Spieler vs. Charakter

  • Gewalt und deren Darstellung sollte Atmosphäre schaffen - es ist immerhin ein Action-Rollenspiel (wie die meisten anderen auch) - aber nicht reiner Selbstzweck sein. Und die Darstellung von Vergewaltigung eines NSC durch einen SC ist (ihmo) nicht der Schaffung einer spannenden und unterhaltsamen Atmosphäre zuträglich. (Ja, auch Gewalt kann unterhalten - z.B. Boxen!)

  • "LeDragon" schrieb:

    Und die Darstellung von Vergewaltigung eines NSC durch einen SC ist (ihmo) nicht der Schaffung einer spannenden und unterhaltsamen Atmosphäre zuträglich. (Ja, auch Gewalt kann unterhalten - z.B. Boxen!)


    Rollenspiel muss nicht zwangsläufig unterhaltsam sein, in dem Sinne in dem die meissten "unterhaltsam" verstehen. Es kann auch unterhalten, indem es nachdenklich macht.


    Einen Frontliner auf seinem kometenhaften Aufstieg in der Edgerunnerszene zu spielen kann genauso spannend und interessant sein, wie seinen kometenhaften Fall zu spielen. Finanzielle Schwierigkeiten, Depressionen, Alkohol, Drogen, Schulden und irgendwann vergewaltigt er im Suff seine langjährige Arbeitsgefährtin. Als er wieder klar ist kann er kaum fassen was er da getan hat und seitdem hat er sie nicht mehr gesehen. Er trägt sich mit Selbstmordgedanken und gleitet entweder in den Wahnsinn ab, oder endet als unidentifizierter toter Junkie Nr. 364-6892.


    Das ist dramatisch, melancholisch und depressiv, aber es kann auch eine Form der Unterhaltung sein sowas zu spielen und pervers ist das auch nicht. Es ist eine andere Definition von Spaß. Nicht das fröhliche auf und ab hüpfen von einer Hollywood Gewaltorgie zur nächsten, sondern der deprimierende Niedergang, der schleichende Tod.

  • Kann ich so nicht sagen. Ich kenne eine ganze Menge Leute die für sowas geeignet wären und denen das Spaß machen würde. Ist halt eine Frage wie gerne man Film Noir und klassische Dramen mag.
    Das klassische Theater ist schieslich auch eine sehr blutrünstige und gewalttätige Sache und erfreut sich dennoch einer nicht geringen kulturellen Achtung.


    Ich wollte auch nur klarstellen, das Pauschalisierungen über sowas fast immer falsch sind.

  • Die Idee von VOID finde ich gar nicht so abwegig... der Film Noir Hintergrund passt für SR eigentlich perfekt. Heist ja nicht, daß man als Massenvergewaltiger durch die Gegend zieht und das jedes mal haarklein beschreiben sollte, aber in der von VOID beschriebenen Szenerie würde es eigentlich ganz gut passen, vor allem weil der Charakter es eigentlich selbst nicht fassen kann... Der Anfang vom Ende?

    Glaswalker
    ... the wolf that knows about tech will survive

  • Natürlich passt die beschriebene Szenerie von Void in das SR universum. Aber welche Geschicht passt da nicht rein. (gut manche von Alec) Aber insgesamt lässt dir meiner Meinung nach SR so ein grosses Spektrum, dass du machen kannst was dir spass macht.


    Und deshalb spielen wir doch Rollenspiel. Um mit unseren Freunden und/oder Gleichgesinnten Spass zu haben.

  • VOID's Art des SR hat sicherlich auch seinen Reiz, aber ich (und meine Gruppe(n)) bevorzugen eher den Stil des harten, zähen Überlebenkampfes, mit kleinen und großen Erfolgsmomenten, diversen Niederlagen, aber am Ende haben die Runner mehr oder weniger gewonnen (oder glauben sie haben).
    Es ist langsamer Aufstieg, aber es geht nach oben.

  • Wir spielen genauso. Ein paar Siege, ein paar Niederlagen, die die Siege umso "glorreicher" erscheinen lassen; ein paar gute Taten, ein paar schlechte Taten, aber immer noch genug gute Taten, um Kants kategorischen Imperativ als Maßstab gebrauchen zu können (oder damit die Mütter unserer Chars stolz auf sie sein können :wink: ); ein bißchen Komödie, ein bißchen Tragödie, aber immer mal wieder ein Happy-End; ein bißchen Mord, ein bißchen Totschlag, aber nur um die "Prinzessin" zu retten; ... Wie das Leben halt.

    "Sea of living, sea of dying ... tired of both? ... call 555-NIRVANA, only 1.96$/min."

  • "His Neutralness" schrieb:

    ... ein bißchen Komödie, ein bißchen Tragödie, aber immer mal wieder ein Happy-End; ein bißchen Mord, ein bißchen Totschlag, aber nur um die "Prinzessin" zu retten; ... Wie das Leben halt.


    Sind wir Rollenspieler nicht wunderbar einfach gestrickt? :D
    Ich bin nach solchen Abenden auch immer gut drauf!

  • VOID
    Das es solche Geschichten wie von dem Junkie gibt. Und in die SR-Welt paßt.
    Aber so etwas ZU SPIELEN ist schon noch eine ganz andere Sache. Ich würde so etwas nicht machen.
    Und ehrlich gesagt, das "Verständnis" für einen solchen Typen würde sich auch in Char in Grenzen halten.
    Als Junkie sind solche Typen sowieso etwas unzuverlässig und haben m. E. in einer Runnertruppe wenig zu suchen (wenigstens wenn man eine andere Wahl hat).
    Und wenn dann so eine Geschichte wie die Vergewaltigung rauskäme - bestenfalls würde der Gute rausgeschmissen, nehme ich an. :wink:

  • Normalerweise frage ich bei solchen Statements gerne wie alt mein Gegenüber ist, aber das habe ich mir abgewöhnt weil das viele komischerweise unhöflich finden und es eigentlich auch garnicht darum geht (Ich habe da ein paar wirre Hintergedanken bei die in eine andere Richtung gehen als die meissten offenbar spontan denken).


    Lass dir einfach gesagt sein, das es selten so einfach ist. Die Welt ist nicht schwarz und weiss, die Schatten sind nicht hellgrau und die meissten Runner sind der letzte Dreck. Unzuverlässig? Ach komm schon. Das meinst du nicht ernst, oder? Wer würde sein Leben schon einem unzuverlässigen Junkie anvertrauen... Vielleicht ein psychotischer Rigger? Oder ein landesweit gesuchter Magier? Ein politisch extrem isolierter Decker? Eben anderer Abschaum. "Bestenfalls rausschmeissen" heisst doch mal wieder nichts anderes als "vermutlich umlegen" und beinhaltet zumindest eine starke Annäherung an diese Lösung. Lege ich jemanden um, weil er gegen meine Moral verstossen hat? Ein Verbrechen begangen hat? Arbeite ich nicht mehr mit ihm, weil er in der Scheisse steckt? Er zieht andere mit rein, okay, wer tut das nicht? Es mag daran liegen das ich Cyberpunk 2020 gespielt habe als es noch Cyberpunk 2013 hiess, aber ich glaube ich habe ein bedeutend düstereres Konzept davon was Cyberpunk ist als viele andere. Ich kenne genug Vergewaltigungsopfer und Junkies um ein ziemlich gutes Konzept von solchen Leuten zu haben.


    Worum geht es dabei letztendlich und wenn man sowas spielt? Es geht um menschliche Abgründe, Drama, Tragödie. Klar, das ist vielen zu hart. Die meissten Leute sind heute nur noch Disney und Hollywood-Action gewohnt. Das ist der Grund warum Filme wie Matrix gehyped werden und Filme wie Dark City untergehen.


    Ich will dich nicht beleidigen, oder irgendjemand anderen. Wirklich! Ich weiss ich gehe hier an ein heikles Thema heran und meine Wortwahl ist dabei oft wenig diplomatisch. Das liegt daran das ich Tot, Leid und Elend, Niedergang, Selbstzerstörung und Gewalt nicht in Silberpapier packe und an Kinder vor der Grundschule verkaufe. Der Inhalt ist Kern der Botschaft und solange die nicht nett und freundlich ist bemühe ich mich das nicht zu verklären.


    Niemand muss das toll finden, oder spielen. Jeder hat das Recht auf seine eigene Realität und seine eigene Spielrealität. Ich versuche nur begreiflich zu machen worum es mir dabei geht und warum ich es wichtig finde. Es geht dabei um Konfrontation und Auseinandersetzung. Manche drehen sich weg und lassen ab von Dingen bei denen ihnen übel wird. Ich will wissen warum mit übel wird und wenn es nichts anderes ist als soziale Konditionierung, dann stelle ich die Werte die es mir diktieren in Frage. Nur wenn sie dem standhalten sind sie es auch wert so genannt zu werden.


    Ich hoffe ich konnte das rüberbringen, ohne mir mal wieder neue Feinde zu machen. :wink:

  • Bladerunner und Alien/Aliens sind gute Beispiele! Kernelemente der Genreentwicklung und oft verwendete Inspiration. Und was fällt auf den ersten Blick auf? Alles kaputte Typen.

  • "Ares" schrieb:

    Als Junkie sind solche Typen sowieso etwas unzuverlässig und haben m. E. in einer Runnertruppe wenig zu suchen (wenigstens wenn man eine andere Wahl hat).
    Und wenn dann so eine Geschichte wie die Vergewaltigung rauskäme - bestenfalls würde der Gute rausgeschmissen, nehme ich an.


    Darum geht es ja eigentlich nicht. Allen Vergewaltigern eine labile Psyche, Unzuverlässigkeit und Grössenwahn zu unterstellen, ist - genau genommen - genauso pauschalisierend wie kategorisch die Darstellung solcher Szenen zu verneinen. Verbrechen entstehen doch auch manchmal aus Berechnung, Spass, Angst oder aus Zuneigung oder Hass. Kein Verbrechen ist wie das andere, das weiss man schon seit Hitchcock's Zeiten...


    "LOrD" schrieb:

    So spielen glaube ich die meisten. Zumindest die Leute die ich kenne.


    Das mag so sein, aber die Masse ist für einen Individualisten bestimmt kein Masstab, höchstens ein Anhaltspunkt...
    Aber wenn es Dich tröstet: Ich würde mich auch nicht unbedingt wohl dabei fühlen, wenn ein Spieler so etwas tun und schildern würde. Deswegen - wie schon einmal gesagt - muss man solche Szenen ja nicht ausgiebig darstellen. Ein paar kurze Sätze tun es da schon.


    "VOID" schrieb:

    Die Welt ist nicht schwarz und weiss, die Schatten sind nicht hellgrau und die meissten Runner sind der letzte Dreck.


    Stimme ich uneingeschränkt zu. Klischees wie Gut und Böse sind was für Serien wie Buffy oder für pseudo-realistische Magazine wie K-1, aber nicht für das Rollenspiel. Und wie heisst es bei Daredevil so nett: "Kein Mensch ist wirklich unschuldig. Keiner..."
    Die einzige Möglichkeit, unverfälschte Messages an den Mann zu bringen, ist einfach das Weglassen jeglicher Zensur. Nur weil die Mehrzahl der Leser/Spieler bestimmte Szenen nicht gern sieht, heisst es nicht, dass diese keine Berechtigung hätten. Sobald man anfängt und sagt: Das ist moralisch nicht korrekt, hat man sich als Rollenspieler schon selber ins Knie geschossen. Dann könnte man nämlich immer so weiter machen:


    - Kampagne zu brutal
    - Zu realistisch
    - Zu wenig realistisch, abgehobene Story
    - langweilig, weil nicht blutig genug
    - ekelhaft, weil viel zu blutig
    - keine Gewalt an Zivilisten
    - eigentlich gar keine Gewalt bis auf den Run selbst
    - keine 'unnötige' Gewalt (Is wohl ne ziemlich philosophische Frage, wann Gewalt nötig ist, sei es beim Verteidigen in einem Kampf, oder nur zur besseren Darstellung des Charakters...)


    Ich bin vielleicht einer von denen, die in diesen Beziehung ein ziemlich hartes Fell haben. Ich kann mir ziemlich viel ansehen, vorstellen oder durchmachen, ohne an meine moralischen Grenzen zu stossen. (Vielleicht bin auch in gewisser Weise schon ein wenig abgestumpft, das möchte ich jetzt nicht leugnen...)


    Aber eines steht fest: An dieser Stelle wäre es falsch zu heucheln und zu sagen: "Ich tue nichts unrechtes im Rollenspiel. Mir wäre es auch lieber, wenn die Konwache jetzt nicht tot zusammenbricht, aber jetzt, da sie es getan hat, war es nur Notwehr. Vergewaltigungen? So etwas gibt es in meiner SR-Welt nur in der Statistik, schliesslich spielen auch noch Personen ab 12 Jahren mit. Blut? Das ist bei unseren Schilderungen immer grün, wegen dem Ekeleffekt. Selbstmordattentäter? Nö, bei uns in der Gruppe nicht, wir spielen politisch korrekt. Bei uns gibt es nur Sprengstoffkisten mit Rädern untendran, die sind genauso unauffällig. Was, der SC hat Sado-Maso-Praktiken als WF auf Stufe 5? Nö, sowas spielen wir nicht, dass ist gegen die Moral von uns restlichen Spielern, uns so was vorzustellen...etc..."

    "Ich dachte immer, es gibt keine Draaaaaaaarrrrggggghhhh...!!!" (Letzte Worte eines Trolls vor seinem Feuertod...)

  • natuerlich wir des auch 206x immer noch charaktere geben deren moralvorstellungen unseren heutigen bundesrepublikanischen durchschnittsmoralvorstellungen nahe kommen, aber das duerfte die absolute minderheit sein... (kann man ja auch gerne spielen: edge pacifist, etc.)
    aber jedem sollte klar sein, dass in einer welt voller gewalt, elend, armut...wo das individuum nur den wert hat den sein credstick wiedergibt ANDERE moralische vorstellungen herrschen als wir sie heutzutage habn.
    ich meine: kann sich jmd von uns vorstellen regelmaessig WETjobs zu erledigen? genauso kann sich keiner vorstellen jmd zu vergewaltigen. unsere chars werden aber mit beiden aktionen wohl weniger probleme haben als "ich und du"

  • Wenn ich mir die letzten Seiten durchlese, komme ich zu dem Schluss, jeder von euch ist ein guter Rollenspieler.


    Die einen spielen in einer Hollywood-Welt mit witzigen Helden, trockenen Humor und coolen Sprüchen. Fette chromglänzende Waffen, rasante Verfolgungsjagden mit schnellen Autos, und immer den bösen Jungs eins auswischen...


    Die anderen spielen in einer dunklen und dreckigen Welt. In der es Drogenabhängige, Vergewaltiger, Sadisten, Psychopaten und Menschenhandel gibt. Man selbst spielt einen Charakter, in dieser Umgebung, weil man entweder dazugehört, resigniert hat, oder einfach nicht raus kommt. Wenn du dich einmischst gibt es keine "Prinzessin" zu holen, sondern nur Schläge von der Gang/dem Mob etc. William Gibson lässt grüßen.


    Was ich sagen will; Unterhalten werden beide Parteien...ansonsten würde man sich beschweren...(wie in schlechten Hollywood-Filmen)....Also dreht euren eigenen Film, die Grenze ist eure Phantasie.

    Sie währen auch pranoid, wenn jeder hinter ihnen her ist!