ist, sondern ich vertrete sogar die These, dass ein hinreichender simulationistisches Anteil am Regelsystem eine notwendige Voraussetzung dafür ist, dass man seinen Charakter als Spieler konsistent darstellen und entwickeln kann. Denn nur, wenn Standardsituationen durch gute Regelmechanismen abgedeckt und frei von Meisterwillkür sind, kann der Charakter Kausalitäten feststellen und sich darauf verlassen, dass die Welt tatsächlich so funktioniert, wie er aufgrund seiner Erfahrungen annimmt. Ansonsten, wenn der Meister die Spielwelt in gleichen Situationen stets höchst unterschiedlich reagieren lässt (z.B. weil er für diese Standardsituation keine guten Regeln hat, oder weil es besser in sein Storykonzept passt, nach Belieben Regeln über Bord zu werfen), kann der Charakter keine nachvollziehbaren Entscheidungen mehr treffen, weil er nicht mehr abschätzen kann, welche Folgen seine Handlungen haben werden. Die Alternative sind Erzählsysteme, wo von vornherein klar ist, dass des Meisters Plot über allem steht - allerdings ist das mAn eine gänzlich andere Art von Rollenspiel.
    Diese These ist provokant, aber dazu würden mich eure Meinungen sehr interessieren.



    Ansprüche an ein gutes Regelsystem

    "doc damnij" schrieb:

    Die Ideale, die ich an ein Regelsystem stelle, sind, dass es das Spiel nicht allzusehr behindern darf (zB durch zuviele Würfelwürfe) und gleichzeitig nicht zu simpel sein darf. Ist schwierig da die optimale Mitte zu finden.
    Mir ist zB das NWoD Kampfsystem viel zu simpel, gleichzeitig wöllte ich aber nicht ein System wie Rolemaster oder ähnliches, wo versucht wird, jede Kleinigkeit in Regeln zu packen. im Zweifelsfall akzeptiere ich eher noch zu simple Regeln (weswegen ich zB dennoch NWoD zogge - obwohl ich schon den Antrag auf Regelerweiterung gestellt habe).
    Generell lege ich schon ne hohen Wert auf ein Regelsystem, dass mir zusagt. Daher spiele ich inzwischen auch diverse Spiele mit einem modifizierten D10-System (ua einige D&D Hintergründe).
    In einem Fall (Exalted) haben wir soviele Hausregeln eingeführt, um das Spiel halbwegs für unseren geschmack balanced zu machen, das man irgendwann den Überblick verlor. Und da wir damit nie zu einem zufriedenstellenden Ergebniss kamen, war ich irgendwann so angewidert davon, dass ich einfach aufgegeben habe (das Spiel).

    Ihr habt hier die wesentlichen Punkte angesprochen. Ich würde ein Regelsystem gar nicht unähnlich einer wissenschaftlichen Theorie beschreiben - sie sind ein Modell, das Aussagen vom Spieltisch durch mit Zahlen und Würfeln bestimmte Operationen auf Zustände der Spielwelt abbilden kann und umgekehrt Zustände der Spielwelt in Aussagen am Spieltisch überführen können. Dem folgend, sind auch die Kriterien für ein gutes Regelsystem sehr ähnlich denen einer wissenschaftlichen Theorie: Akkuratheit, Einfachheit und Vollständigkeit. Dabei sind aber nicht zwingend die jeweils größtmöglichen Ausprägungen am besten, denn die drei Faktoren wechselwirken miteinander – zu große Einfachheit geht auf Kosten der Akkuratheit, übermäßige Vollständigkeit oder Akkuratheit zu Lasten der Einfachheit. Die Tugend findet sich in der Mitte: ein zu simples System wird ob der leichten Durchschaubarkeit schnell langweilig oder ist von zu vielen spontanen Meisterentscheiden abhängig, ein zu komplexes lässt sich schlecht im Spiel handhaben; ein zu akkurates System lässt Meister und Spielern zu wenig Möglichkeiten zur Interpretation, zu wenig akkurat wird es beliebig; große Vollständigkeit mach vielleicht häufiges oder langwieriges Nachschlagen nötig, Unvollständigkeit führt zu Beliebigkeit und Meisterwillkür. Demnach sind die Kriterien für ein gutes Regelsystem:
    • So einfach wie möglich, aber so komplex wie nötig;
    • So akkurat wie möglich, doch mit ausreichend Spielraum für Improvisation;
    • So vollständig wie möglich, ohne sich in unnötigen Details zu verlieren.
    Auch hierzu würden mich eure Meinungen interessieren.




    Zur Watcher-Problematik:

    "Ultra Violet" schrieb:

    Medizinmann
    Der Unterschied liegt nicht im Attributswert (wobei dein Vergleich von LOG und INT irgendwie hinkt *g*) Es geht um die Tatsache, das der Watcher eben im Gegensatz zum Hund die Sapients Kraft besitzt, d.h. er ist menschlich intelligent auch wenn am unteren Ende fixiert. Ist ein sehr dummer Mensch immer noch intelligenter als ein Tier.
    Naja dieses Thema wird sich dann sowieso mit dem Erscheinen des Running Wilds ausweiten lassen, bis dahin sind aber Geister durch ihre Critterkraft Sapients immer intelligent. Ob nun klug oder dumm wird dann über den Attributswert gemessen.


    "Ironfist" schrieb:

    Das Problem bei Watchern (wo wir gerade auf diesen Bereich eingeschossen sind) sehe auch ich darin, dass sie
    gewisse Dinge tun SOLLEN (Botengänge zB), aber wie schon vorher beschrieben dank der Werte rein Theo unzuverlässig sind.

    Dachte nicht, dass das Beispiel doch die Gemüter so erregt, aber auch hier geht es um einen typischgen Fall von Inkonsistenz zwischen Regeln und Hintergrund - Ironfists Beitrag hat's genau getroffen. Watcher sind laut Fluff dazu gedacht, einfache Aufgaben zu erfüllen, haben aber laut RAW eine Patzerwahrscheinlichkeit von fast 31%. Mit dieser Zuverlässigkeit kann man ihnen praktisch nichts anvertrauen, da die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht nur erfolglos sind, sondern sogar was kaputtmachen, fast bei einem Drittel der Fälle liegt. Auf den ersten Blick sind die Regeln zwar naheliegend, Watcher einfach wie schlechte Stufe-1-Geister zu behandeln, aber die Regeln machen sie halt praktisch zu echten Dorfttrotteln.
    Daran ändert auch der von Ultra Violet angeführte Punkt leider nichts - mag sein, dass Watcher sapient sind, aber der Effekt beschränkt sich darauf, dass man sie nicht trainieren muss (und auch gar nicht kann) und sie menschliche Sprache verstehen. Ihr Würfelpool verändert sich dadurch nicht, und selbst einfachste Such-Aufgaben vermasseln sie viel zu häufig.


    Ich danke auf jeden Fall schon Mal für die schönen Beiträge. :D

  • "Asleif" schrieb:

    Auf den ersten Blick sind die Regeln zwar naheliegend, Watcher einfach wie schlechte Stufe-1-Geister zu behandeln, aber die Regeln machen sie halt praktisch zu echten Dorfttrotteln.


    Und so werden sie auch üblicherweise beschrieben.

    "Asleif" schrieb:

    SirDrow hat mAn ein gutes Beispiel gebracht, wie man Konsistenz aus den vorhandenen SR-RAW ziehen kann: indem man einfach davon ausgeht, dass "Erfolge kaufen" der Standardfall in der Spielwelt ist, kann die Welt funktionieren, auch wenn die SR-Regeln allgemein nicht so wirklich gut geeignet für die simulationistische Darstellung sind.


    Tatsächlich reichen viele Pools dann nicht mal aus, auch nur einen Erfolg kaufen zu können.

    In a free society, diversity is not disorder. Debate is not strife. And dissent is not revolution.

    George W. Bush

    And while no one condones looting, on the other hand one can understand the pent-up feelings that may result from decades of repression and people who've had members of their family killed by that regime, for them to be taking their feelings out on that regime.

    Donald Rumsfeld

  • "Rotbart van Dainig" schrieb:

    Und so werden sie auch üblicherweise beschrieben.

    So what? Damit verlieren sie jegliche Anwendungs-Relevanz, wenn sie praktisch *nichts* können. Kann man nur noch als Übungsziel benutzen. So werden sie aber laut Fluff nicht eingesetzt, sondern für einfache Such- und Bringe-Aufträge. Wenn sie dabei aber eine Probe ablegen müssen, machen sie viel zu häufig die Situation schlimmer als vorher (=glitchen), als dass sie ein kausal denkender Mensch einsetzen würde.



    "Rotbart van Dainig" schrieb:

    Tatsächlich reichen viele Pools dann nicht mal aus, auch nur einen Erfolg kaufen zu können.

    Und wieder: so what? Ist das schlecht? Warum? Woraus schließt du das? Was folgt?


    Bitte, lieber Rotbart: Klaub nicht immer nur Spezialpunkte raus und "beantworte" sie mit einem einzigen Satz, dessen Sinn, Folgen und Implikationen man sich selbst zusammenreimen muss. Das ist dem Verständnis dessen, was du eigentlich sagen willst, ziemlich abträglich. Mach dir doch bitte die Mühe, Schlussketten aufzustellen, am besten noch mit den Prämissen, von denen du ausgehst. Sonst sind viele Beiträge von dir ein echtes Ratespiel.

  • "Asleif" schrieb:

    Damit verlieren sie jegliche Anwendungs-Relevanz, wenn sie praktisch *nichts* können.


    Und? Mal abgesehen davon, dass auch 1er Geister Anwendungsrelevanz haben.

    "Asleif" schrieb:

    Ist das schlecht?


    Nein. Es zeigt, dass die Welt eben nicht funktioniert, wenn man konstant vom Erfolge kaufen ausgeht. Insofern widerlegt es SirDrows These.

    In a free society, diversity is not disorder. Debate is not strife. And dissent is not revolution.

    George W. Bush

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    Donald Rumsfeld

  • ich greife mir jetzt mal nur die watcher-problematik heraus:


    was da IMHO häufig übersehen wird: viele der kleinen botengäng erledigt der watcher nicht unter gigantischem stress. da MUSS man also nicht immer würfeln. watcher von runnermagiern sind da ja ein wenig die ausnahme.


    was da schon heftiger ist: ihr pool fürs suchen ist einfach nur mau. wenn man denn wirklich mal würfeln muss, geht es zu häufig schief oder dauert viel zu lange. viele andere sachen dürften die kleinen bister aber im normalen alltag hinbekommen.

  • Mal ganz ehrlich: Die Suche-Regeln für Geister sind abartig unbalanced - ein Geist findet alles und jeden, immer.


    Dass Watcher sich dann öfters mal verhauen und ab einer HGS von 1 einfach verschwinden ist das einzige, was noch halbwegs rettet.

    In a free society, diversity is not disorder. Debate is not strife. And dissent is not revolution.

    George W. Bush

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    Donald Rumsfeld

  • Ich versuche mal, mich auf das Anfangsposting zu beziehen.


    Also die Regeln einer "Spielengine" (sei es nun digital oder für's Pen and Paper) sollte gänzlich losgelöst von einem bestimmten Setting (aka Hintergrund) funktionieren. An sich sollten die Regeln eines RPGs so angelegt werden, dass es gar nicht nötig ist, sich mit diversen Hausregeln über Regellücken hinweghelfen zu müssen. Bestes Beispiel sind da wohl die hier von euch diskutierten "Watcher" (von denen ich nichtmal genau weiß, was sie eigentlich sind). Die scheinen nun ja so gar nicht zu funktionieren, wie sie sollten. - Dieses Ideal zu erreichen, ist natürlich unmöglich. Zu vielfältig sind da die Einfälle der Spieler und Spielleiter, als dass da wirklich jede mehr oder minder idiotische Idee abgedeckt werden könnte. ^^


    Auf der anderen Seite sollte der Hintergrund in sich natürlich genauso stimmig sein und keine Logikfehler enthalten.



    Wenn ich nun ein Regelwerk habe, das in sich rund läuft und funktioniert ohne DIN A4-Seitenlange Hausregelsammlungen als Zusatz zu benötigen, kann ich mich auch auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist. Auf den Spaß am Spiel. Ich kann dann sogar den vom Verlag vorgegebenen Hintergrund bedenkenlos meinen eigenen Vorstellungen anpassen. Oder (um mal wirtschaftlicher zu denken): Der Verlag kann mit einem (relativ kostenintensiv) ausgearbeiteten Regelwerk gleich verschiedene Hintergründe anbieten, um die verschiedenen Geschmäcker zu bedienen. - Bestes Beispiel hierfür ist wohl das D20-System mit seinen drei Trillionen Ablegern jenseits von DnD.


    Man kann es wohl am Besten mit einem Auto vergleichen. Die Grundregeln sind der Motor und Fahrwerk und alles was damit zusammenhängt. - Der Hintergrund stellt "lediglich" die Karosserie mit ihrer Lackierung sowie die Farbe, Art und Form der Sitz(bezüg)e und anderen Dingen wie dem Cockpitdesign dar.

  • "Rotbart van Dainig" schrieb:

    Es zeigt, dass die Welt eben nicht funktioniert, wenn man konstant vom Erfolge kaufen ausgeht. Insofern widerlegt es SirDrows These.

    SirDrow ist damit nicht widerlegt, im Gegenteil - wenn man vom Erfolge kaufen ausgeht, schaffen Watcher "halt einfach nur" nichts, aber dafür produzieren sie auch nicht in fast einem Drittel der Fälle Patzer, was ich für das größere Problem halte. Die Glitch-Regeln sind für sehr kleine Pools (bis, sagen wir mal inklusive 4 Würfel) wenig konsistent, da die Patzer-Rate hier einfach zu hoch ist.

    "SCARed" schrieb:

    was da schon heftiger ist: ihr pool fürs suchen ist einfach nur mau. wenn man denn wirklich mal würfeln muss, geht es zu häufig schief oder dauert viel zu lange. viele andere sachen dürften die kleinen bister aber im normalen alltag hinbekommen.

    QFT.


    Worin ich dir aber vollkommen zustimme, Rotbart, ist, dass die Suchen-Regeln allgemein Crap sind. Der fixe MW von 5 ist dabei das Problem - bei uns wurde das dahingehend gehausregelt, dass der MW abhängig von der Entfernung des Ziels ist, und zwar sqrt(Entfernung in km).

  • "Asleif" schrieb:

    SirDrow ist damit nicht widerlegt, im Gegenteil - wenn man vom Erfolge kaufen ausgeht, schaffen Watcher "halt einfach nur" nichts


    Es ging darum dass SirDrow behauptet, dass die Welt allgemein mit Erfolge kaufen funktionieren kann - und wie Du grade festgestellt hat funktioniert sie dann eben nicht. Das zwar sehr konstant, aber das ist weniger der Sinn der Sache...

    "Asleif" schrieb:

    Der fixe MW von 5 ist dabei das Problem - bei uns wurde das dahingehend gehausregelt, dass der MW abhängig von der Entfernung des Ziels ist, und zwar sqrt(Entfernung in km).


    Weder ist der Mindestwurf fix (es gibt bereits einen Aufschlag von +1 pro Kilometer), noch ist das das Problem, sondern wie bei allen Extended Tests dauert es eben einfach nur lange, aber außer Watchern scheitert niemand.

    In a free society, diversity is not disorder. Debate is not strife. And dissent is not revolution.

    George W. Bush

    And while no one condones looting, on the other hand one can understand the pent-up feelings that may result from decades of repression and people who've had members of their family killed by that regime, for them to be taking their feelings out on that regime.

    Donald Rumsfeld

  • "Asleif" schrieb:

    doc damnijs Post folgend wäre meine Forderung an alle Regelautoren dieser Welt: beschäftigt euch entweder verdammt noch mal selber ein bissl mit Wahrscheinlichkeiten oder gebt eure Regelkonstrukte an Leute zum Testen, die selbiges tun. Ich meine, es ist eigentlch wirklich ein starkes Stück, ohne einen Hauch von stochastischen Kenntnissen Spielregeln auf Würfelbasis zu designen - eben diesen Eindruck hat man aber von vielen Autoren der SR-Regeln.


    Diesen Eindruck hat man von praktisch allen Würfelbasierten Spielen. Ich habe auch schon lange und viel über Regeln nachgedacht, die die Welt besser darstellen, bin aber immer wieder beim Problem gelandet, dass dann das Regelwerk nicht mehr voll verständlich ist und letztlich mit einem Software-Simulator geliefert werden muss (was ich nur begrenzt schlimm finde, bei uns läuft bei SR ohnehin immer ein Notebook).


    Die meisten Regelsysteme sind Zugeständnisse an eine Einfache Handhabung eines komplexen Systems, die es erlauben, und da schließe ich mich Asleif und Rasumichin absolut an, das die Regeln vorhersagen erlauben, d.h. dass sie dem Spieler ermöglichen den Erfolg seiner Aktionen abzuschätzen.

  • "Asleif" schrieb:

    Dass SR auch ein bisschen den Simulationismus bedienen will, zeigt z.B. das Vorhandensein von Regeln für Scanner, Verfolgungsjagden etc., um Situationen darzustellen, die in einem Erzählspiel rein vom dramatischen bzw. storyteller-Standpunkt her vom Meister willkürlich entschieden würden. Ein Minimum an Simulationismus ist notwendig, sobald das System auch Konflikte darstellen und den Spielern darin echte Handlungsmöglichkeiten und Taktiken anbieten will.
    Deswegen ist dieser Punkt auch so wichtig, denke ich - SR ist in seinem üblichen Setting von Grund auf als Konfliktspiel konzipiert. Runner gegen Konzern, Verhandlung gegen Johnson, falsche ID gegen Türscanner, Schleichen gegen die Wachmannschaft, Kampfsituationen, Verfolgungsjagden etc. Konflikte sind essentiell für klassisches SR - deswegen sollten die Regeln hierfür auch halbwegs sophisticated sein, zumindest aber gut funktionieren und konsistente Ergebnisse liefern. Das ist bei SR leider häufig nicht der Fall, Inkonsistenzen treten hier häufig auf, meist in Form von kaum vorhersehbaren Wahrscheinlichkeiten nach RAW. Paradebeispiel ist das hinreichend bekannte SIN/SIN-Scanner-Problem, indem einfach die Stufen als Pools vergleichend gegeneinander gewürfelt werden.


    Es ist interessant, aber mE nicht vollumfänglich zutreffend, dass du den Ansatz der Weltmodellierung* mit der herausforderungsorientierten Komponente des Rollenspiels gleichsetzt.
    Interessant deshalb, weil Rollenspiele in ihrer Anfangszeit viel stärker als heute darauf gesetzt haben, dass der SL ad hoc nach Abwägung von Plausibilitäten Proben und Erschwernisse für Charakteraktionen zuweist, während später immer mehr dazu übergegangen wurde, Situationen zu standardisieren, um sie regeltechnisch zu erfassen und berechenbar zu machen.
    Plausibilitätenabwägung, also Intrapolation von einer Annahme über die Spielwelt hin zur spontan konfiguriererten Spielmechanik, war also in der klassischen Form von RPGs tatsächlich ein zentrales Mittel zur Gestaltung von Konfliktlösungen durch Spielmechaniken.
    Diesen Spielen ist allerdings stets eine sehr grobschrittig und offen modulierte Grundmechanik zu eigen : auf kleinschrittige Abbildung der Charaktere wird zu Gunsten recht global angelegter Eigenschaften verzichtet, dadurch fällt zwar jedem Wert eine Vielzahl an Aufgaben zu, es kann aber auch immer leicht ein Wert einer Probe zugeordnet werden.


    RPGs neueren Datums mit ihren umfangreichen Regelsystemen neigen dagegen sehr stark dazu, zumindest die häufigsten Sachverhalte sehr klar zu verregeln.
    Dies führt dazu, dass ein Regelwerk nicht mehr offener Baukasten, sondern geschlossenes System ist.
    Hier sind wir an dem Punkt, an dem ich anderer Ansicht bin als du :
    Wahrscheinlichkeitsabwägung ist auch in solchen Systemen gewährleistet, sie ist aber von der Alltagserfahrung der Spieler ebenso wie von ihrer Kenntnis des Hintergrunds getrennt und speist sich rein aus der Berücksichtigung der Mechaniken.
    Dazu kommt, dass Regelsysteme eben keine reinen Simulationsmaschinen sind, sondern auch unter Berücksichtigung der Gewährleistung spielverwertbarer Herausforderungen gestaltet werden, wie wir es auch bei Gesellschaftsspielen finden.
    Schach ist bspw. nicht daran orientiert, eine Schlacht zu simulieren, sondern nutzt die rudimentäre Ähnlichkeit der Figuren mit Militäreinheiten nur als dekoratives Element und fokussiert sich auf die Schaffung hochkomplexer Konfrontationsmuster durch stark abstrahierende und einschränkende Bewegungsregeln, produziert also taktisch fordernden Konflikt durch Handlungsmöglichkeiten einhegende, gleichzeitig aber durch Kombinatorik dieser Begrenzungen neue Handlungsmöglichkeiten schaffende Regeln.
    Die abstrakte Natur der Regeln wird dabei zur Planungsgrundlage, gerade sie ermöglicht das stundenlange Brüten über dem nächsten Zug.


    In abgeschwächter und mit anderen Elementen vermischter Form lässt sich dieser Aspekt auch in RPGs finden.
    Ein auf den taktischen Aspekt abzielendes RPG ist immer auch teilweise eine Denksportaufgabe in abstrahierender Form.
    SR bietet eine Reihe von Beispielen, in denen ein "realistischer" Ansatz gerade im Hinblick auf die konfliktorienterte Komponente bewusst vermieden wurde, was teilweise schon seit frühen Editionen auch in kommentierenden Glossen innerhalb der Regeltexte von den Entwicklern dargelegt wurde, bspw. in Bezug auf die absichtlich drastisch reduzierte Feuerrate von Schusswaffen.


    Zitat

    Hausregeln sind für die meisten Gruppen, die ein wenig Wert auch auf den simulationistischen / taktischen Aspekt des Spiels legen, wohl unverzichtbar.
    Denn nur, wenn Standardsituationen durch gute Regelmechanismen abgedeckt und frei von Meisterwillkür sind, kann der Charakter Kausalitäten feststellen und sich darauf verlassen, dass die Welt tatsächlich so funktioniert, wie er aufgrund seiner Erfahrungen annimmt. Ansonsten, wenn der Meister die Spielwelt in gleichen Situationen stets höchst unterschiedlich reagieren lässt (z.B. weil er für diese Standardsituation keine guten Regeln hat, oder weil es besser in sein Storykonzept passt, nach Belieben Regeln über Bord zu werfen), kann der Charakter keine nachvollziehbaren Entscheidungen mehr treffen, weil er nicht mehr abschätzen kann, welche Folgen seine Handlungen haben werden. Die Alternative sind Erzählsysteme, wo von vornherein klar ist, dass des Meisters Plot über allem steht - allerdings ist das mAn eine gänzlich andere Art von Rollenspiel.
    Diese These ist provokant, aber dazu würden mich eure Meinungen sehr interessieren.


    Mit den im ersten Teil genannten Einschränkungen stimme ich hier vollkommen zu.
    Wobei ich es im hochinteraktiven Medium RPG für einen problematischen Weg halte, Storyorientierung allein dem Meister zuzuschreiben- allerdings einen Weg, der von den erfolgreichsten selbsternannten Storygames -meiner persönlichen Meinung nach leider- so gegangen wurde.




    * Den Begriff Simulationismus möchte ich hier vermeiden, er ist durch das -hier praktischerweise nicht präsente- Threefold-Modell belegt und meint iA eine etwas anders gelagerte Komponente von Rollenspielen als das, was du damit bezeichnest.

  • "Warentester" schrieb:

    Diesen Eindruck hat man von praktisch allen Würfelbasierten Spielen. Ich habe auch schon lange und viel über Regeln nachgedacht, die die Welt besser darstellen, bin aber immer wieder beim Problem gelandet, dass dann das Regelwerk nicht mehr voll verständlich ist und letztlich mit einem Software-Simulator geliefert werden muss (was ich nur begrenzt schlimm finde, bei uns läuft bei SR ohnehin immer ein Notebook).
    Die meisten Regelsysteme sind Zugeständnisse an eine Einfache Handhabung eines komplexen Systems, die es erlauben, und da schließe ich mich Asleif und Rasumichin absolut an, das die Regeln vorhersagen erlauben, d.h. dass sie dem Spieler ermöglichen den Erfolg seiner Aktionen abzuschätzen.

    Ich bin allerdings der Ansicht, dass sich hier Anwendbarkeit und eine vernünftige Darstellung der Welt nicht ausschließen müssen. Der Mittelweg ist zugegebenermaßen sehr schwer zu finden - zwischen zu simpel und zu kompliziert ebenso wie zwischen zu abstrakt und zu korinthenausscheidend.
    Dafür müssen die Grundregeln relativ abstrakt gehalten werden, gleichzeitig aber für den Meister einen breiten Spielraum bieten, in dem sie angewandt werden können.
    Ich arbeite selber seit einiger Zeit an einem eigenen Regelsystem. Wenn jemand Lust hätte, mal Korrekturzulesen und Kritik abzugeben, bitte ich um eine PM.Was ich derzeit entwickle, basiert auf dem W30, einem Werterahmen von 0 bis ca. 30 und einem Probensystem, das viel mit festen/objektiven Schwierigkeiten arbeitet, die jeweils zum geprüften Wert eines Charakters in Relation gesetzt werden und damit einen flexiblen Zuschlag ergeben, je nach individuellem Können. Weitere Features: klassische Aufteilung Attribute/Fertigkeiten/Vorteile, Generierungs- und Steigerungsregeln gleich (fairnesshalber und um MinMaxing nicht zu belohnen), Regeln insgesamt abstrakt, aber nachvollziehbar mit viel Spielraum zur beschreibenden Darstellung. Soll natürlich hintergrundunabhängig funktionieren, zwei Settingbücher (Fantasy und Cyberpunk) sind geplant, die dann weiterführende Regeln (Magie, Fahrzeuge Implantate etc.) enthalten werden. Auf Alpha-Status fertig sind die Basisregeln, die Kampfregeln sind noch im Bau.



    "Rasumichin" schrieb:

    Wobei ich es im hochinteraktiven Medium RPG für einen problematischen Weg halte, Storyorientierung allein dem Meister zuzuschreiben- allerdings einen Weg, der von den erfolgreichsten selbsternannten Storygames -meiner persönlichen Meinung nach leider- so gegangen wurde.
    * Den Begriff Simulationismus möchte ich hier vermeiden, er ist durch das -hier praktischerweise nicht präsente- Threefold-Modell belegt und meint iA eine etwas anders gelagerte Komponente von Rollenspielen als das, was du damit bezeichnest.

    Stimme dir vollständig zu. Was ich bisher an Erzählsystemen (altes Vampire und neues Mage) gespielt habe, ist zwar schon interessant, aber als Spieler ist man für meinen Geschmack zu sehr vom Meister abhängig. Die Regeln sind so simpel, dass sie nicht geeignet sind, in Standardsituationen Anwendung zu finden, was z.B. so gelöst wurde, dass jeder "Dot" auf einer Fertigkeit bestimmte Anwendungsgebiete nennt, die man fortan ohne eine Probe abzulegen schafft. Recht grob und nicht wirklich elegant, aber passt ins System. Mich persönlich befriedigt so ein Ansatz nicht; meiner Ansicht nach müssen Regeln so "gut" sein, dass die Welt auch dann funktionieren müsste, wenn sie in jeder passenden Situation angewendet würden. Was keineswegs bedeutet, dass jedes Fitzelchen regeltechnisch erfasst sein muss, sondern besser dass es flexible Grundmechanismen gibt, die derart sophisticated sind, dass man mit ihnen alles angemessen darstellen kann.
    Mit dem Begriff hast du wohl recht, aber einen besseren hab' ich auf die Schnelle nicht gefunden.



    "Rasumichin" schrieb:

    Es ist interessant, aber mE nicht vollumfänglich zutreffend, dass du den Ansatz der Weltmodellierung* mit der herausforderungsorientierten Komponente des Rollenspiels gleichsetzt. Interessant deshalb, weil Rollenspiele in ihrer Anfangszeit viel stärker als heute darauf gesetzt haben, dass der SL ad hoc nach Abwägung von Plausibilitäten Proben und Erschwernisse für Charakteraktionen zuweist, während später immer mehr dazu übergegangen wurde, Situationen zu standardisieren, um sie regeltechnisch zu erfassen und berechenbar zu machen. Plausibilitätenabwägung, also Intrapolation von einer Annahme über die Spielwelt hin zur spontan konfiguriererten Spielmechanik, war also in der klassischen Form von RPGs tatsächlich ein zentrales Mittel zur Gestaltung von Konfliktlösungen durch Spielmechaniken. Diesen Spielen ist allerdings stets eine sehr grobschrittig und offen modulierte Grundmechanik zu eigen : auf kleinschrittige Abbildung der Charaktere wird zu Gunsten recht global angelegter Eigenschaften verzichtet, dadurch fällt zwar jedem Wert eine Vielzahl an Aufgaben zu, es kann aber auch immer leicht ein Wert einer Probe zugeordnet werden. RPGs neueren Datums mit ihren umfangreichen Regelsystemen neigen dagegen sehr stark dazu, zumindest die häufigsten Sachverhalte sehr klar zu verregeln.
    Dies führt dazu, dass ein Regelwerk nicht mehr offener Baukasten, sondern geschlossenes System ist.
    Hier sind wir an dem Punkt, an dem ich anderer Ansicht bin als du :
    Wahrscheinlichkeitsabwägung ist auch in solchen Systemen gewährleistet, sie ist aber von der Alltagserfahrung der Spieler ebenso wie von ihrer Kenntnis des Hintergrunds getrennt und speist sich rein aus der Berücksichtigung der Mechaniken. Dazu kommt, dass Regelsysteme eben keine reinen Simulationsmaschinen sind, sondern auch unter Berücksichtigung der Gewährleistung spielverwertbarer Herausforderungen gestaltet werden, wie wir es auch bei Gesellschaftsspielen finden. Schach ist bspw. nicht daran orientiert, eine Schlacht zu simulieren, sondern nutzt die rudimentäre Ähnlichkeit der Figuren mit Militäreinheiten nur als dekoratives Element und fokussiert sich auf die Schaffung hochkomplexer Konfrontationsmuster durch stark abstrahierende und einschränkende Bewegungsregeln, produziert also taktisch fordernden Konflikt durch Handlungsmöglichkeiten einhegende, gleichzeitig aber durch Kombinatorik dieser Begrenzungen neue Handlungsmöglichkeiten schaffende Regeln. Die abstrakte Natur der Regeln wird dabei zur Planungsgrundlage, gerade sie ermöglicht das stundenlange Brüten über dem nächsten Zug. In abgeschwächter und mit anderen Elementen vermischter Form lässt sich dieser Aspekt auch in RPGs finden. Ein auf den taktischen Aspekt abzielendes RPG ist immer auch teilweise eine Denksportaufgabe in abstrahierender Form.
    SR bietet eine Reihe von Beispielen, in denen ein "realistischer" Ansatz gerade im Hinblick auf die konfliktorienterte Komponente bewusst vermieden wurde, was teilweise schon seit frühen Editionen auch in kommentierenden Glossen innerhalb der Regeltexte von den Entwicklern dargelegt wurde, bspw. in Bezug auf die absichtlich drastisch reduzierte Feuerrate von Schusswaffen.

    Ein interessanter Aspekt; würde dir grundsätzlich zustimmen, allerdings bin ich der Ansicht, dass ein gutes RP-Regelwerk eben möglichst nicht nur ein Komplex von voneinander unabhängigen Systemen (z.B. Kampfregeln, Charakterverwaltungsregeln, Magieregeln etc.) sein darf, sondern diese zum einen möglichst eng miteinander verschränkt (heisst, nach den gleichen Mechanismen funktionierend und gut ineinander übersetzbar sowie ansatzweise ausgewogen) sein müssen. Und das nicht nur bei den einzelnen Regel-Subsystemen, sondern auch in Bezug auf die angemessene Darstellung in der und Übersetzung in die Hintergrundwelt. Als Negativ-Beispiel führe ich hier mal D&D an (so wie ich es primär aus den PC-Spielen kenne - in der P&P-Runde, wo eine Zeit lang D&D gespielt wurde, hat man schnell auf ein anderes System gewechselt): Das Kampfregelwerk ist ein völlig eigenständiger Komplex, der nur wenig mit GMV und Alltagserfahrung zu tun hat: Eine Rüstung macht es schwieriger, getroffen zu werden, aber wenn man Schaden erleidet, ist es egal, ob man nackt ist, oder einen Plattenpanzer trägt. So sieht die "realistische" bzw. simulationistische (entschuldige den Terminus, aber mir ist noch kein besserer eingefallen) Interpretation des Würfelvorgangs (Trefferwurf gegen Rüstungsklasse, bei Gelingen danach Schaden) aus. Hinzu kommt die strenge Einteilung in Kampfrunden, genaue Definition, was man in der Zeit machen kann und was nicht, usw., insgesamt ein relativ kompliziertes Subsystem, das aber mit dem eigentlichen Rollenspiel (nachvollziehbare Charakterdarstellung und -entwicklung) mAn nicht viel zu tun hat (der Rest der Regeln ist deutlich weniger ausgearbeitet und oft nicht sehr konsistent), weswegen ich kein großer D&D (oder D20)-Fan bin.
    Sicher sieht man hier noch recht deutlich die Wurzeln des Tabletops, aber ein modernes, höherentwickeltes RP sollte mAn einen anderen Ansatz gehen; gut funktionierende Basis-Mechanismen sind mAn deutlich wichtiger als eine zu intensive Schwerpunktsetzung in einem kleineren Teilbereich. SR geht da prinzipiell den richtigen Weg beim Verhältnis der großen Teilbereiche zueinander (Grundregeln, Kampf, Magie, Matrix), obwohl an manchen Stellen natürlich Schnitzer gemacht wurden (die man häufig durch ein kompetentes Lektorat, Testspielen oder schon schlichte Gedankenexperimente vermeiden hätte können).


    Man muss natürlich immer einen Kompromiss zwischen Abstraktion (zum Zweck der Ausgewogenheit und Spielbarkeit) und Komplexität/Orientierung an der Realität (zum Zweck von Konsistenz und Tiefgang) eingehen, das ist klar; hier den richtigen Mittelweg zu finden, ist sehr schwierig. Erzählsysteme wie NWoD sind derart abstrakt, dass vom taktischen/weltsimulierenden Aspekt praktisch nichts übrigbleibt, DSA z.B. hat hochgradig ausgearbeitete Subsysteme (Kampfregeln, Magie), die aber im Spiel zu kompliziert anzuwenden sind, wenn nicht wirklich alle Beteiligten regeltechnisch fit sind.
    Und dann gibt es noch Ausnahmen wie Rolemaster, die sowohl sehr detailliert ausgearbeitet, aber gleichzeitig weit weg vom GMV sind. Meiner unmaßgeblichen Meinung nach wurde hier das falscheste von beiden Schienen genommen...

  • Das Problem von Regel ist, das sie versuchen etwas in Werte zu fassen, was eigentlich nicht in Werte zu fassen ist, nämlich das Leben und die Welt.


    Rollenspielkonstrukte sind auf ein bestimmtes Ziel zugeschnitten. Viele Rollenspiele wollen garnicht realistisch sein. Aber das ist das Problem von SR. Es weis selber nicht, was es sein will. Einige Teile der Regeln sind ziemlich realistisch (eine einzige Kugel KANN dich töten), andere nicht (der Panzerungswert ist einer, der für den gesamten körper zählt). Also muss man es voher erst mal für sich klären, was man bevorzugt.

  • "William F. Drake" schrieb:

    Das Problem von Regel ist, das sie versuchen etwas in Werte zu fassen, was eigentlich nicht in Werte zu fassen ist, nämlich das Leben und die Welt.

    Nein, damit würdest du natürlich jedes Regelsystem überfordern - Leben und Welt sollen von Meister und Spielern gemeinsam beim RP dargestellt werden.
    Den Zweck der Regeln sehe ich darin, in einem gewissen Sinn den Rahmen von Handlungsmöglichkeiten abzustecken (darf ich frech zu jemandem sein, der eine Knarre auf mich gerichtet hat? halte ich's aus, aus dem vierten Stock zu springen? usw,), sowie eine Fundament zu schaffen, aufgrund dessen strittige (= Proben-) Situationen fair entschieden werden können.


    "William F. Drake" schrieb:

    Rollenspielkonstrukte sind auf ein bestimmtes Ziel zugeschnitten. Viele Rollenspiele wollen garnicht realistisch sein. Aber das ist das Problem von SR. Es weis selber nicht, was es sein will. Einige Teile der Regeln sind ziemlich realistisch (eine einzige Kugel kann dich töten), andere nicht (der Panzerungswert ist einer, der für den gesamten körper zählt). Also muss man es voher erst mal für sich klären, was man bevorzugt.

    Dem stimme ich zu. Solche Probleme können vermieden werden, wenn man im Voraus ein wenig mehr plant und sich regelmäßig Feedback von Testern und Spielern holt.

  • "William F. Drake" schrieb:

    [...]Rollenspielkonstrukte sind auf ein bestimmtes Ziel zugeschnitten. Viele Rollenspiele wollen garnicht realistisch sein. Aber das ist das Problem von SR. Es weis selber nicht, was es sein will. Einige Teile der Regeln sind ziemlich realistisch (eine einzige Kugel kann dich töten), andere nicht (der Panzerungswert ist einer, der für den gesamten körper zählt). Also muss man es voher erst mal für sich klären, was man bevorzugt.


    Also ob es realistisch ist, wie eine Kugel bei SR4 töten kann oder nicht wage ich stark zu bezweifeln. Ein normaler Mensch (Konsti 3) hat einen körperlichen Monitor von 10 Kästchen. Wenn dem jetzt jemand eine Holdoutpistole/leichte Pistole mit Standrtmunition an die Schläfe hält und abdrückt, der keinen Pistolenskill hat und nur durchschnittliche Dexterity wird der getroffene selbst wenn er keinerlei Rüstung trägt noch lange nicht tot sein. Sagen wir mal da "an die Schläfe halten" gibt +4 Würfel, die durch die -4 Würfel für +4DV sofort wieder gefressen werden. Dann hat der Angreifer 3 Würfel zum Angriff. Dann ist die Wahrscheinlichkeit für eine Lebensbedrohliche Verletzung nicht besonders groß, denn, korrigiert mich, wenn ich da falsch liege, man beginnt erst, weitere Kästchen zu verlieren, wenn man im Überzähligen Schaden ist. Also in einem 3,7% der Fälle. Und unser Armer Schütze wird obedrein in 8,3% der Fälle noch irgendwie patzen (immer ohne lebensbedrohliche Verletzung), in 5,6% sogar kritisch. Selbst wenn er eine schwere Pistole außer dem Warhawk und der Ares Viper Slivergun nimmt, ändern sich die Patzerwahrscheinlichkeiten nicht, wenn auch die Wahrscheinlichkeit einer lebensbedrohlichen Verletzung auf 22,2% steigt. Würfelt der angeschossene auch noch seinen statistischen Erfolg beim Schadenswiderstand wird kein einziger aufgesetzer Kopfschuss mit einer leichten Pistole lebensbedrohlich und nur 3,7% der mit der schweren. Und ein sofortiger Tod geht auf gar keinen Fall. Um unseren Durchschnittsmenschen mit einem aufgesetzten Kopfschuss halbwegs sicher zu töten (also 13 Kästchen Schaden sicher) braucht man einen Schützen, der nicht weniger als 24 (20 mit einer schweren Pistole) Würfel im Pool hat, um sich die nötigen Erfolge für 14 Kästchen Schaden (13 benötigt, einem widerstanden) kaufen zu können.
    Und zum Thema sofortiger Tod bei Beschuss ohne aufgesetzte Waffe sei mal angemerkt, dass es extrem schwer ist, einen austranierten Menschen (Konsti 6) mit einem Schuss umzubringen (11 Kästchen aktiv und 6 überzählig). Selbst wenn man ein Scharschützengewehr mit Explosivgeschossen verwendet und 4 Würfel einbehält für einen um 4 erhöhten Schaden und der Typ keine Rüstung trägt kommt man je nach Gewehr auf einen Grundschaden (inklusive Zielen und Munition) zwischen 12K und 14K, das heißt man benötigt noch zwischen 5 (z.B. beim Walter) und 3 (beim Barret) Nettoerfolge, um den Menschen mit dem ersten Schuss zu töten, 7 bzw. 5, wenn man den Schadenswiderstand bedenkt.
    Da ist SR von realistisch meilenweit entfernt, denn in der Realität ist häufig genug ein Treffer tödlich und das liegt nicht daran, dass alle Scharfschützen mit .50 (explosiv) um schießen und auf dem Fertigkeitsniveau von Olympiasiegern sind.

    Da sieht man nun die Trümmer rauchen, der Rest war nicht mehr zu gebrauchen. (Wilhelm Busch)

  • Das sind so die Momente, wo dann der SL gefragt ist. Hier sollte ein Kopfschuss auch wirklich töten, denn alles andere würde die vermutlich ernste Situation lächerlich werden und vermutlich für ein nicht geringes Amusement bei den Spielern hervorrufen. Spielen wir das ganze doch mal mit einem Kampfmesser durch. Str/2+1 Schaden. Bei unterdurchschnittlichen 2 Stärkepunkten haben wir also einen Gesamtschaden von 2. Wer will weiterrechnen, wie oft derjenige welcher in der Kehle des Gefesselten herumstochern muss, bis wir eine fatale Wunde haben? Meldet sich jemand freiwillig? ;)


    Wenn ich mir aber die beschriebene Situation im SL-Only Unterforum so angucke...muss man vielleicht wirklich sogar solche dem gesunden Menschenverstand überlassenen Situationen in den Regeln festhalten...



    Zum Scharfschützen: (nur) Hier wäre vielleicht eine Trefferzonensonderregelung praktisch. Denn ein Helm hat einen wesentlich geringeren Panzerwert als etwa eine Brustplatte. Natürlich gelten dennoch Cyber- und Biowarepanzerung. - Gleichzeitig sollte das aber auch nur bei Distanzschüssen erlaubt sein, sonst rennt ja jeder mit nen Scharfschützengewehr im "Nahkampf" rum. Die gibt es ja auch in der erschütterungsunempfindlichen Version.

  • Also ne Hold-Out Pistole ist ja auch nicht so das risige Kaliber. Ich vergleiche sie mal mit ner Deringer. Kaliber .33 sind halt nicht da um zu töten, sondern um den Angreifer abzuschrecken und zu verletzen. Ausserdem habe ich geschrieben, eine Kugel aus einer Pistole KANN jemanden töten. Ich hatte beim vorigen Post schon drüber nachgedacht es IN GROßBUCHSTABEN UND FETT zu schreiben.


    P.S. Warum müssen ihr leute euch immer an solchen spitzfindigkeiten aufgeilen? :roll:


    Abraham Lincoln ist auch nicht sofort tot gewesen, als ihm in den Hinterkopf geschossen wurde. Er erlag aber seiner Verletzung nach ein paar Stunden.

  • Meister Drake spricht den richtigen Punkt an.
    SR hat ein abstraktes Schadenssystem - die meisten Treffer sind aber auch in RL nicht instantan tödlich (was die Forderung nach 8+Kon x 1,5 Schaden pro Schuss impliziert, sondern normalerweise tötet der folgende Schock, Blutverlust etc. erst später. Das ist in SR nicht vorgesehen, außer mit den Optionalregeln aus dem Augmentation für schwere Verletzungen.
    Mein HR-Vorschlage wäre hier, dass die +4 Würfel für das angesagte Ziel optional auch einen solchen schweren Verletzungseffekt (z.B. Bewusstlosigkeit, Blutverlust wie bei überzähligem Schaden, große Schmerzen, Bewegungsunfähigkeit etc.) hervorrufen können - damit wäre der GMV vortrefflich und ohne Systemverbiegen in die Regeln integriert.