[IP] Electric Dreams

  • Deng, ein unscheinbarer männlicher Chinese, begrüßt Simon auf westliche Art mit einem Händeschütteln und verstaut dann seine Tasche im Kofferaum des Wagens. Nachdem Simon selbst eingestiegen ist, hat er das Gefühl, der Mann sei gar nicht mehr im Wagen. Es liegt nicht nur daran, dass der Chinese äußerst wortkarg ist, sondern vor allem an dieser Fähigkeit, sich unsichtbar zu machen, so zu agieren, als würde man einfach dazu gehören, ein Teil des Inventars sein. Im Prinzip ist es genaus das, was Simon ebenfalls auszeichnet, doch erneut muss er sich fragen, ob es ihm in Asien jemals gelingen wird, ein Teil der Masse zu werden...


    Dann beginnt die Fahrt. Nach einer langen Zeit monotonen Geradeausfahrens, um die Distanz zwischen Lantau und dem Festland zu überbrücken, scheint ihr schließlich in die geschäftigeren Gegenden Hong Kongs zu gelangen. Nachdem ihr die automatisierten Hafenanlagen von Tsing Yi Island hinter euch gebracht habt, erreicht ihr Kwai Chung, und damit die Halbinsel Hong Kongs. Die Hafenanlagen sind in Zwielicht getaucht, erzeugt von Hunderten von Scheinwerfern, die durch die Dunkelheit hinweg die Verladedocks beleuchten. Die Silhouetten einer endlosen Zahl von Konzernfrachtern, sind zwischen den Metallskeletten der Verladekrähnen zu erkennen. Dahinter ein düsteres Areal aus einandergereihten Lagerhäusern und billigen Arbeitersiedlungen. Immer wieder rauscht ein riggergesteurter Transportzug an der Limousine vorbei, dessen Masse die Scheiben des Wagens leicht vibrieren lässt. Langsam fädelt sich die Limousine in den Stadtverkehr ein, schwenkt zunehmend nach rechts, vorbei an einer endlosen Zeile aus Frachtcontainern des Containerhafens. Mit Betreten des Yau Tsim Mong - Distriktes offenbart sich ein neues Bild von Hong Kong, wandelbar und schillernd, anders als das ewige Grau der Konzernhäfen an Hong Kongs Küste. Bereits nach wenigen Minuten fühlt man sich eingeengt in den dichtbevölkerten Straßen Mong Koks. Zwischen riesigen Hochhausfassaden wimmelt ein ganzer Urwald an Neonreklamen und AR-Werbeholos, die ihre bunte Lichterflut mit dem Schleier des Regens langsam auf den Asphalt der Straße nieder gehen lassen. Dabei scheint jeder Straßenzug, ein selstam ineinander gewachsenes Lebewesen aus verschiedenen Zeitströmen zu sein. Im Schatten glänzender Stahl- und Chromfassaden, tummeln sich die Stände der Händler, vermischen sich deren Rufe mit dem Gebalge der Masse und dem Dröhnen und Piepen der Ampeln, Drohnen und Fahrzeuge, die zäh über die verstopften Straßen fließen. Ihr bewegt euch weiter südlich, wo die Märkte obskurer werden, das Angebot in ein unüberschaubares Sammelsurium aus Talismanen und kleinen Schmuckstücken übergangen ist. Mit dem Erreichen von Tism Sha Tsu, erreicht ihr ein Viertel, dass euch am ehesten an die Downtown von Seattle erinnert, auch wenn dieser Distrikt hier eigentlich nur eine Art verwaschener Abglanz des Hong Konger Kerns auf der anderen Seite des Ufers ist. An der Nathan Road, der "Golden Mile", ordnen sich die Verhältnisse ein wenig. Zwischen den Glasfassaden der Bürotürme finden sich moderne Hotels mit ihren AR-Werbeholos, Bars und Clubs in einem schimmernden Reigen wieder.
    Die unwirkliche Aussicht lädt zum Träumen ein und kaschiert auf berauschende Art und Weise die Gefährlichkeit hinter der Fassade.
    Irgendwann erreicht ihr das Hausboot, welches am Ufer festgemacht ist. Das schwimmende Restaurant ist dem Design einer thailändischen Dschunke nachempfunden und sieht täuschend echt aus. Deng begleitet euch ins Innere und führt euch direkt in einen großen Raum, den Lak als den gestrigen Partyraum wieder erkennt. Pi Nüng begrüßt euch persönlich, so wie es sich gehört, und bittet euch zu Tisch. zum ersten mal trifft Simon nun auf die anderen Mitglieder des Teams, welche um den reich gedeckten Tisch herum hocken.

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    Am Kopfende des Tisches sitzt ein übernächtigt wirkender Norm mit Dreitagebart und etwas wirren, halblangen Haaren.
    Er trägt einen schmal geschnittenen, grauen Nadelstreifenanzug, ein dunkelrotes Hemd und eine weiße Krawatte und ist gerade dabei, genüsslich den letzten Rest einer Portion gebratener Nudeln zu verzehren.
    Vor ihm stehen eine leere Flasche Tsingtao-Bier, eine ebenfalls leere Tasse Espresso und ein Shotglas, das auch nur noch Eiswürfel enthält.


    Das Glas Wasser daneben ist hingegen noch halb voll.
    Er legt das Besteck beiseite, nimmt einen Schluck und erblickt dann die gerade eintretenden Teamkollegen.


    Ah, da bist Du ja wieder wendet er sich an Lak.
    Ich glaube, ich komme mit nach Jakkarta, was Du erzählt hast, klingt eigentlich ganz interessant.


    Er wendet den Blick zu Simon.
    Unser neuer Teamkollege?


    Er zieht eine Packung dieser schwarzen, indonesischen Zigaretten aus der Tasche seines Jackets und steht von seinem Platz auf.
    Nachdem er Simon die Hand gereicht und sich kurz vorgestellt hat, begibt er sich zum Rauchen auf die Terasse, während er seine AR-Brille aufsetzt und etwas an seinem Kragen justiert.
    Bei näherer Betrachtung könnte auffallen, dass es sich um ein subvokales Mikrofon handelt.


    Unterwegs macht er noch einen Abstecher zur Bar, um ein weiteres Bier zu ordern.


    Nachdem er aufgeraucht hat, kehrt er schließlich zurück an den Tisch, um die Vorbesprechungen aufzunehmen.

  • Lak ist sehr erfreut, dass Croaker sich entscheiden hat mitzukommen. Sie bittet Simon und den dazukommenden Mike Platz zu nehmen.


    "Das ist Simon, ein Runner mit dem ich in Seattle bereits erfolgreich zusammen gearbeitet habe. Ich denke wir werden einen Ersatzmann für Azrael brauchen und auf Simon kann man sich im Ernstfall verlassen."


    Dann wendet sie sich an Simon


    "Croaker kennst du ja schon. Er ist für magische Problemlösungen verantwortlich. Und versteht viel mehr von den Wegen der Geister als meine bescheidenen Fertigkeiten.


    Und dieser Große hier heisst Mike. Er ist auch ein fähiger Leibwächter und hat uns oft vor üblen Leuten gerettet. In dem er ihnen üble Dinge zustoßen lässt.


    Alles weitere wird sicher Pi Nüng erzählen ich weiss nicht viel mehr als ihr."

    Charaktere können auch nach der Charaktererschaffung schwanger werden, allerdings erhalten sie dadurch keinen Karmabonus.
    (Schattenhandbuch 2, Seite 165)

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    Während der Fahrt blickt Simon die meiste Zeit aus dem Fenster, um so etwas wie ein Gefühl für die Gegend zu bekommen. Er weiß auch nicht so recht, worüber er reden sollte. Wenn man sich zwei Jahre lang nicht gesehen hat wäre die vergangene Zeit naheliegend, aber da gibt es wenig worüber er wirklich gern mit einer Frohnatur wie Lak reden würde.
    Außerdem sind die Eindrücke der Stadt wirklich ziemlich überwältigend und sicherlich auch ein Grund für sein Schweigen. Von Hongkong hatte er bisher nicht viel mehr als den Flughafen und die angeschlossenen Hotels gesehen.
    Völlig automatisch begutachtet er bei ihrer Ankunft das Restaurant und seine Umgebung, während er gelassen den anderen beiden hinein folgt.
    Nachdem Laks Bekannter sich vorgestellt hat, führt dieser sie direkt weiter an eine größere Tafel.
    Der Norrm am Kopfende wechselt einige Worte mit Lak, was Simon die Gelegenheit bietet dezent den Raum und die Anwesenden zu mustern. Zum derzeitigen Äußeren des Sprechers passt seine Getränkeauswahl jedenfalls hervorragend, doch Simon lässt sich nicht anmerken sie gesehen zu haben. Ganz nebenbei ist sie ihm selbst viel zu gut bekannt um dort zu kritisch sein zu dürfen.
    Er stellt sich als Croaker vor und geht dann eine rauchen, sowie scheinbar telefonieren, während Lak noch einige Worte zu ihm verliert. Magier, ok... Einen Moment später betritt ein Troll den Raum, den sie als Mike vorstellt. Ihre Beschreibung seiner bisherigen Leistungen lässt Simon grinsen, er kann sich das nur zu gut vorstellen. Unwillkürlich muss er bei der Kombination von Lak und Troll an eine Trolldomina in Seattle denken, was sein Grinsen sicherlich noch etwas verstärkt - er beschließt allerdings den zweiten Grund besser nicht zu erwähnen. Womöglich war der 'Große' jähzornig oder leicht reizbar... Wobei die Art wie Lak mit ihm spricht anderes vermuten lässt.
    Da er bereits vorgestellt wurde und Lak das Wort direkt an ihren Bekannten übergibt nickt er den beiden erstmal nur freundlich zu und wartet ab, ob dieser Pi Nüng direkt das Wort ergreifen möchte.

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    Während des Essens erläutert euch Pi Nüng nähere Informationen zum bevorstehenden Run, obwohl schnell klar wird, dass auch er nicht über wirklich viel mehr Informationen verfügt.
    Fest steht, dass es nach Jakarta, in die javanische Republik geht, und Pi Nüng die ganze Sache als eine Art Schuldbegleich/Gefallen wertet. In Jakarta sollt ihr Gast im Hause eines alten Freundes sein - eines einfachen chinesischen Elektrowarenhändlers Namens Wei Hi. Dieser Mann hat vor kurzem seine Frau verloren und nun mit ansehen müssen, dass deren Grab geschändet und ihr Leichnam entnommen worden ist. Laut Pi Nüng verfügt Wei Hi nicht über bedeutende Feinde, die eine solche Tat rechtfertigen würden, da er stets ein strebsames Leben geführt hat. Da Pi Nüngs alter Freund von der Polizei Jakartas keine wirkliche Hilfe erwarten kann - Pi Nüng weist euch auf die tagtäglichen Diskriminierungen der Behörden gegenüber den einheimischen Chinesen hin - hat er sich direkt an Pi Nüng gewandt.
    Für die Reise selbst, scheint bereits alles vorbereitet zu sein. Pi Nüng steht derzeit mit einem Einheimischen in Kontakt, welcher vor Ort zum Team dazu stoßen soll, um seine Erfahrung und Ortskenntnis beisteuern zu können. Der Mann habe zwar noch nicht geantwortet, doch Pi Nüng ist voller Zuversicht, dass die Vereinbarung erfolgreich verlaufen wird. Für eure Flüge hat der Thai bereits gesorgt und noch vor eurem Zusammentreffen hat der Lak im persönlichen dazu ermächtigt, die finanzielle Leitung des Runs zu übernehmen. Hierzu hat er der Hackerin die Zugriffscodes für eines seiner geheimen Konten bei der Malaysian Independend Bank in dem Wissen überlassen, dass Lak das Geld effektiv und förderlich einsetzen wird. Außerdem wird er versuchen, noch mehr Kontakte in Jakarta - vielleicht auch über den Einheimischen - herzustellen, damit ihr vor Ort an Ausrüstung und Informationen gelangen könnt.

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    Croaker hört Pi Nüngs Ausführungen aufmerksam zu, vor Allem, als er das Verschwinden der Leiche beschreibt und anschließend erwähnt, dass Wei Hi keine Feinde hat, wird er sichtlich hellhörig.


    Gut, so weit scheint Alles klar zu sein.
    Ich hätte noch ein paar Fragen.
    Zuerst einmal, wann wir abfliegen.
    Ob es noch weitere Informationen gibt oder wir erst vor Ort näher nachforschen können.
    Und ob es hilfreich wäre, wenn wir bereits jetzt unsere Wünsche für die Ausrüstung abgeben, um sicherzustellen, dass sie möglichst direkt bei unserem Eintreffen da ist.

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    "Ihr Flug geht morgen um 12:00h. Diesbezüglich ist bereits alles von mir vorbereitet worden. An Informationen habe ich Ihnen alles weitergegeben, was ich selbst erfahren habe. Ich denke aber, dass sie an mehr Informationen gelangen werden, wenn sie sich die Sache vor Ort anschauen. Wegen der Ausrüstung denke ich, dass es reichen sollte, wenn Sie Ihre Anfrage erst in Jakarta einreichen. Vermutlich werde ich erst sicher wissen, wer Ihnen diese besorgt, wenn Sie dort eingetroffen sind, weshalb eine Vorabliste nicht nötig sein wird.
    In der Kürze der Zeit sollten Sie nicht mit exotischer Ausrüstung rechnen, aber ich werde mein Bestes geben, dafür zu sorgen, dass man Sie mit dem Nötigsten ausstattet."

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    "Natürlich kann Ausrüstung, die ihr gerne behalten wollt hier versteckt werden. Beispielsweise die APDS Muni. Software wie Karten und Linguasofts lade ich uns vom Singapur Data Haven runter." fügt Lak noch hinzu.

    Charaktere können auch nach der Charaktererschaffung schwanger werden, allerdings erhalten sie dadurch keinen Karmabonus.
    (Schattenhandbuch 2, Seite 165)

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    Simon glaubt nicht an Zufälle. Jedenfalls nicht, solange er sich nicht gründlich ihnen überzeugt hat. Und ihr Auftraggeber anscheinend genauso wenig. Dafür, dass dieser Wei Hi keine Feinde haben soll sitzt hier jedenfalls ein ziemlich schlagkräftiges Team, nach allem was er bisher weiß.
    "Unsere Unterkunft organisieren wir vor Ort selbst?"

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    Nachdem das Essen beendet ist und Pi Nüng euch noch einmal versichert hat, dass er sich um alles nötige alsbald kümmern wird - für eure Unterkunft sie bereits gesorgt; ihr werdet im Hause Wei His wohnen -, verabschiedet sich der Thai von euch, da er anscheinend noch einiges zu tun hat. Später am abend erhält Lak von ihm die elektronischen Flugtickets für den Flug nach Jakarta, die Kommlink Nummer eines gewissen Hakims, eurem Kontaktmann in Jakarta, und vorsichtshalber auch diejenige Wei His sowie dessen Adresse.


    Die letzten Stunden verbringt ihr damit, euer Gepäck zu packen, etwaige mitgeführte Waffen den Vorschriften entsprechend zu lagern und noch ein paar Stunden zu schlafen.


    Gegen 8:00h befindet ihr euch wieder mitten im Verkehrsstrom von Hong Kong, während Deng, Pi Nüngs Fahrer, den Wagen sicher durch den Großstadtdschungel steuert.


    Am Flughafen auf Lantau geht alles seinen gewohnten Gang: Man behandelt euch freundlich, aber wachsam. Die Waffen werden zum Spezialgepäck verfrachtet, etwaige gefährliche Cyberware während des Fluges durch Blocker deaktiviert und die üblichen Kontrollen durchgeführt, welche aber meist außerhalb der Wahrnehmung der Fluggäste vonstatten geht und deshalb äußerst komfortabel ist.


    Ihr verbringt noch einige Zeit in der geräumigen, modern ausgestatten Wartehalle, deren AR-Architektur ein Spielfeld für die Werbeabteilung asiatischer Konzerne zu sein scheint, bevor die zahlreichen Displays euren Flug ankündigen.


    Wie nicht anders zu erwarten, ist der Flug äußerst bequem - sogar für Mike, der einen Spezialsitz erhalten hat. Nach wenigen Stunden Flug, beginnt die Maschine mit dem Landeanflug auf den internationalen Soekarno-Hatta-Aiport, nordwestlich vom Jakarta-Sprawl gelegen. Schon aus weiter Ferne könnt ihr die typischen, roten Zigeldächer der Sprawl-Peripherie erkennen, welche die Jahrhunderte überdauert haben. Sanft setzt die Maschine auf und rollt über die Flughafenfläche, bis sie ihren Zielpunkt erreicht hat. Das Hauptgebäude des Flughafens ist klimatisiert. Die Innen-Architektur ist eine Symbiose aus edlem Marmorimitat und Holzverkleidungen, was vor allem an den kunstvoll gestalteten Dächern der Gebäude zu erkennen ist, die an einen Tempel erinnern. Im AR-Modus fertigt ihr die Einreisedokumente ab, bevor ihr zu den Kontrollen kommt. Obwohl man euch genauso freundlich wie in Hong Kong behandelt, spürt ihr sofort den militaristischen Anklang, der am Soekarno-Hatta vorherrscht. Nach den üblichen Kontrollen deaktiviert man die Cyberware-Blocker und händigt euch eure Waffenkoffer aus. Die ausdruckslosen Militärbeamten machen euch noch einmal darauf aufmerksam, dass die Einfuhr chinesischer Schriftzeichen, egal ob in digitaler oder gedruckter Form, strengstens verboten ist, und entlassen euch dann in die Gepäckaufnahme.


    Draußen schlägt euch die schwülwarme, abgasgeschwängerte Luft entgegen. Vor dem Hauptgebäude erstreckt sich ein gewaltiger, mit Palmen gesäumter Parkplatz, auf dem eine unüberschaubare Zahl von Fahrzeugen abgestellt ist. Bereits jetzt werdet ihr mit dem chaotischen Verkehr des Jakarta-Molochs konfrontiert. Das blecherne Dröhnen vorzeitlicher Hupen gesellt sich zu den allgegenwärtigen Motorengeräuschen großer Reisebusse und dem Knattern von alten Mofas und Motorrädern. In Jakarta scheint es noch immer einen ausreichenden Markt für fossile Brennstoffe zu geben, weshalb euch die Staubwolken entlang der Straßen nicht weiter verwundern.
    Zusammen mit eurem Gepäck stellt ihr euch an den Straßenrand und wartet, wodurch ihr euch auch sofort eurer ersten Lektion in Jakarta bewusst werdet: Pünktlichkeit ist hier keine Tugend.

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    Hakim hatte sich heute frei genommen, zumindest am Vormittag. Das war das schöne daran wenn man sein eigener Chef war.
    Zur Zeit war in aber eh alles verstopft. Aber irgendwie war hier eh immer alles verstopft. Zumindest was die Verkehrslage anging.


    Der Ork mit dem breiten Schultern und dem typischen aussehen eines Javaners (bis auf die Goblinisierung, die z.B. die Lippenpartie ein wenig wulstiger erscheinen lässt als beim Menschlichen Absoluten Schönheitsideal) stieg in sein Taxi das er auf einem kleinen Parkplatz zwei Blocks von Gambir Station dem ZBF geparkt hatte. Hier fand sich ab und zu noch ein Parkplatz was sich durchaus als schwierig erweisen konnte. Man war hier ja schliesslich nicht in Europa wo jeder meinte ein Gottgegebenes Recht auf einen parkplatz zu haben.


    Hakim drückte dem Mann der ganz ohne Drohnen und Computer oder Roboter sein Kassenhäuschen machte ein paar Rupiah in die Hand. Es war immer von Vorteil etwas Kleingeld dabei zu haben. Der Mann stellte sich ein paar Schritte raus auf die Strasse was durch Hupen quittiert wurde. Einer machte sogar anstalten ihn zu überfahren was den Mann aber nicht sonderlich beeindruckte.


    Hakim nickte ihm ernst zu was wohl soviel wie "Danke schön" heissen sollte und fuhr vom Parkplatz runter und in Richtung "Lega-gunung" (leichter Berg) wo der Friedhof lag auf dem er Aufgewachsen war. Er wollte heute vormittag seine Familie besuchen was er schon seit 2 Wochen nichtmehr gemacht hatte.


    Scheinbar eine Ewigkeit später kam er dort auch an. Es dauerte schon Recht lange. Vorallem wenn man dabei bedenkt das es an einem ziemlich warmen Vormittag war wo in Jakarte noch nicht soviel los war. Nachts platzte die Stadt erst aus allen Nähten.


    Der Friedhof lag oben auf dem Hügel und rundherum standen Häuser Javanesischer Bauart die wohl den besser Gestellten Leuten gehörten. Mittlere Angestellte, durchschnittlich Erfolgreiche Börsenmakler und die ganze Palette die man früher dir Mittelschicht nannte. Davon gab es aber immer wenige. Entweder nur Superreiche oder Superarme. Alles war Super heutzutage.


    Die weiß gekalkte Mauer des Friedhofes hatte schon bessere Zeiten gesehen. Auf dem Gelände waren Steingräber aufgestellt. Alle Gräber waren Richtung Mekka gerichtet. Auf den Gräbern waren kleine Lichter aufgestellt. Manche brannten und manche waren erloschen. Auch lagen verwelkte Blumen in kleinen Schalen auf manchen der Gräber. Der Stein war grau doch die Gräber waren im Vergleich zu Europäischen Verhätlnissen ziemlich bunt. Je farbiger sie waren desto wohlhabender musste auch der Verstorbene sein. Bunte Mosaike (vornehmlich in Hellblau und Rosarot) überzogen die Gesteinstafel und gaben schöne Farbliche Muster ab.


    Er begrüßte seine Mutter die in langen leichten dunklen Gewändern vor dem Eingang des Hauses sass. Für einen Ausländer kaum zu glauben das sie es um diese Tageszeit dort aushielt vor dem kleinen Haus.

    "Halo bunda"
    sagte er zu ihr. und sie grüßte ihn zurück und schaute nur kurz von dem Topf auf den sie zu ihren Füßen stehn hatte. Sie machte wohl gerade etwas zu essen. Hakim kam wohl gerade richtig.


    "Wo ist Tadim?" fragte er kurz.
    "Dein Bruder ist nicht da" sagte seine Mutter. "Er ist wohl in die Stadt gefahren -Sagt zumindest seine Frau".


    Hakim wurde zum essen eingeladen. Er blieb etwa zwei Stunden. Sie redeten nicht sehr viel. Es gab ein fleischloses Reisgericht mit Hülsenfrüchten. Wie es bei seiner Familie üblich war aßen sie aus der Hand. Die Lange Fahrzeit hatte aber einen großen Teil seiner freien Zeit verschlungen.


    "Ich muss gehn bunda" sagte er zu seiner Mutter. "Bestell Tadim und seiner Frau einen schönen Gruß"
    sagte er und ging durch das Eiserne Freidhofstor zu seinem Wagen zurück. An seinem Rückspiegel hing ein Islamisches Gebetskettchen. Durch die Windschutzscheibe konnte er gut sehen.


    Hier oben war nicht soviel Verkehr und er hatte einen guten Überblick Richtung Downtown und die Skyline von diesem Moloch den sie Jakarta nannten.

  • -562-


    Jakarta erinnert Lak auf den ersten Blick an Bangkok. Laut und chaotisch im Gegensatz zur Konzernstadt Hongkong. Die Militärs hingegen wirken schlichter aber professioneller als die mit protzigen goldenen Abzeichen übersäten thailändischen Soldaten. Lak hatte sich die Bewohner von Jakarta immer ein wenig wie die heißblütigen muslimischen Thais aus Pattani vorgestellt aber zu ihrer Erleichterung wirken die meisten doch sehr entspannt.


    „Ich habe in eure Koms Bahasa Indonesia als Linguasoft geladen. Die Verständigung sollte also über SimSin kein Problem sein. Ihr findet auch eine aktuelle Karte von Jakarta mit allen wichtigen Informationen und einigen von „Pi Nüngs Geheimtipps“ was immer er darunter versteht. Jetzt müssen wir nur noch schauen wo unser Kontaktmann bleibt.“

    Charaktere können auch nach der Charaktererschaffung schwanger werden, allerdings erhalten sie dadurch keinen Karmabonus.
    (Schattenhandbuch 2, Seite 165)

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    Jakarta wirkte auf Mike wie ein Moloch. Sicher auch der Sprawl von Seatle war nicht kleine und nicht wirklich geordneter, aber selbst nach seiner kurzen Erfahrung mit Hong Kong war der Troll ein wenig erstaunt.


    Na da bin ich ja mal gespannt, was uns hier erwartet. Hoffentlich hat unser eiheimischer Kontaktmann hier einen beserern Überblick als ich ...


    Die kleine Lak hatte sich wie gewohnt nützlich gemacht und dank der Linguasoft konnte Mike jetzt wenigstens einen Teil des Geräuschchaos verstehen, das bereits am Flughafen herrschte. Der hier anscheinend herrschende Militarismus gefiel Mike teilweise. Mit so etwas war immer eine gehobenes Maß an Disziplin vebunden. Aber andererseits waren damit auch mehr Gefahren verbunden, sollte etwas schieflaufen und sie ins Fadenkreuz der Staatsmacht geraten. Das war allerdings selten eine gute Idee, unabhängig davon, wo auf dem Globus man gerade war.

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    Hakims Kommlink zeigte einen ankommenden Anruf. Er kam von einem Kerl den er mal mit zwei Huren nach Downtown in eine Motel gefahren hatte. An diesem Abend war sein Fahrgast gut angetrunken gewesen.


    Sie hatten so über dies und das Gekplaudert. Der Fahrgast (seine Name war wohl Mr. Bhaan gewesen) hatte einen Zweitteiler angehabt und machte wohl auf Konzernangelstellter. Er hatte Hakim gefragt wie er das nur aushalte immer nur Betrunkene Leute durch die Gegend zu fahren. Hakim war freundlich geblieben und hatte die Zähne aufeinander gebissen. Das hatte sich wohl ausgezahlt.


    Sie hatten Nummern ausgetauscht für den Fall das Mr.Bhaan einen Job für ihn hatte. Hakim hatte nicht daran geglaubt. Warscheinlich nur ein Schwätzer der sich vor den zweit Prostituierten wichtig machen wollte.


    Er hatte sich wohl geirrt. Zumindest blinkte der Name "Mr.Baan" auf seinem Commlinkicon im Sichtfenster.


    Er nahm ab und schlängelte weiter durch den Verkehr in Richtung Innenstadt.

    "Hallo Herr Ardan"
    sagte die Stimme am Kommlink und es schien wirklich der Mann von letzter Woche zu sein. Wie man sich in so Leuten doch täuschen konnte.


    "Ja was gibts?" fragte Hakim ohne besondere Tonlage und ohne ihn überwegnlich Willkommen zu heißen. Er war ein wenig Skeptisch was Anrufe von Fremden oder fast Fremden betraf.


    Mr.Baang redete 3 Minuten lang und unterbreitet ihm ein Angebot was er so nicht ablehnen konnte. Das ganze hörte sich wirklich simpel an. Er kannte den Kerl aber viel zuwenig um ihm trauen zu können. Zuerst einmal brauchte er einen Bus wenn er zustimmen würde.


    "Ich ruf sie in 10 Minuten an und sage Bescheid ob ich dabei bin" sagte Hakim genauso emotionslos wartet auf die Verabschiedungsformel und beendete die Verbindung.



    "Eine gute Stange Geld... und dafür sollen sie jemand helfen herauszufinden wer das Grab einer Frau geplündert hat. Eine Schande ist das... totenschändung egal welcher Religion".


    Hakim errinerte sich einmal als sein Vater einen Jugendlichen Grabschänder aufs Übelste mit einem Ledergürtel verdrosch und ihn vom Friedhof jagte.


    "Eine Schande ist es... eine Schande." dachte er wieder als er Richtung Innenstadt im Stau an einer Ampel stand und sich von dem kaum kühlen Luftstrom seiner Klimaanlage kühlen lies.


    Er starrte wieder auf sein Gebetskettchen.


    "Aber der Typ ist ein Chinese..." dachte er. Leichte Wut stieg in ihm auf "Diese blöden Chinesen. Kommen hierher und denken es wäre ihr Land. Spielen sich hier in den Konsumtempeln auf als verehren sie einen Gott."


    Dann atmete er tief aus.


    "Beruhig dich. Alles halb so schlimm."


    Dann sah er wieder sein Kettchen an und dachte: "Aber vor Gott sind doch alle Menschen gleich. Auch die ungläubigen."


    So hatte es ihm sein Vater gelehrt. Die die nicht glauben bräuchten oft nur ein bisschen Nachhilfe.


    "Dann ist da noch das Geld. Ich könnte es echt gebrauchen.... und ob Chinese oder nicht. Gegen soetwas muss was getan werden"


    Er wählte die Nummer zurück die Mr.Bhan gewählt hatte und dieser ging nach zweimaligen klingeln dran.


    "Und? Was soll ich sagen? Sind sie dabei?" Hakim schaute auf sein Gebetskettchen am Rückspiegel.


    "Ja" sagte er leise. "Ja ich bin dabei"


    Sie redeten noch etwas 5 Minuten und machten einen Treffpujnkt in der Nähe seines Arbeitgebers aus. Sie trafen sich dort und es stellte sich raus das Mr. Bhan kein Konzernexec zu sein schien sondern ein Schieber. Jemand der ne Menge Leute kennt und nicht ganz alltägliche Aufträge hat.


    Er mietete sich einen Bus auf dem Gelände des Taxiunternehmens auf seine Gefälschte Identität. Da dies alles Bargeldlos und Automatisch ging war das auch kein größeres Problem.


    Er sollte ein Team am Flughafen Soekarno-Hatta abholen. Das war NOrd-Westlich der Stadt. Der große International Airport.


    Wenigstens hatten sie eine große Stadtautobahn Nord-West gebaut die die ganzen Touris und Konzernleute in die Stadt brachte. Zumindest an die Stadt ran.


    In dem Busschen gab es kleine RIFD Marker die wie ein Schild mit Aufschrift in der AR wirkten. Diese durften aber nicht größer als ein Verkehrsschild sein und man musste sie als Reiseveranstalter oder Taxiunternehmer am Körper tragen.


    Hakim programmierte eines der Schilder das sie die Aufschrift "Pi-Nüng-Reisegruppe" im AR-Blickfeld zeigten. Dann parkte er seinen Bus eine Strasse weiter weg vom Hauptparkplatz an Terminal drei.


    Zu Fuß ging er an dem großen Parkplatz vorbei Richtung Ausgang des Terminal drei. Gerade fuhr dort einen Linienbus Richtung Innenstadt ab. In dem Gedränge konnte er niemanden erkennen. Gut das er sein Schild dabei hatte. Er stellte sich in die Nähe der Bushaltestelle und musterte die Leute die an ihm vorbeiliefen. Er hatte vorsichtshalber seinen Colt Manhunter im Tarnhalfter dabei. Man konnte ja nie wissen wohin einen so ein dubioser Geschäftsman schickte. Vorallem wenn es um Chinesen ging.

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    Lak scheint die schwüle Hitze wenig auszumachen aber auch sie hällt sich im Schatten damit ihre Haut vom Sonnenlicht nicht dunkler wird. Dunkel Haut gilt in Asien als unschön und es ist unbegreiflich warum die Langnasen ihren Körper in der Sonne bräunen oder sich dunke Orthoskin implantieren.
    Mike und Simon behalten die Umgebung im Auge als Lak Hakims Signal als erste ortnet.
    "Sieht aus als wäre unsere Luxuslimosine da. Hoffentlich sitzt nicht wieder Ao am Steuer."

    Charaktere können auch nach der Charaktererschaffung schwanger werden, allerdings erhalten sie dadurch keinen Karmabonus.
    (Schattenhandbuch 2, Seite 165)

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    Lak machte sie auf ihren Kontaktmann aufmerksam. Er schien ein Ork zu sein und war eindeitig Einheimischer. Da er außerdem ein ganz kleines bisschen nervös zu sein schien, war er wohl auch mehr oder weniger in die Sache hereingestolpert. Der Troll genoss die Sonne, soweit diese durch den Smog drang, dann ging er zu ihrem Kontakt hinüber.


    "Hi. Sind Sie hier, um uns abzuholen?" Er schaute etwas suchend die Umgebung ab. "Ich hoffe sie haben ein entsprechend großes Fahrzeug dabei. Nicht dass ich mich halb zusammenfalten muss." Mikre grinste zwar bei dem letzen Satz, aber er hatte schon genug schmerzliche Erfahrungen gemacht mit Pkws, deren Konstrukteure anscheinend auch ein halbes Jahrhundert nach UGE und der "Goblinisierung" nicht an jene Metamenschen dachten, deren Körpergröße ebend nicht der eines Menschen entsprach. Das, oder sie waren einfach Rassisten.

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    "Kommt drauf an ob ihr die seit die auf dem Schild gesucht werden"
    sagte er ziemlich unbeeindruckt zu dem Troll und schaute zu ihm auf. Entweder hatte Hakim einen schlechten Tag, war ein wenig angespannt oder alle Javaner waren so. Warscheinlich hing es damit zusammen das alle Taxifahrer ein wenig gestresst zu sein schienen bei diesem Verkehr.


    Er schaute an Mike vorbei an die anderen Gestalten die wohl scheine Freunde zu sein schienen. "Ziemlich bunter Haufen Ausländer" dachte Hakim. "Das müssen sie sein"


    Er schaute Mike direkt an. Dann atmete er tief ein. Beim ausatmen lies er die Schultern ein Stück sinken. Er zog die augenbrauen hoch und formte einen Spitzen Mund als schien er nachzudenken. Das dauerte alles nur 1-2 Sekunden. Dann sagte er:"Ja, alles klar. Kommt mit. Ihr seit wohl die richtigen"


    Dann winkte er ohne wirklich zu lächeln den anderen.


    "Ja Hallo" dann drehte er sich um Richtung Parkplatz. "Dann kommt mal mit"

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    Hakim hat einen Fahrtsil, den man im Westen vermutlich als "haarsträubend" bezeichnen würde, doch nachdem euch aufgefallen ist, dass auch alle anderen Verkehrsteilnehmer auf diese Weise fahren, scheint es nicht weiter verwunderlich. Die Fahrt außerdhalb des Ballungsgebietes ist recht angenehm, da die Verbindung zwischen dem internationalen Flughafen und dem Sprawl eine der besser ausgebauten auf Java zu sein scheint. Vorbei an großflächigen Palmen-Alleen rauscht ihr einige Zeit lang auf der mehrspurigen Straße dahin, bis die gewaltigen Ausmaße des eigentlichen Sprawls vor euch liegen. Von den den Grenzen der eigentlichen Stadt Jakarta ist kaum noch etwas zu erkennen. Stattdessen taucht ihr nun in einen Moloch ein, der den Namen Jabotabek erhalten hat, und der sich über die gewaltige Fläche von fast 7500Km² erstreckt. Doch Jabotabek ist alles andere als geordnet oder typisch. Trotz der enormen Urbanisierung fällt euer Blick von der erhöhten Schnellstraße, welche sich auf mächtigen Betonsockeln über den Sprawl hinweg schlängelt, immer wieder auf eher ländliche Strukturen inmitten des Stadtgebietes. Dicht an dicht reihen sich in den zahllosen Wohnviertel Landhäuser mit roten Ziegeldächern, welche von einem Labyrinth undurchsichtiger Gassen und schmaler, oberirdisch verlaufender Abwasser-Kanaäle umgeben sind. Langsam - im wahrsten Sinne des Wortes - nähert ihr euch dem Herzen der javanischen Hauptstadt. Die großen Bauten japanischer und europäischer Megakonzerne ragen wie fade Gespenster über den verstopften Hauptstraßen empor und zeugen von der ausländischen Macht, die Jakarta in ihren eisernen Klammern hält. Irgendwo in der Ferne könnt ihr hin und wieder die Küste erblicken und einen Ausblick auf die weitläufigen Hafenanlagen und Raffinerietürme erhaschen, die das Zentrum der Konzernschifffahrt bilden.
    Über etliche Querstraßen erreicht ihr schließlich die Jalan Gajah Mada, eine der prächtigsten und größten Einkaufs- und Geschäftsstraßen im Sprawl, welche sich von den nördlichen Fischmärkten über etliche Kilometer hinweg bis ins Zentrum von Jakarta erstreckt. Neben alten Bussen aller Typen und Größen, einer Flut an vorzeitlichen Zweirädern und den blank polierten Edel-Karossen von Jakartas Oberschicht reiht sich euer Transporter in die pulsierende Hauptschlagader der javanischen Geschäftswelt ein, die sich mitten durch Glodok, Chinatown, hindurch zieht. Auch hier sind die Kontraste extrem, wirken die fahrenden Händler mit ihren schäbigen Plastikkarren im Schatten der riesigen Bankentürme verloren und Fehl am Platz.
    Genau wie in Hong Kong lasst ihr euch von dem wechselhaften Reigen der Straße in den Bann ziehen, bis das ewige Gehupe der zahllosen Fahrzeuge sich in einen seltsam-vertrauten Klangteppich eingeordnet hat, der in euren Gedanken widerhallt, und nur von dem Bersten übertroffen wird, welches plötzlich über euch hinweg rollt.
    Ein dumpfes Grollen fegt über die Straße und aufgescreckt haltet ihr es im ersten Moment für ein Erdeben. Dann peitscht ein Knall durch die Hochhausschluchten, der das Geräuschchaos des Straßenlärms um ein Vielfaches übertrifft, und von dem ihr euch nicht sicher seid, in welcher zeitlichen Reihenfolge, welches Geräusch zu hören ist. In den verspiegelten Häuserfassaden seht ihr Splitter und Risse, während Flammen und schwarzer Rauch nach oben empor steigen. Auf der Straße bricht Panik aus, als die Druckwelle der Explosion schlanke Palmen einbrechen lässt und auch euer Fahrzeug unsanft aus der Bahn geworfen wird und mit einem mit Wasserkanistern beladenen Transporter zusammen stößt. Langsam dringen die Spitzen der Wahrnehmung durch euren anfänglichen Schock hindurch und unweit eures Wagens seht ihr ein Mädchen mit blutüberströmter Schuluniform auf dem Betonboden zusammen brechen.

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    Genau wie auf seiner letzten Fahrt durch eine unbekannte Stadt hatte Simon vor allem die Umgebung beobachtet. Er achtete auf nichts im besonderen, sondern versuchte ein Gespür für die Gegend zu entwickeln. Die Art der Straßenführung, typische Eigenheiten der Bebauung, markante Punkte im Stadtbild, die Richtungen in die die Straßen verliefen, all diese Dinge nahm er wahr und speicherte sie ab. Nicht im wörtlichen Sinne mit seiner Cyberware, aber dennoch würde er später sowas wie eine Karte des Gesehenen zeichnen können oder sich an interessante Details erinnern. Er war ein guter Beobachter mit einem ähnlich guten Gedächtnis.


    Die Explosion kommt aus dem Nichts.
    Das Krachen und Splittern um ihn herum blendet Simon fast völlig aus, während sein Verstand verzweifelt versucht herauszubekommen was gerade passiert ist.
    Automatisch greifen mehr als nur antrainierte Handlungsschema. Seine Hand fährt mit extremer Präzision unter das Jackett und legt sich um den Griff des Manhunters, obwohl der Bus im gleichen Augenblick in den Transporter schleudert.
    Simon hat immer noch keine Ahnung was genau gerade geschehen ist, aber die Aktiv-Meldung der Smart-Verbindung verlangt eine Entscheidung. Rein instinktiv lässt er die Hand unter der Kleidung und verzichtet vorerst darauf die Waffe zu ziehen. Die Balance zwischen mehr Sicherheit und unnötiger Aufmerksamkeit birgt immer unkalkulierbare Risiken.
    Fast ungläubigt registriert Simon, dass ihr Fahrzeug wohl zum Stehen gekommen ist und er anscheinend noch die Kontrolle über seinen Körper hat. Mit einem kurzen Rundumblick versucht er sich einen ersten Eindruck vom Zustand des Fahrzeugs und des Teams zu machen, dann rast sein Blick aus den zersplitterten Fenstern. Das zusammenbrechende Mädchen nimmt er zur Kenntnis, ohne an der Szene hängen zu bleiben. Der nur menschlichen Wunsch ihr zu helfen ist zweitrangig, solange er noch nicht weiß was geschehen ist. Er spürt wie sich sein Kreislauf an die Sitiuation anpasst. Puls und Blutdruck gehen hoch, doch seine Sinne sind nur darauf aus weitere Gefahren ausfindig zu machen und überhaupt zu verstehen *was* da draußen geschehen ist.
    "Verletzte?" Die Frage kommt wie von einer anderen Ebene, ohne dass er überhaupt über sie nachdenkt. Simons Tonfall ist knapp und drängend, aber gleichzeitig klingt er ruhig und überlegt, als sei die ganze Situation unter Kontrolle.