"doc damnij" schrieb:Ich frag mich, was passiert wäre, wenn die Chars trotzdem Astral gegangen wären? Also bwusst eine Ansteckung riskiert hätten?
Weil das hier an mancher Stelle aufgekommen ist: Der Astralraum war natürlich nicht plötzlich mit dualen Bakterien/Viren/Sonstwas voll, die wie eine gigantische Wolke über die Welt trieb und sich danach ins Nichts auflöste.
Die Charaktere hatten eben einfach eine duale/magische/sonstwas Grippe eingefangen und konnten daher nicht astral wahrnehmen. Die Grippe wartete nicht im Astralraum auf irgendwelche Dualwesen um ihnen den Gar aus zu machen sondern steckte schon in den Charakteren und verhinderte schlicht die AW und AP.
Und das Abenteuer war (ganz grob): Die Gruppe hat Spielertechnisch abgesprochen, dass die SCs von Venedig nach Seattle ziehen, weil es für Seattle einfach mehr Material gibt. Umzug erfolgreich, aber alte Freunde und Feinde verblieben in Seattle.
Das Abenteuer beginnt: Einer der Charaktere wird von einem ehemaliges Taliskrämer aus Venedig angerufen: Hey, hier schnüffelt einer rum und fragt nach dir und paar Chummers. Das es dabei um die Tochter einer ehemaligen Kollegin ging, wusste der Taliskrämer natürlich nicht. Diese suchte nun Schutz/Unterstützung bei den ehemaligen Kollegen ihrer Mutter gegen einen bösen, großen, blablubb Magier, der hinter ihr her war.
Da die Tochter eine sehr spezielle magische Tradition wie ihre Mutter hatte und der böse Feindmagier eine Dualnatur mit ebenfalls einer sehr speziellen magischen Tradition war, hätte AW und AP dazu geführt, dass beide schnell gefunden und damit das Abenteuer rum gewesen wäre. So mussten sie nach Venedig reisen und Fußarbeit leisten. Es ging dabei darum, dass die Suche nicht mittels AP abgehalten und die ganzen Gespräche mal eben so im Astralraum abgewickelt wurden. Durch die persönliche Suche vor Ort und ohne die Möglichkeit, das Zielgebiet eben in paar Sekunden abzusuchen wurde dann eine spannende Verfolgung daraus, ob der Magier oder die Gruppe sie zuerst findet. Die Gruppe war früher in Venedig eingetroffen als der Magier, was dann ausglich, dass dieser natürlich schon auf Astralsuche gehen konnte.
Am Ende wurde der Magier dann in die Flucht geschlagen, die Tochter war gerettet und alles gut.
Und ich sehe das auch so: Ein SL ist kein Automat, den man einschaltet um einen Abend lang Spaß zu haben. Der SL möchte auch seinen Spaß. Und so wie es verschiedene Spieler-Typen gibt, gibt es auch verschiedene SL-Typen, die an unterschiedlichen Dingen Spaß haben. Mir macht es Spaß, eine größere, komplexere Geschichten in Kampagnenform zu entwickeln. Bei Einzelabenteuer dann wenigstens eine Geschichte, die kein 08/15-Run ist, sondern wenigstens eine spezielle Eigenheit hat.
Andere SLs mögen es dann, ihren Spielern herausforderne Kämpfe zu bieten. Das liegt mir jetzt eher nicht, wenn es nicht gerade "große" Kämpfe gegen wichtige Gegner sind oder die mal etwas anderes sind. Eine schwer bewachte Rigger-Yacht im Sturm entern und einen gefangenen Merrow herausholen, der selbst magische Unterstützung von anderen Merrows von außen erhält und der mächtige Wassergeist nicht zwischen den Menschen an Bord differenziert? Ja. Wie einzelne Wachleute in einer Lagerhalle schlafen gelegt werden? Das ist für mich jetzt eher langweilig.
Ja, es gab durchaus Momente, wo Spieler mir gesagt haben: Bitte bisschen mehr Action. Wir haben jetzt seit 4 Abenteuern nicht mehr gekämpft (war damals in einer Kampagne, nicht bei SR). Also habe ich ab da an versucht mehr Kämpfe reinzubringen. Auf der anderen Seite habe ich bei D&D auch gesagt: Bitte nehmt keine Zauber, die Gegner sofort töten, dann kommen die auch nicht damit an. Einfach damit die wichtigen Kämpfe nicht mit "Ich wirke Auflösen!", *Würfelroll*, *Nekromat wird zu Asche* wird.
Als Spielleiter muss man auch nicht alles leiten. Wenn es Spieler gegen Spieler geht zum Beispiel. Dazu ist mir der Spieleabend zu wertvoll, um ihn mit so einem Spiel zu vergeuden. Wenn die Spieler unbedingt der Meinung sind, dass ihre SCs jetzt sich gegenseitig eins reinwürgen wollen, sollen sie das ohne SL spielen bzw. sich einen anderen SL suchen.
Passend hierzu und auch passend zum Thema: SL droht den Spielern und setzt ihnen direkt und unverblümt die Pistole auf die Brust: Einmal kamen die Spieler in einer Kampagne kurz auf die Idee (und verwarfen sie sofort wieder): "Kommt, wir töten den (unschuldigen, befreundeten) NSC, dann sind wir ganz fein aus der großen Miesere hier raus und die Welt stürzt nicht, wie prophezeit ins Chaos." Da habe ich dann gesagt: "Fein, wenn ihr mir den Schlüssel-NSC meiner Kampagne tötet, könnt ihr das machen. Aber danach ist die Kampagne rum." Nicht, dass die Kampagne nicht hätte weitergehen können, das hätte sie durchaus. Aber dann wäre es schlicht nicht mehr eine Kampagne gewesen, bei der ich Lust gehabt hätte sie zu leiten.
Da das Töten unschuldiger, befreundeter Menschen, auch wenn sie das Potential gehabt haben, die Welt durch eine Prophezeiung ins Chaos zu stürzen, dann doch gegen die Moralvorstellung der Gruppe war, ging die Kampagne weiter. Aber an dieser Stelle habe ich den Spielern gesagt: So weit könnt ihr gehen, danach müsst ihr alleine klar kommen.
Auf der einen Seite gibt es Railroading, auf der anderen Seite gibt es das Ruinieren der Geschichte. Und manche Geschichten basieren nun einmal grundlegend auf wichtigen Faktoren, dass man diese nicht durch Improvisation verändern kann, ohne die ganze Geschichte dann völlig zu verändern.
Beides muss nicht sein und beides sollte vermieden werden. Wenn eines von beidem zutrifft, kann die jeweilige Partei, egal ob Spieler oder Spielleiter, sagen, dass es ihr nicht passt und das sie gerne wünscht, das das ganze anders abläuft.
Natürlich versuche ich die Spieler auf die richtige Bahn zu lenken, habe aber von mir selbst die Meinung, im Spiel an sich den Spielern sehr große Freiheiten zu lassen und nur sehr wenig bis kein railroading zu betreiben. Ist jetzt eine subjektive Einschätzung von mir selbst. Da begehe ich dann eher "andere Verbrechen", indem ich die Grundlage des Spiels im Vornherein verändere und die Spieler dann innerhalb dieser beschränkten Vorgabe (astrale Grippe) frei agieren können.
Gerade auch in den Kampagnen, die ich geleitet habe, haben die Spieler immer wieder unvorhergesehenes gemacht und dadurch sehr aktiv die Geschichte mitverändert - was ich sehr begrüße!
In der einen oben bereits erwähnten Kampagne aber, gab es ein einziges mal den Punkt wo ich dann sagte: Leute, das geht nicht, was ihr da vorhabt und seien die Gründe eurer Charaktere noch so nachvollziehbar. Es wurde kein großes Ding draus, da sich die SCs es dann nochmal überlegt haben, aber dieser Konflikt war einmal da. Und er darf da sein, da es ein Ausnahmefall war. Da die Kampagne dann aus meiner SL-Sicht eine 180 Grad Wendung gemacht hätte und mir ganz persönlich keinen Spaß mehr gemacht hätte. Bei allen anderen Veränderungen in den anderen Kampagnen (und auch in dieser) kam ich damit klar, auch wenn es manchmal ebenfalls recht einschneidend war.
Rollenspiel ist immer ein Kompromiß. Zwischen den Menschen, die am Tisch sitzen. Zwischen Spielleiter und Spieler. Zwischen freier Erzählung und Regeln. Und so lange alle mit teils einmaligen Kompromissen damit klar kommen ist es gut. Und wenn etwas nicht so läuft, wie man es haben will, dann sagt man das. Die Spieler wollen mehr Action. Der Spielleiter von allen NSCs nicht gerade diesen dort verlieren. Das wird abgesprochen und danach spielt man dann eben anders. Egal, was die Weltlogik dann sagt, denn am Ende ist das Rollenspiel mit seiner Welt, seinem Hintergrund und seinen Charakteren dafür da, das die Spieler Spaß haben, nicht, dass die Spieler und Spielleiter sich dieser Weltlogik beugen und dann keinen Spaß mehr haben.
Und weil das jetzt so episch geklungen hat, mache ich lieber mal Schluss mit dem Posting
Gruß, Saratek