Deng, ein unscheinbarer männlicher Chinese, begrüßt Simon auf westliche Art mit einem Händeschütteln und verstaut dann seine Tasche im Kofferaum des Wagens. Nachdem Simon selbst eingestiegen ist, hat er das Gefühl, der Mann sei gar nicht mehr im Wagen. Es liegt nicht nur daran, dass der Chinese äußerst wortkarg ist, sondern vor allem an dieser Fähigkeit, sich unsichtbar zu machen, so zu agieren, als würde man einfach dazu gehören, ein Teil des Inventars sein. Im Prinzip ist es genaus das, was Simon ebenfalls auszeichnet, doch erneut muss er sich fragen, ob es ihm in Asien jemals gelingen wird, ein Teil der Masse zu werden...
Dann beginnt die Fahrt. Nach einer langen Zeit monotonen Geradeausfahrens, um die Distanz zwischen Lantau und dem Festland zu überbrücken, scheint ihr schließlich in die geschäftigeren Gegenden Hong Kongs zu gelangen. Nachdem ihr die automatisierten Hafenanlagen von Tsing Yi Island hinter euch gebracht habt, erreicht ihr Kwai Chung, und damit die Halbinsel Hong Kongs. Die Hafenanlagen sind in Zwielicht getaucht, erzeugt von Hunderten von Scheinwerfern, die durch die Dunkelheit hinweg die Verladedocks beleuchten. Die Silhouetten einer endlosen Zahl von Konzernfrachtern, sind zwischen den Metallskeletten der Verladekrähnen zu erkennen. Dahinter ein düsteres Areal aus einandergereihten Lagerhäusern und billigen Arbeitersiedlungen. Immer wieder rauscht ein riggergesteurter Transportzug an der Limousine vorbei, dessen Masse die Scheiben des Wagens leicht vibrieren lässt. Langsam fädelt sich die Limousine in den Stadtverkehr ein, schwenkt zunehmend nach rechts, vorbei an einer endlosen Zeile aus Frachtcontainern des Containerhafens. Mit Betreten des Yau Tsim Mong - Distriktes offenbart sich ein neues Bild von Hong Kong, wandelbar und schillernd, anders als das ewige Grau der Konzernhäfen an Hong Kongs Küste. Bereits nach wenigen Minuten fühlt man sich eingeengt in den dichtbevölkerten Straßen Mong Koks. Zwischen riesigen Hochhausfassaden wimmelt ein ganzer Urwald an Neonreklamen und AR-Werbeholos, die ihre bunte Lichterflut mit dem Schleier des Regens langsam auf den Asphalt der Straße nieder gehen lassen. Dabei scheint jeder Straßenzug, ein selstam ineinander gewachsenes Lebewesen aus verschiedenen Zeitströmen zu sein. Im Schatten glänzender Stahl- und Chromfassaden, tummeln sich die Stände der Händler, vermischen sich deren Rufe mit dem Gebalge der Masse und dem Dröhnen und Piepen der Ampeln, Drohnen und Fahrzeuge, die zäh über die verstopften Straßen fließen. Ihr bewegt euch weiter südlich, wo die Märkte obskurer werden, das Angebot in ein unüberschaubares Sammelsurium aus Talismanen und kleinen Schmuckstücken übergangen ist. Mit dem Erreichen von Tism Sha Tsu, erreicht ihr ein Viertel, dass euch am ehesten an die Downtown von Seattle erinnert, auch wenn dieser Distrikt hier eigentlich nur eine Art verwaschener Abglanz des Hong Konger Kerns auf der anderen Seite des Ufers ist. An der Nathan Road, der "Golden Mile", ordnen sich die Verhältnisse ein wenig. Zwischen den Glasfassaden der Bürotürme finden sich moderne Hotels mit ihren AR-Werbeholos, Bars und Clubs in einem schimmernden Reigen wieder.
Die unwirkliche Aussicht lädt zum Träumen ein und kaschiert auf berauschende Art und Weise die Gefährlichkeit hinter der Fassade.
Irgendwann erreicht ihr das Hausboot, welches am Ufer festgemacht ist. Das schwimmende Restaurant ist dem Design einer thailändischen Dschunke nachempfunden und sieht täuschend echt aus. Deng begleitet euch ins Innere und führt euch direkt in einen großen Raum, den Lak als den gestrigen Partyraum wieder erkennt. Pi Nüng begrüßt euch persönlich, so wie es sich gehört, und bittet euch zu Tisch. zum ersten mal trifft Simon nun auf die anderen Mitglieder des Teams, welche um den reich gedeckten Tisch herum hocken.