Hallo,
mein Spielmeister plant eine neue Runde aufzumachen, mit dem Vorsatz zuerst
ein komplettes werteloses Charakterkonzept zu erstellen und dann in Zusammenarbeit
mit dem SL das Profil zu erstellen (da es sich in unserer Runde hat es sich leider eingebürgert
hatte die Charaktererschaffung ohne Rücksicht auf Story- und Gruppenkontext zu tätigen).
Das heisst:
Jeder Spieler beantwortet erstmal eine Auswahl an Fragen zum Charakter,
bevor angefangen wird irgendwelche Spielwerte festzulegen.
Jetzt habe ich mich dazu entschlossen einen jungen weiblichen Hacker zu spielen.
Auf diese Rolle freue ich mich schon, einfach weil (auch wenn es banal klingen mag)
ich noch nie dazu gekommen bin mir ernsthafte Gedanken über einen weiblichen Char zu machen.
Ich habe schon einen schwulen Klischee-Adepten gespielt der einen Nachtclub geleitet hat,
einen kleinwüchsigen Profi-Attentäter in Kindergestalt, einen traumatisierten Söldnerveteran
mit Cyberpsychose, Depressionen und Flashbacks, einen unter Amnesie leidenden Klon,
einen vierarmigen dreiäugigen Ghul-Ork-Cyber-Adepten-Koch-Samurai auf Weltreise und noch
ein gefühltes Dutzend anderer Charaktere die mich sehr zum grübeln gebracht haben, wie ich
sie darstelle. Aufgefallen ist mir dabei, das ich noch nie einen echten weiblichen Char gespielt habe.
Natürlich habe ich dabei wie bei allen meinen Charakteren begonnen gründliche Recherche zu betreiben.
Dabei bin ich auf einige Probleme gestoßen die mich grübeln ließen, ob es sich überhaupt lohnt einen
weiblichen Charakter zu spielen, das Konfliktpotential erscheint unangemessen hoch:
- Ich kann mir vorstellen, das sich die anderen Spieler unwohl dabei fühlen ihre InPlay-Interaktionen,
die an eine weibliche Spielfigur gerichtet sind, an eine männliche Spielerperson zu richten.
Denn bei Mann-Frau Interaktionen schwingt auch häufig eine unterschwellige Sexualität mit.
Das wäre weniger ein Problem, wenn mein Char eine Zwergen- oder Trolldame wäre,
oder eine Oma oder ein kleines Mädchen. Aber mein Char ist aufgrund ihrer Backstory nunmal 16 Jahre alt.
Jetzt möchte ich meinem Char aber auch nicht seine Sexualität absprechen, indem ich ihn künstlich keusch
oder besonders frigide oder prüde darstelle. Warum darf der Orkposer rumhuren und baggern und mein
Char nichtmal heimlich an hübsche Jungs in der Nachbarschaft denken?
- Ein männlicher Spieler der einen weiblichen SC spielt behindert die Gruppen-Immersion.
Ich bin jetzt zwar nicht der bärtige Typ, wie man sieht: http://fc03.deviantart.net/fs4…E_2009_YAY_by_ProNice.jpg
aber es reicht wahrscheinlich um ein echtes Hindernis darzustellen. Die Darstellung des Charakters
verliert einfach enorm an Glaubwürdigkeit- ich kann nichtmal meine Stimmlage wie die einer Frau verstellen..
Als Zwerg brumme ich mehr, als Troll gibts ein dunkles, kratziges, nuscheliges Geseusel, aber wenn ich
als Frau eine künstlich aufgehellte fiepsige Stimme verwende, kommt sofort die Tunten-Assoziation hoch.
Meine normale Stimme hat schon ihre Kratzer und Brummer, das reisst fürchte ich einen einfach aus der Illustion.
Ich könnte natürlich anstatt selbst zu sprechen immer nur beschreiben was mein Char macht aber immer
zu sagen: "Meine Hackerin sagt sie ist zu müde um heute Abend mit euch in die Kneipe zu gehen" ist doch doof.
- Die anderen männlichen Mitspieler könnten mein Charakterspiel als Angriff auf ihre Männlichkeit empfinden.
Sie sind zwar alle schon über 20 Jahre alt, aber im Kopf sind einige von ihnen noch gute 14 Jahre geblieben.
Männern ist es einfach nicht gestattet aus ihrer Männerrolle auszubrechen, wohl auch nicht wenn man
ein Pen-und-Paper-Rollenspiel betreibt. Immer wenn wir zusammensitzen fliegt das Testosteron.
Man(n) macht derbe Schwerze, redet über die Weiber und jeder will bärtiger als der andere sein.
Unter solchen Umständen gebietet es die Männlichkeit sich von allen unmännlichen Männern zu distanzieren,
um nicht selbst Schaden an der eigenen Männlichkeit zu nehmen. Ja das ist dumm und unreif, aber oft wirklich so.
- Dazu fürchte ich meinen eigenen und den Ansprüchen meiner Mitspieler nicht gerecht zu werden.
Denn wenn man als männlicher Spieler versucht seinen Charakter weiblich darzustellen,
wirkt man schnell als klischeehaft abgestempelt. Wenn man den Charakter emanzipiert,
ist er schnell mal zickig, nuttig oder schlampig. Wenn man die perfekte Gradwanderung schafft,
erzeug man gerademal ein Neutrum, welches im direkten Vergleich zu anderen Charakteren
eher fade wirkt und keinen echten Eindruck hinterlässt; Ganz zu schweigen im Vergleich
zu weiblichen Charakteren die von echten weiblichen Spielern gespielt werden.
Jetzt ist meine Hackerin nunmal oft verunsichert und hat eine Menge Neurosen, wobei ich mir aber
ungern vorhalten lassen würde, ich lasse Frauen betont als schwach oder hilfsbedürftig erscheinen.
Was kann ich da tun?
Habt ihr vielleicht Ratschläge für mich? Wie kann ich vermeiden, dass mein weiblicher Char überzeichnet wirkt?
Wie kann ich die Gruppen-Immersion schützen? Was kann ich tun um die Männlichkeit am Tisch zu bewahren?
Wie schaffe ich es als Mann meinen weiblichen Char weiblich zu spielen ohne überzogen oder klischeehaft zu wirken?
Was sollte ich wenn möglich vermeiden? Ich freue mich über jede Hilfe, ich möchte meinen Charakter nämlich
sehr gerne auch im fertigen Spiel umsetzen.
Ich habe für dieses Thema einen neuen Thread aufgemacht, obwohl ich mir nicht sicher bin ob es klug war.
Es gab nämlich bereits Ansätze der Diskussion hier in der Plauder-Ecke http://www.sr-nexus.de/bb/mannlein-oder-weiblein-t7598.html
oder im Tanelorn-Forum, daher würde ich verstehen, wenn man meinen Post einfach an den entsprechenden Thread anhängen würde.
Der seinen rollenspielerischen Horizont erweitern wollende
ProNice