Die fröhlichen Wissenschaften

  • Erst einmal danke fuer den wirklich hoeflichen Umgang


    Ich glaube, Garuda hat mit der Frage, was denn bedeutende Erkenntnisse seien, den Nagel auf den Kopf getroffen. Und genauso wie Garuda wuerde ich sehen, dass das, was wir als "aufgeklaerte Gesellschaft" bezeichnen, sich nur so in Folge der naturwissenschaftlichen Methodik entwickeln konnte. Was ich auf jeden Fall als Fortschritt empfinde gegenueber den religioesen Ueberzeugungen frueherer Gesellschaftsformen, aber eben nicht als das Ende der Fahnenstange.


    Serrax erklaert gar, dass die Geisteswissenschaften den Naturwissenschaften seit Jahrzehnten hinterherhaengen. Da frag ich mich aber schon, anhand welchen Kriteriums Du diese Wertung fest machst. Ich wuerde das auf keinen Fall so sehen, gehe aber mal die am meisten vorgetragene Sorge an:
    Es wird von allen Wissenschaften heute verlangt, dass sie zu ueberpruefbaren Ergebnissen kommen. Dies fordern selbst die Positivist_Innen in der Soziologie, und ja klar, es funktioniert. Wenn wir uns ein Statdviertel anschauen wollen, in dem eine hohe Kriminalitaetsrate herrscht, und wir mit Modellen von Bildungsinvestition hier oder verstaertke Ueberwachung da rangehen, koennen wir nach ein paar Jahren evtl. eine Verringerung der Kriminalitaetsrate feststellen (unter bestimmten Bedingungen blabla...). Das ist ja auch schon mal eine praktische Sache (wenn sie tatsaechlich funktionieren wuerde, was aber aufgrund einiger Problematiken nicht der Fall ist).
    Ich bezweifele jedoch, dass diese augenscheinliche "Wahrhaftigkeit" und "Genauigkeit" der naturwissenschaftlichen Methode sinnvoll fuer die Uebertragung auf eine Gesellschaft ist. Durch diese koennen wir naemlich nur die innere Konstruktion erkennen, aber nicht die Konstruktion des Rahmens, unter dessen Fittiche wir uns bewegen. Dazu gleich mehr.


    "Serrax" schrieb:


    Es ist vollkommen klar, daß die Naturwissenschaften nur "Modelle" der Realität abbilden.


    Hmm, so klar ist das vielen nicht. Um es nochmal mit Ortlieb zu sagen (der in dem Moment viel naeher an Foucault als an Adorno ist):


    "Claus Peter Ortlieb" schrieb:


    Deren Vermittlung ihrer mathematischen Konstruktionen mit der Wirklichkeit besteht im Experiment und einer der größten anzunehmenden wissenschaftlichen und wissenschaftshistorischen Irrtümer darin, dieses mit der schlichten Beobachtung gleichzusetzen, wie sie Antike und Mittelalter zur Verfügung stand. Im Experiment wird Realität nicht einfach beobachtet, sondern hergestellt , den idealen mathematischen Konstruktionen zumindest näherungsweise entsprechend.
    [Hervorhebung im Original]


    Oder, wie Garuda es so schoen gesagt hat: Auch Naturwissenschaften koennen die Welt nur deuten, nicht erklaeren.


    Ich wuerde da aber gerne noch ein paar Punkte oben drauf setzen, die so sinngemaess in Adornos "Negativer Dialektik" formuliert werden. Merke: Dies ist ein philosophisches Werk, was auch direkte Aussagekraft auf die NaWi hat, auch wenn das gar nicht das Ziel war.
    Ich hole ein bisschen aus (oh Wunder). Der Abschnitt ist vielleicht 2mal zu lesen; ich hab den selber noch nie ausformuliert:
    Wir Menschen denken in Abstraktionen. Um uns etwas begreiflich zu machen, versuchen wir es zunaechst, mit Worten zu fassen, bis wir einen Begriff davon haben. Wenn wir uns ueber etwas unterhalten - oder es auch nur denken - dann sind wir irgendwann der Meinung, das Bezeichnete erfasst zu haben, es identifiziert zu haben. Wir haben eine ganz gute Vorstellung davon,was es ist. Aber: In seiner Gesamtheit werden wir es nie erfassen koennen, weil jedes Bezeichnete etwas Individuelles hat, von dem wir abstrahieren muessen, um es uns begreifbar zu machen.
    Um zu Denken, muessen wir diese Abstraktionen durchmachen. "Denken heisst identifizieren" (Adorno). Diese Identifikation alleine ist aber ein Trugschluss, weil es das qualitativ Eigene des Bezeichneten ausschliesst. Adorno versucht mit Mitteln der Dialektik, die Scheinhaftigkeit von Identitaet und Identifiziertem aufzuzeigen, um dem "Nicht-Identischen" weiterhin Raum geben zu koennen. So soll sich dem Begriffenem ex negativo genaehert werden, also: was es nicht ist; und zugleich soll die Beziehung zwischen Beobachtenden und Begriffenem aufgezeigt werden.
    (Ich hoffe, bis hierhin sind alle mitgekommen)
    Das Konzept der Identitaet ist jedoch fuer die Naturwissenschaft extrem wichtig; ihre groesste Auspraegung hat sie dann in der Philosophie des Deutschen Idealismus gefunden. Diese Identitaetslogik findet sich jedoch in der gesamten Verfassheit unserer Gesellschaft. (Vorsicht, Marx´sche Argumentation:) Wir produzieren diverse Dingen in unserer Gesellschaft. Um diese austauschbar zu machen, abstrahieren wir von ihrer qualitativen Eigenheit, um es in ihre Wertform zu bringen (Bsp.: 1kg Brot = 50ct). Dieser Wert ist aber nichts natuerlich gegebenes, sondern wird erst durch unsere individuelle Verfasstheit in den gesellschaftlichen Verhaeltnissen betrieben, in denen es als selbstverstaendlich angesehen wird, das alle Dinge irgendeinen Wert haben (und nicht nur einen objektiv begruendbaren Nutzen). Diese Konstruktion fuehrt eben auch dazu, dass die Arbeitskraft von menschen als ausshlaggebend dafuer genommen wird, wieviel ein Mensch zum Leben bekommt. Auch dies vernachlaessigt jede Art von qualitativen Eigenheiten des Menschen.
    Natuerlich macht es fuer die Chemie als solche recht wenig Sinn zu sagen: Ich werde mir jetzt jedes Atom einzeln angucken. Darum geht es auch nicht. Aber am Beispiele Gender und Biologie kann ich das Problem vllt. besser erlaeutern:



    "Serrax" schrieb:


    Die Schwellenwerte sind oft eben nicht willkürlich gewählt.


    Achtung, spitze Frage: Wenn Schwellenwerte nicht willkuerlich gewaehlt werden, nach welchen Massstaeben denn dann?
    Vermutlich nach ihrer Haeufigkeit. Aber warum wird denn gerade die als entscheidend angesehen, was "normal" ist und was nicht? Das Kozept acuh dahinter steckt in der Identitaetslogik, die versucht, alle Menschen ueber einen Kamm zu scheren, und dabei keine Ruecksicht auf die qulaitativen Besonderheiten der einzelnen Individuen macht. Und sich damit unabhaengig von der Frage stellt, ob Menschen dann als Mutant_Innen diskriminiert werden. Verdammte imgainierte Relevanz von Statistik!




    "Serrax" schrieb:


    XX oder XY ist beim Menschen normal, weil es die extrem häufigste und erfolgreichste Konstruktion ist. Je mehr X oder Y Chromosomen dazu kommen, desto negativer sind die Folgen.


    Negative Folgen? Welche? Evtl. keine Kinder zu zeugen? Das ist aber schon wieder eine sehr voreingenommene Weltsicht, was als negativ und was als positiv zu sehen ist.
    Geringere Lebensdauer? Geringeres Lustempfinden? Quatsch, widerlegt.
    Der einzige Grund, dass dies als negativ wahrgenommen wird, liegt in der vorherrschenden Zwei-Geschlechter-Ideologie. Dass da mehr x- oder mehr y-Chromosmen nicht reinpassen, macht das Ganze erst zu einem Trauma fuer die Betroffenen. Das hat aber nix mit der "biologischen Notwendigkeit" zu tun, sondern ist Folge der vorherrschenden "Heteronormativitaet" (J. Butler).




    "Serrax" schrieb:


    Es ist ja auch meine Auffassung, daß die meisten wirtschaftlich relevanten geisteswissenschaftliche Erkenntnisse bereits vor der Aufklärung getätigt wurden.


    Die meisten Wiwis wuerden sagen, dass die groessten Erfolge sich mit D. Ricardo und A. Smith zum Ende des 18. Jh. (also Ende der Aufklaerung) abgezeichnet haben.
    Und ich wuerde sagen, dass das wirtschaftlich relevanteste geiteswissenschaftliche Erkenntnis das 1867 erschienene "Das Kapital" von K. Marx darstellt. Keine andere Schrift hat vorher die immaente Zuschreibung von Wert und Waren im Kapitalismus aufgezeigt, sondern alle sind von einem quasi-natuerlichen Zusammenhang ausgegangen.


    Ach so: Wenn ich sage, dass ich den "Traum von der kompletten Vorhersagbarkeit menschlcihen Verhaltens" nciht teilen kann, dann beziehe ich mich eher auf den Begriff des "Traums". Fuer mich klingt das eher nach Alptraum.
    Aber zugleich will ich darauf hinaus, dass wir mit unseren bsiherigen Denkmethoden - insbesondere mit dem aus den Naturwissenschaften uebernommenen Positivismus - eben nicht das gesellschaftliche Ganze (das mehr ist als die Summe seiner Teile) analysieren koennen.



    Garuda :
    Stolzenberg und der Artikel sagt mir gar nix. Ich habe meine Kenntnisse aber auch aus der Beschaeftigung mit Radikalen Konstruktivismus auf der einen, Kritischen Theorie auf der anderen Seite. Und weil vielzu viele meiner Freund_Innen "echte" NaWis studieren, musste ich mich da oefter mit der "Exaktheit von NaWi ggue. GesWi" auseinander setzen. Das motiviert.


    Ciao
    Lumac

  • Coole Diskussion bisher :wink:


    Lumac :


    Ich habe jetzt mal den Titel des Buches herausgesucht: "Die erfundene Wirklichkeit", hrsg. von P. Watzlawick.
    Vielleicht interessiert es dich ja :wink:



    @all:


    Ich bin mir - wie gesagt- nicht sicher, wie ich die Beziehung '"aufgeklärte" Gesellschaft' und 'Methodik der Erkenntnisgewinnung in den Naturwissenschaften' hierarchisch strukturieren soll. Diesbezüglich lässt sich für mich (momentan) kein Ursprung feststellen, sondern eher ein Zirkelschluss. Hm....


    Wegen der bedeutenden Erkenntnisse:


    Ich kann mir ungefähr vorstellen, wie Serrax den Begriff der 'bedeutenden Erkenntnis' wertet (anhand seines Beispieles), aber ich finde, dass man das je nach Wissenschaft differenziert betrachten müsste. Meiner Meinung nach, kann eine Wissenschaft doch auch nur die Fragen beantworten, in deren Diskursen sie sich bewegt. Und auch nur innerhalb von diesen kann sie zu Erkenntnissen, oder bedeutenden Erkenntnissen gelangen.
    Deswegen meinte ich z.B. auch, dass die Musikwissenschaft keine alternativen Energiequellen finden kann. Umgekehrt kann z.B. die Physik aber auch die meisten Fragestellungen innerhalb der Musikwissenschaft nicht aus sich heraus beantworten (jetzt mal abgesehen von Interdisziplinarität). Meiner Meinung nach lässt sich aufgrund dessen nicht feststellen, was als eine 'bedeutende Erkenntnis' zu gelten hat (zumindest nicht im universellen Sinne).
    Die Erkenntnis, wann menschliches Leben beginnt, ist für eine Wissenschaft wie die Biologie sicherlich eine bedeutende Erkenntnis, aber für etliche andere Wissenschaften nicht, da sie außerhalb der Systematik vieler Wissenschaften liegt, und deshalb für diese nicht zu beantworten ist.


    Wegen der Erklärung der Wirklichkeit durch die Naturwissenschaften:


    Ich glaube - wie gesagt - nicht, dass die Naturwissenschaften (aber auch nicht die Geisteswissenschaften) die Wirklichkeit erklären können, da sie selbst Teil von ihr sind, das aber eine Deutung möglich ist (halt je nach System). Meiner Meinung nach kann eine Sache nicht eine Gesamtheit erklären, von der sie selbst ein Teil ist (oder habe ich da irgendwie einen Denkfehler?).


    So, über den Rest muss ich erst mal wieder nachdenken :wink:

  • "Garuda" schrieb:


    Ich glaube - wie gesagt - nicht, dass die Naturwissenschaften (aber auch nicht die Geisteswissenschaften) die Wirklichkeit erklären können, da sie selbst Teil von ihr sind, das aber eine Deutung möglich ist (halt je nach System). Meiner Meinung nach kann eine Sache nicht eine Gesamtheit erklären, von der sie selbst ein Teil ist (oder habe ich da irgendwie einen Denkfehler?).


    Genau das hatte ich sagen wollen. Wieso schreib ich eigentlich imemr zu kompliziert.


    Ach so: Das Watzlawick-Buch steht seit Jahren auf meiner "Noch-zu-lesen"-Liste. Hab ich noch nicht, hol ich aber noch nach. Wenn ich meine spanische Uni verlassen hab.

  • "Serrax" schrieb:

    Eusebius :


    Ja, richtig. Allerdings gilt Dein Argument auch für die Natur- und Ingenieurwissenschaften.



    Und? Ich sehe den Zusammenhang nicht. Auch nicht, wie das Aufblühen von Naturwissenschaften den Geisteswissenschaften irgendwie abträglich sein soll. Wissenschaft ist doch kein Verdrängungskampf.


    Zitat


    Allerdings wurde unsere "aufgeklärte" Gesellschaft eben durch die Prinzipien der Naturwissenschaften geformt - was den Bedeutungsverlust der Geisteswissenschaften veranschaulicht.


    Unsere aufgeklärte Gesellschaft wurde von der Aufklärung geformt - und die ist eien Philosophie, keine Naturwissenschaftliche Disziplin. Rationalismus ist nichts, was die Naturwissenschaften exklusiv abonniert hätten


    Zitat


    Darüber hinaus ist ein weiteres Symptom der Niedergang des "Universal-Genies", in dem Natur - Ingenieur- und Geisteswissenschaftler vereinigt war - z.B. Leonardo da Vinci.


    Eher umgekehrt. Ein Zeichen für die zunehmende Diversifizierung in den Wissenschaften, und zwar in allen.

  • Eusebius :


    Ich habe nichts so geschrieben, was Du behauptest. Und ich werde keinesfalls auf Deinen latent aggressiven Diskussionsstil eingehen, da ich die Gedanken von Lumac und Garuda für viel zu interessant und fruchtbar halte, um mich mit Dir zu kloppen.


    cu

    343max: Ihr werdet euch noch wünschen wir wären Politikverdrossen!

  • Lumac :


    "Lumac" schrieb:

    Erst einmal danke fuer den wirklich hoeflichen Umgang


    Ich bemühe mich auch, das so beizubehalten, da ich eure Gedanke recht interessant finde.


    "Lumac" schrieb:

    Ich glaube, Garuda hat mit der Frage, was denn bedeutende Erkenntnisse seien, den Nagel auf den Kopf getroffen. Und genauso wie Garuda wuerde ich sehen, dass das, was wir als "aufgeklaerte Gesellschaft" bezeichnen, sich nur so in Folge der naturwissenschaftlichen Methodik entwickeln konnte. Was ich auf jeden Fall als Fortschritt empfinde gegenueber den religioesen Ueberzeugungen frueherer Gesellschaftsformen, aber eben nicht als das Ende der Fahnenstange.


    Gab es diese Methode zuerst, oder die Geisteshaltung? Immerhin waren auch bedeutende Naturwissenschaftler "Sterndeuter", "Goldmacher" und ähnliches ...


    Darüber hinaus: Was wäre denn "das Ende der Fahnenstange"? Oder wie sähe beispielsweise zukünftiger "Fortschritt" aus?


    "Lumac" schrieb:

    Serrax erklaert gar, dass die Geisteswissenschaften den Naturwissenschaften seit Jahrzehnten hinterherhaengen. Da frag ich mich aber schon, anhand welchen Kriteriums Du diese Wertung fest machst.


    Es werden zunehmend natur - und ingenieurwissenschaftliche Methoden und Möglichkeiten erforscht und etabliert, die die bisherigen ethischen Grundsätze in Frage stellen.


    Diese Grundsätze wurden von den Geisteswissenschaften definiert - und postuliert.


    Ein paar Beispiele: Hirnforschung (z.B. bildgebende Verfahren), Zwillingsforschung und Gentechnik (z.B. Klonen)


    "Lumac" schrieb:

    Es wird von allen Wissenschaften heute verlangt, dass sie zu ueberpruefbaren Ergebnissen kommen. Dies fordern selbst die Positivist_Innen in der Soziologie, und ja klar, es funktioniert. Wenn wir uns ein Statdviertel anschauen wollen, in dem eine hohe Kriminalitaetsrate herrscht, und wir mit Modellen von Bildungsinvestition hier oder verstaertke Ueberwachung da rangehen, koennen wir nach ein paar Jahren evtl. eine Verringerung der Kriminalitaetsrate feststellen (unter bestimmten Bedingungen blabla...). Das ist ja auch schon mal eine praktische Sache (wenn sie tatsaechlich funktionieren wuerde, was aber aufgrund einiger Problematiken nicht der Fall ist).
    Ich bezweifele jedoch, dass diese augenscheinliche "Wahrhaftigkeit" und "Genauigkeit" der naturwissenschaftlichen Methode sinnvoll fuer die Uebertragung auf eine Gesellschaft ist. Durch diese koennen wir naemlich nur die innere Konstruktion erkennen, aber nicht die Konstruktion des Rahmens, unter dessen Fittiche wir uns bewegen. Dazu gleich mehr.


    Das Problem ist aber doch auch bei den Ingenieurwissenschaften nicht unbekannt. Bei den Naturwissenschaften aber vielleicht schon weniger...


    Um es prägnant zu formulieren: Komplexe Systeme verhalten sich unvorhersehbar (siehe Chaostheorie).


    Das ist natürlich in erster Linie unserer begrenzten, menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit geschuldet - die wir mit der Hilfe von Arbeitsmethoden, theoretischen Konstrukten und Maschinen versuchen zu erweitern.


    "Lumac" schrieb:

    Hmm, so klar ist das vielen nicht.


    Ja, das ist richtig. Ein kleiner Aspekt im Unterschied "Wissen vs. Weisheit". :wink: Auch ich mußte das erst lernen.


    "Lumac" schrieb:

    Wir Menschen denken in Abstraktionen. Um uns etwas begreiflich zu machen, versuchen wir es zunaechst, mit Worten zu fassen, bis wir einen Begriff davon haben. Wenn wir uns ueber etwas unterhalten - oder es auch nur denken - dann sind wir irgendwann der Meinung, das Bezeichnete erfasst zu haben, es identifiziert zu haben. Wir haben eine ganz gute Vorstellung davon,was es ist. Aber: In seiner Gesamtheit werden wir es nie erfassen koennen, weil jedes Bezeichnete etwas Individuelles hat, von dem wir abstrahieren muessen, um es uns begreifbar zu machen.


    Hier wird eine Individualität postuliert.


    "Lumac" schrieb:

    Um zu Denken, muessen wir diese Abstraktionen durchmachen. "Denken heisst identifizieren" (Adorno). Diese Identifikation alleine ist aber ein Trugschluss, weil es das qualitativ Eigene des Bezeichneten ausschliesst. Adorno versucht mit Mitteln der Dialektik, die Scheinhaftigkeit von Identitaet und Identifiziertem aufzuzeigen, um dem "Nicht-Identischen" weiterhin Raum geben zu koennen. So soll sich dem Begriffenem ex negativo genaehert werden, also: was es nicht ist; und zugleich soll die Beziehung zwischen Beobachtenden und Begriffenem aufgezeigt werden.


    Die Grenzen der Beobachtbarkeit sind den NaWi durchaus bekannt. Die Heisenbergsche Unschärferelation ist eine bedeutende Erkenntnis der NaWis.


    "Lumac" schrieb:

    Diese Konstruktion fuehrt eben auch dazu, dass die Arbeitskraft von menschen als ausshlaggebend dafuer genommen wird, wieviel ein Mensch zum Leben bekommt. Auch dies vernachlaessigt jede Art von qualitativen Eigenheiten des Menschen.


    Was ist denn bitte mit den unproduktiven Menschen? Kinder, Kranke, Alte - selbst Tote? Hier werden oft erhebliche Ressourcen investiert, obwohl deren aktuelle Arbeitskraft = 0 ist.


    "Lumac" schrieb:

    Achtung, spitze Frage: Wenn Schwellenwerte nicht willkuerlich gewaehlt werden, nach welchen Massstaeben denn dann?
    Vermutlich nach ihrer Haeufigkeit. Aber warum wird denn gerade die als entscheidend angesehen, was "normal" ist und was nicht? Das Kozept acuh dahinter steckt in der Identitaetslogik, die versucht, alle Menschen ueber einen Kamm zu scheren, und dabei keine Ruecksicht auf die qulaitativen Besonderheiten der einzelnen Individuen macht. Und sich damit unabhaengig von der Frage stellt, ob Menschen dann als Mutant_Innen diskriminiert werden. Verdammte imgainierte Relevanz von Statistik!


    Dazu weiter unten mehr...


    "Serrax" schrieb:

    XX oder XY ist beim Menschen normal, weil es die extrem häufigste und erfolgreichste Konstruktion ist. Je mehr X oder Y Chromosomen dazu kommen, desto negativer sind die Folgen.


    "Lumac" schrieb:

    Negative Folgen? Welche? Evtl. keine Kinder zu zeugen? Das ist aber schon wieder eine sehr voreingenommene Weltsicht, was als negativ und was als positiv zu sehen ist.


    Unfruchtbarkeit ist eine ziemlich eindeutige und endgültige negative Folge - egal, ob für die Gesellschaft oder für das Individuum.

    Darüber hinaus sind generell geistige und körperliche Entwicklungsdefizite wahrscheinlich, sowie geringere Überlebenschancen.


    Nur weil diese Fakten in menschlichen Konstrukten - z.B. Wahrscheinlichkeiten - gefasst werden, sind sie dennoch vorhanden und relevant.


    Die Natur selbst hängt zwar an kleineren Mutationen - ist aber ausgesprochen intolerant was größere angeht.


    "Lumac" schrieb:

    Der einzige Grund, dass dies als negativ wahrgenommen wird, liegt in der vorherrschenden Zwei-Geschlechter-Ideologie. Dass da mehr x- oder mehr y-Chromosmen nicht reinpassen, macht das Ganze erst zu einem Trauma fuer die Betroffenen. Das hat aber nix mit der "biologischen Notwendigkeit" zu tun, sondern ist Folge der vorherrschenden "Heteronormativitaet" (J. Butler).


    Die Dualität ist natürlich vorgegeben und keineswegs eine kulturelle Konstruktion. Lediglich die sozialen Folgen sind kulturspezifisch.


    "Lumac" schrieb:

    Die meisten Wiwis wuerden sagen, dass die groessten Erfolge sich mit D. Ricardo und A. Smith zum Ende des 18. Jh. (also Ende der Aufklaerung) abgezeichnet haben.


    Das kann man aus sehr anders sehen. 2000 Jahre lang funktionierten Gesellschaften - mehrere Hochkulturen inklusive - auch ohne Merkantilismus.


    "Lumac" schrieb:

    Und ich wuerde sagen, dass das wirtschaftlich relevanteste geiteswissenschaftliche Erkenntnis das 1867 erschienene "Das Kapital" von K. Marx darstellt. Keine andere Schrift hat vorher die immaente Zuschreibung von Wert und Waren im Kapitalismus aufgezeigt, sondern alle sind von einem quasi-natuerlichen Zusammenhang ausgegangen.


    Ja, da hast Du wohl zweifellos recht. Das akzeptiere ich schon als bedeutende Erkenntnis.


    Gibts noch eine, oder ist das die einzige?


    "Lumac" schrieb:

    Ach so: Wenn ich sage, dass ich den "Traum von der kompletten Vorhersagbarkeit menschlcihen Verhaltens" nciht teilen kann, dann beziehe ich mich eher auf den Begriff des "Traums". Fuer mich klingt das eher nach Alptraum.
    Aber zugleich will ich darauf hinaus, dass wir mit unseren bsiherigen Denkmethoden - insbesondere mit dem aus den Naturwissenschaften uebernommenen Positivismus - eben nicht das gesellschaftliche Ganze (das mehr ist als die Summe seiner Teile) analysieren koennen.


    Traum oder Alptraum ist eine Wertung und hat nichts mit dem Un/Möglichkeit auf natur/ingenieurwissenschaftlicher Basis zu tun.


    Das Etikett "Mehr als die Summe aller Teile" haftet auch am Gehirn und dem damit verbundenen menschlichen Geist. Dennoch machen die NaWis gerade hier erstaunliche Entdeckungen in den letzten Jahren.


    cu

    343max: Ihr werdet euch noch wünschen wir wären Politikverdrossen!

  • Serrax :


    Wegen der allgemeingültigen Gesetze:


    Als allgemeingültige Gesetze meinte ich allerdings Gesetze, die unabhängig vom Zeitpunkt als für gültig erklärt werden. Soweit ich weiß, liegt es nicht in der Methodik der meisten Geisteswissenschaften, solche Gesetze aufzustellen, da Geisteswissenschaften meistens versuchen, ein Phänomen historisch-konkret zu analysieren.
    Meines Erachtens können auch Konstrukte wie die Menschenrechte immer nur historisch-konkret erklärt/formuliert werden (also von den Geisteswissenschaften), da diese Rechte ja sicherlich zu jeder Zeit andere gewesen sind (unsere moderne Definition hiervon ließe sich z.B. in einer bestimmten XY-Vergangenheit nicht formulieren). Das Gesetz der Schwerkraft jedoch (um jetzt ein naturwissenschaftliches Beispiel zu benutzen) ist mit einer Intention aufgestellt worden, so lange gültig zu sein, bis es - durch entsprechende Gegenbeweise - widerlegt wurde. Diese Form von Gesetz ist demnach zeit- oder vielleicht besser gesagt geschichtlich unabhängig.
    Hierin sehe ich zumindest den Unterschied.
    Damit will ich aber nicht bestreiten, dass die Möglichkeit bestünde, dass auch die Geisteswissenschaften sich bereits an solchen Gesetzen versucht hätten. Das müsste ich dann noch mal genauer prüfen :wink:



    @all:


    Was jetzt die Definition von 'bedeutenden Erkenntnissen' anbelangt, bleibe ich zur Zeit bei meinem Standpunkt (s.o.), weil den bisher noch niemand widerlegt hat :wink:


    P.S. Den Artikel lese ich mir noch durch! :wink:

  • Garuda :


    "Garuda" schrieb:

    Meines Erachtens können auch Konstrukte wie die Menschenrechte immer nur historisch-konkret erklärt/formuliert werden (also von den Geisteswissenschaften), da diese Rechte ja sicherlich zu jeder Zeit andere gewesen sind (unsere moderne Definition hiervon ließe sich z.B. in einer bestimmten XY-Vergangenheit nicht formulieren). Das Gesetz der Schwerkraft jedoch (um jetzt ein naturwissenschaftliches Beispiel zu benutzen) ist mit einer Intention aufgestellt worden, so lange gültig zu sein, bis es - durch entsprechende Gegenbeweise - widerlegt wurde. Diese Form von Gesetz ist demnach zeit- oder vielleicht besser gesagt geschichtlich unabhängig.
    Hierin sehe ich zumindest den Unterschied.


    Dazu folgende Gedanken:


    1. Beispiel Menschenrechte


    Ich halte die Postulierung der allgemeingültigen Menschenrechte schon für raum - und zeitlos. Zwar wurden sie früher vielleicht nicht so genannt - oder man war sich ihrer gar nicht bewußt. Dessen ungeachtet besaßen die Menschen diese Rechte.


    Streng formuliert galten diese Rechte auch schon vor dem Auftauchen der verschiedenen Menschenarten und werden weiter gelten, wenn der Mensch schon längst ausgestorben ist.


    Die Interpretation dieser Rechte ist zwar abhängig von der jeweiligen Kultur und Gesellschaft, aber das ändert nichts, da die Menschenrechte Maximalforderungen darstellen.



    2. Beispiel Schwerkraft


    Es gibt explizite Ausnahmen - Singularitäten - in denen die Naturgesetze wie wir sie heute kennen, nicht gültig waren/sind.


    Das bekannteste Beispiel wäre der Urknall. Alle Naturkräfte entwickelten sich danach.


    Ein weiterführende interessante Theorie dazu wäre übrigens die "Multiversum-Theorie".



    "Garuda" schrieb:

    Was jetzt die Definition von 'bedeutenden Erkenntnissen' anbelangt, bleibe ich zur Zeit bei meinem Standpunkt (s.o.), weil den bisher noch niemand widerlegt hat :wink:


    Darüber werde ich nachdenken. :-k


    "Garuda" schrieb:

    P.S. Den Artikel lese ich mir noch durch! :wink:


    Wenn Du Dir auch die verknüpften Artikel durchliest, dann hat man mehrerer Stunden zum Nachdenken. :mrgreen:


    cu

    343max: Ihr werdet euch noch wünschen wir wären Politikverdrossen!



  • Zu 1.:


    Das mit den Menschenrechten sehe ich etwas anders. Ich glaube die Frage bewegt sich ein wenig in Richtung 'Universalienstreit', also der Frage danach ob es Allgemeinbegriffe gibt, die in der außermentalen Wirklichkeit existieren, schon immer da waren etc.


    Ich verstehe nicht so ganz, was du damit meinst, wenn du sagst, dass die Menschen diese Rechte schon immer besessen haben, selbst bevor es überhaupt Menschen gegeben hat.


    Ich finde (ohne mich jetzt aber ehrlicherweise gesagt, bereits mit den Menschenrechten längere Zeit beschäftigt zu haben), dass ein Recht, welches Menschen betrifft, auch erst existiert, wenn etwas 'da' ist, das man als 'Mensch' definiert. Genauso finde ich, dass das Recht erst existent ist, wenn der Begriff 'Recht' definiert wurde. Etwas, das nicht definiert wurde, oder nicht definiert werden konnte, weil es nicht bewusst war, existiert meiner Meinung nach nicht. Es kann sein, dass die Menschenrechte als allgemeingültiges Konstrukt aufgestellt wurden, aber ihre Existenz, ihre Erklärung und Formulierung sehe ich immer nur historisch-konkret erfüllbar. Sicherlich können wir von unserem gegenwärtigen (Menschen-)Rechtsbegriff alles auf die Vergangenheit projezieren (so wie ja auch Historie immer nur konstruiert ist), aber das beweist für mich noch nicht, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt X diese Rechte auch bereits existiert haben.
    Oder wie wird das begründet?


    Meine Überlegung zu den möglichen Begründungen sähen wie folgt aus: (ich glaube, das Folgende ist auch aussagekräftiger, als das, was ich oben geschrieben hatte...)


    Woher erhält der Mensch diese Rechte, wenn nicht von der Gesellschaft in der er sich befindet, und die ja auch immer nur historisch-konkret existent ist?
    Die andere Möglichkeit wäre, dass der Mensch diese Rechte von etwas erhalten hat, einer Entität, welche praktisch gesehen über allem steht, also Gott o.ä. (darauf gehe ich jetzt mal nicht ein :wink: ).
    Oder dritte Möglichkeit: Die Rechte existieren aus sich selbst heraus (womit sie tatsächlich 'ewig' wären). Da sehe ich wieder das Problem (wie irgendwo oben von mir angeführt) der Rückbezüglichkeit. Etwas kann sich nicht aus sich selbst heraus erklären, oder etwas erklären von dessen Gesamtheit es ein Teil ist, da es sonst zu Rückbezüglichkeit und Paradoxon kommt.



    Zu 2.:


    Da gebe ich dir recht. Deine naturwissenschaftlichen Kenntnisse sind vermutlich größer als meine, weshalb mir manche Theorien diesbezüglich nicht bekannt sind und ich nur vermuten kann :oops:
    Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass die Methodik der Naturwissenschaft darin besteht (möglichst!), allgemeingültige, zeitunabhängige Gesetze zu entwerfen, weil sich mit diesen Konstrukten als Axiomen gesetzt optimal arbeiten lässt. So zumindest habe ich damals die nomothetische Methodik erklärt bekommen :wink:
    Aber vielleicht gibt es da ja auch Neuerungen, die an mir vorbei gezogen sind :wink:

  • Garuda :


    "Garuda" schrieb:

    Das mit den Menschenrechten sehe ich etwas anders. Ich glaube die Frage bewegt sich ein wenig in Richtung 'Universalienstreit', also der Frage danach ob es Allgemeinbegriffe gibt, die in der außermentalen Wirklichkeit existieren, schon immer da waren etc.


    Jo.


    "Garuda" schrieb:

    Ich verstehe nicht so ganz, was du damit meinst, wenn du sagst, dass die Menschen diese Rechte schon immer besessen haben, selbst bevor es überhaupt Menschen gegeben hat.


    Ich werde meine Ansicht weiter unten ausführen. Nur kurz so viel: Die Begriffe können problematisch sein.


    "Garuda" schrieb:

    Ich finde (ohne mich jetzt aber ehrlicherweise gesagt, bereits mit den Menschenrechten längere Zeit beschäftigt zu haben), dass ein Recht, welches Menschen betrifft, auch erst existiert, wenn etwas 'da' ist, das man als 'Mensch' definiert. Genauso finde ich, dass das Recht erst existent ist, wenn der Begriff 'Recht' definiert wurde. Etwas, das nicht definiert wurde, oder nicht definiert werden konnte, weil es nicht bewusst war, existiert meiner Meinung nach nicht. Es kann sein, dass die Menschenrechte als allgemeingültiges Konstrukt aufgestellt wurden, aber ihre Existenz, ihre Erklärung und Formulierung sehe ich immer nur historisch-konkret erfüllbar. Sicherlich können wir von unserem gegenwärtigen (Menschen-)Rechtsbegriff alles auf die Vergangenheit projezieren (so wie ja auch Historie immer nur konstruiert ist), aber das beweist für mich noch nicht, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt X diese Rechte auch bereits existiert haben.
    Oder wie wird das begründet?


    &

    "Garuda" schrieb:

    Meine Überlegung zu den möglichen Begründungen sähen wie folgt aus: (ich glaube, das Folgende ist auch aussagekräftiger, als das, was ich oben geschrieben hatte...)


    Woher erhält der Mensch diese Rechte, wenn nicht von der Gesellschaft in der er sich befindet, und die ja auch immer nur historisch-konkret existent ist?
    Die andere Möglichkeit wäre, dass der Mensch diese Rechte von etwas erhalten hat, einer Entität, welche praktisch gesehen über allem steht, also Gott o.ä. (darauf gehe ich jetzt mal nicht ein Wink ).
    Oder dritte Möglichkeit: Die Rechte existieren aus sich selbst heraus (womit sie tatsächlich 'ewig' wären). Da sehe ich wieder das Problem (wie irgendwo oben von mir angeführt) der Rückbezüglichkeit. Etwas kann sich nicht aus sich selbst heraus erklären, oder etwas erklären von dessen Gesamtheit es ein Teil ist, da es sonst zu Rückbezüglichkeit und Paradoxon kommt.


    Ganz genaue Analyse.


    1. Die "Menschenrechte" sind tatsächlich aus den jeweiligen Gesellschaften heraus, primär gegen den Staat/Machthaber "entwickelt" worden.


    2. Diese "Rechte" sind natürlich nur im besagten "Rechtssystem/Rechtsordung" relevant.



    Diese beiden Aspekte sind allerdings eher... "veraltete" Ansichten. Nahezu jeder Isolationist und jede Diktatur vertreten diese veraltete Auffassung. Denn letztlich besagt diese Auffassung nicht mehr und nicht weniger, daß ein Mensch genau so viel wert ist - wie es seine Gesellschaft für richtig hält.


    Das ist natürlich kaum mit dem "westlichen" Verständnis von Menschenrechte kompatibel - weswegen viele andere Kulturen unsere Auffassung stehts als "Einmischung in innere Angelegenheiten" empfinden.



    3. Unsere "universelle" Auffassung von Menschenrechten basiert also auf der von Dir zuletzt genannten Schlußfolgerung.


    Dabei sollte nun folgendes berücksichtigt werden:


    a) "Menschenrechte" als Begriff


    Ein oft als Synonym verwendeter Begriff "Grundrechte" trifft den Kern imho wesentlich genauer. "Grundrechte" sind gewissermaßen eine Eigenschaft des Subjekts, ohne das sie deklariert werden müssen und unabhängig davon, ob es das Subjekt jetzt gibt oder nicht.


    b) Geltungsbereich


    Der Geltungsbereich der Grundrechte erstreckt sich vom einzelnen Menschen gegenüber anderen Menschen und Institutionen.


    c) "Grundrechte" universal


    Ferner sind die Grundrechte eine Eigenschaft einer bestimmten "Klasse" von Subjekten: Dem vernunft - und empfindungsfähigen Wesen.



    Das ist eigentlich eine ziemlich gewaltige und problembehaftete Annahme. Denn zum einen wird jedes vernunftbefähigte Wesen eingeschlossen. Demnach gilt dies auch für Frühmenschen, künstliche Intelligenzen und Aliens. Zum anderen ist der Begriff "vernunftbefähigt" sehr problematisch - es ist bis heute ja noch nicht mal gelungen den Begriff "Intelligenz" genau und abschließend zu definieren. Es könnte also durchaus sein, daß einige Tierarten (z.B. Menschenaffen, Wale) ebenso darunter fallen, selbst wenn sich deren "Vernunft" von unserer unterscheidet.



    "Garuda" schrieb:

    Da gebe ich dir recht. Deine naturwissenschaftlichen Kenntnisse sind vermutlich größer als meine, weshalb mir manche Theorien diesbezüglich nicht bekannt sind und ich nur vermuten kann :oops:


    Naja, diese "Planck-Zeit" dauerte auch nur so ungefähr 10E-43 Sekunden.


    "Garuda" schrieb:

    Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass die Methodik der Naturwissenschaft darin besteht (möglichst!), allgemeingültige, zeitunabhängige Gesetze zu entwerfen, weil sich mit diesen Konstrukten als Axiomen gesetzt optimal arbeiten lässt. So zumindest habe ich damals die nomothetische Methodik erklärt bekommen :wink:


    Natürlich, aber es gibt bekannte Grenzfälle.


    cu

    343max: Ihr werdet euch noch wünschen wir wären Politikverdrossen!

  • Serrax :


    Das die Begriffe problematisch sind, sehe ich auch so. Ich möchte jetzt nur ein paar Überlegungen zur generellen Verwendung von Begriffen jedweder Art anstellen, weil ich denke, dass die Problematik auch teilweise gerade darin begründet liegt.


    Begriffe sind historische Gebilde, da sich eine Sprache immer entwickelt, und mit ihr auch die Beziehung zwischen den Begriffen und dem, was sie bezeichnen (also die semantische Beziehung zwischen Signifikat und Signifikant). Dies unterscheidet sich natürlich stark (hinsichtlich der Präzision in der Definition von Begriffen), abhängig davon ob man eine natürliche Sprache oder eine künstliche Sprache betrachtet. Zentral ist hierbei auch die Betrachtung der unterschiedlichen semantischen Stufen einer jeden Sprache, also der Feststellung, ob ein bestimmter Begriff auf der Objektebene benutzt wird, oder auf der Metasprachebene, um über die Objektsprache zu sprechen.
    Begriffe verändern sich logischerweise, weil sich auch die Wirklichkeit verändert (oder andersherum; darüber können wir ja später noch sprechen :wink: ). Es gibt dabei unterschiedliche Möglichkeiten, wie neue Begriffe entstehen können.


    Von daher kann man die Bedeutung der Menschenrechte/Grundrechte meiner Meinung nach nicht an den Begriffen selbst festmachen, wenn man eine universelle Definition erstellen möchte. Hierin sehe ich zumindest eine große Problematik.


    Eine universelle Definition ausgehend von Punkt 3, würde beinhalten, das es ein An-sich der Grundrechte gibt. Man würde diese 'Rechte' (jetzt mal unabhängig von der Problematik der Begriffe) einer absoluten Wirklichkeit zuordnen müssen, und hätte dann das Problem der Rückbezüglichkeit einer Sache, die sich aus sich selbst heraus erklären möchte (diesen Punkt sehe ich in meiner Argumentationsweise als zentral an. Eine Widerlegung dessen, würde Punkt 3 für mich akzeptabel machen, aber derzeit sehe ich keine Möglichkeit dazu).


    Ich werde jetzt trotzdem mal versuchen, auf deine Punkte einzugehen (schließlich besteht darin ja der Sinn einer Diskussion :wink: ):


    zu a)


    Deine Definition verstehe ich, aber ich habe ein logisches Problem damit, weil ich Punkt 3 nicht akzeptieren kann.
    Deine Aussage a kann glaube ich auch nur unter dieser Voraussetzung akzeptiert werden, denn a beinhaltet ja, dass man an ein absolutes, vom Subjekt unabhängiges Objekt glauben würde.

    zu b)


    Ok, verstehe ich :wink:



    zu c)


    Finde ich auch problematisch. Nicht nur wegen des Geltungsbereiches, sondern wegen des Bezuges auf ein 'Subjekt'.
    Nehmen wir an, es gäbe kein Subjekt, auf das sich das Recht beziehen könnte, obwohl, wenn man Punkt 3 annimmt, es in einem absoluten Zustand, einem an-sich existent wäre.
    Wie kann es sich dann aber auf ein Subjekt beziehen? Irgendjemand muss diese Beziehung dann ja wieder festlegen, und das wäre - wie von dir und mir angeführt - z.B. die Gesellschaft. Was gibt uns nun aber die Sicherheit, dass die Gesellschaft das als Grundrecht festlegt, was es als An-Sich ist? Und wenn man sich diesbezüglich nicht sicher sein kann, wie kann man dann davon ausgehen, dass wir überhaupt wissen, was das An-Sich des Grundrechts ist. Und wenn wir dieses Wissen nicht besitzen, woher wissen wir dann, dass das Grundrecht absolut existent ist; woher die Gewissheit, dass es tatsächlich in dieser Form existiert?


    Weitere Überlegungen folgen in Kürze :wink:

  • Wow, das Thema bleibt ja recht interessant.


    Bedeutende Erkenntnisse:
    Ich glaube, ich habe mittlerweile verstanden, was die Aussage, Geisteswissenschaften muessen den Naturwissenschaften hinterherlaufen, bedeuten soll. Nachdem ich mir den TP-Artikel ueber Willensfreiheit durchgelesen habe: Klar, die Biologie entdeckt, dass sich Menschen aufgrund bestimmter Umstaende so-oder-so verhalten. Diese bestimmten Umstaende finden ihre Grundlage bereits in der Erziehung, ist aber gepaart mit den biologische vorgegebenen Fakten, z.B. der Hirnstruktur.
    Nun sind die Geisteswissechaften wie z.B. Jura gezwungen, darauf Ruecksicht zu nehmen und nicht alle Personen, unabhaengig von ihren koerperlichen Dispositionen, gleich zu verteilen.
    Diese Erkenntnis ist jedoch nicht neu, einzig die Moeglichkeiten dazu sind erweitert. Waehrend es frueher einfach war, einen Menschen aufgrund seines alltaeglichen Verhaltens als "grundsaetzlich unmuendig" zu betrachten, so dass im Schadensfall hoechstens sein Vormund fuer Fahrlaessigkeit belangt wurde, so koennen wir nun feststellen, ob es evtl. eine traurige Veranlagung gibt, die den Paedophilen dazu zwingt, Kinder zu traumatisieren (ja, ich schreibe bewusst polemisch, weil ich dies - genetische Disposition hin oder her - verurteilenswert finde; ich wuerde daher einen besseren gesellschaftlichen Umgang mit latent gefaehrlichen menschen einfordern bzw. ja gleich mal die Gesellschaft, die solche Menschen qua Erziehung hervorbringt, veraendern).
    Das heisst, unser Rechtssystem, dass verbietet, Ungleiches glreich zu behandeln, muss mit den neuen Erkenntnisse arbeiten. Okay, geschenkt.
    Weitaus spannender sind da doch die Erkenntnisse z.B. aus der Raumfahrt, und wie Menschen gerecht behandelt werden, wenn sich die fossilen Brennstoffe erschoepfen. All dies wird in der Tat unsere Welt noch vor Herausforderungen stellen, die wir noch nicht loesen koennen (zumindest nicht, wenn wir so weitermachen wie bisher). Aber: all diese Erkenntnisse beruhen auf ein paar bisherigen Grundprinzipien aus aufklaererischer Tradition (Rationalismus, Individualitaet, Humanismus), an de wir nach und nach unsere neuen Anforderunge stellen muessen. Im Prinzip aendert sich da nicht viel, behaupte ich.


    Weitere bedeutende Erkenntnisse finde ich z.B. die Erkenntnis, dass Frauen und selbst Afrikaner_Innen doch irgendwie auch Menschen sind. Das war im Zeitalter der Aufklaerung noch nicht so und dauerte auch sonst ein bisschen (in der Schweiz duerfen Frauen erst seit 1971 waehlen gehen). Von einer "gleichen Wertung" will ich dabei aber explizit nicht reden (schliesslich koennen "Schwarze einfach besser tanzen" und aehnlicher Unfug, von institutionalisiertem Rassismus der Asylpolitik ganz zu schweigen...)!
    Ansonten finde ich schon, dass die Geisteswissenschafte einges begetragen haben, um das Zusammenleben zu verbessern (z.B. in der Erziehung, Abwehrrechte der Bueger_In gegenueber dem Staat etc.). Und innerhalb ihres jeweilgen Fachs gelten ganz klar andere Wertungen.
    Wenn wir uns aber jeweils nur auf eine einzelne Erkenntnis in ihrer Bedeutung fuer die Menschheit anschauen, wird dies in allen Wissenschaften eher gering ausfallen ("ach was, wenn ich in einem Vakuum dem Element a nacheinander mit ein bisschen was hiervon und davon zugebe, wird Element a ein Ministel kleiner? Danke fuer diese Erkenntnis.") Es dauert meistens einige Zeit, bis sich da etwas braucbares heraus entwickelt ("Naja, aber gemixt mit den Erkenntnissen von Forscher_In A, Forscher_In B, Forscher_In C ... und Forscher_In Z koennen wir mit Element a die Geschwindigkeit des Space-Shuttles verdoppeln.")



    All diese Wertungen beruhen jedoch auf meiner Weltsicht der
    universalen Menschenrechte
    Die aus Naturwissenschaften herzuleiten ist meiner Einschaetzung nach ein unmoegliches Unterfangen. Selbst wenn es so etwas wie ein "Gerechtigkeits-Gen" gaebe (und ich meine mich zu erinnern, dass es dazu neuropsycholog. Untersuchungen gibt), so wuerde dies vermutlich bei verschiedenen Menschen unterschiedlich ausfallen (analog etwa zur Haarfarbe in den verschiednen Kontinenten - das waere mal ne spannende Betrachtung).


    Die Moeglichkeiten, auf was sich die Menschenrechte stuetzen (Gott, Natur, freier Wille, Notwendigkeit des Zusammenlebens) sind ja schon genannt. Letzten Endes ist dies aber IMO eine moralische und individuelle Entscheidung. Als solche ist jedoch ganz klar massiv von unserer Sozialisation gepraegt.
    Ich kann meinen ausgepraegte Forderung fuer die Anerkennung universaler Menschenrechte auf nix begruenden denn auf meine Ueberzeugung, dass alle Menschen gluecklich sein sollten. Dies ist natuerlich extremst von meiner persoenlichen Sozialisation gepraegt, und in Gesellschaften mit Kollektiv-Anspruch wuerde zuerst stehen, dass das Kollektiv gluecklich sein solle. Das mag ich aber nicht, weil in diesem Moment das Individuum untergeordnet wird, was - auch aus keiner biologisch begruendbaren Sicht - fuer mich den Dreh- und Angelpunkt darstellt. Ich habe einen ausgepraegten Glauben an die Individualitaet des Menschen.
    Nun ist es allerdings erst im Laufe der Zeit moeglich gewesen, Menschenrechte als solche zu postulieren. Die von der UN vorgeschlagenen stellen ja auch das Individuum ueber eine kollektive Instanz. Zugleich herrscht Unklarhet darueber, was als "Mensch" zu betrachten ist (Frauen und "Nicht-Weisse" gehoeren mittlerweile dazu, aber die Frage nach Samen - Embryo - Neugeborenes bleibt ungeklaert).
    Was fuer ein Vorschlag waeren denn hier sinnvoll? Ein "naturwssenschaftlicher", in dem anhand bestimmter Kriterien festgestelt wird, wie sehr "mensch" das betreffende Wesen ist? Und wenn ja, wonach werden die festgelegt?
    Bisher haben da ja durchaus eher geisteswissenschaftlich oder krichlich arguemntierende Sprecher_Innen den Entscheidungsvorrang. Aber: Ist das sinnvoll?
    Ich vermute, dass dies z.B. ein Thema ist, in dem eine "werturteilsfreie Naturwissenschaft" totaler Humbug ist.



    Und damit komme ich uch noch mal hierzu:


    "Serrax" schrieb:

    Die Dualität ist natürlich vorgegeben und keineswegs eine kulturelle Konstruktion. Lediglich die sozialen Folgen sind kulturspezifisch.


    sowie

    "Serrax" schrieb:


    Darüber hinaus sind generell geistige und körperliche Entwicklungsdefizite wahrscheinlich, sowie geringere Überlebenschancen.


    Genau das versuche ich doch gerade zu widerlegen. Die Dualitaet ist nicht natuerlich, sondern wurde von der Biologie als soche postuliert. Ja, in der allgemeinen Wahrnehmung gibt es genau zwei Geschlechter, unbestritten. Aber: Innerhalb dieser beiden Geschlechter gibt es sehr, sehr, sehr viele Abweichungen. Es gibt weder "die Frau" noch "den Mann", sondern allenfalls "Idealbilder" (ich glaube, der Begriff Stereotyp trifft hierbei noch besser zu). Und es gibt eben auch keine klare bioogische Grenze, sondern es werden Leute da hin gedraengt, ein entsprehcendes Geschecht in der binaeren Welt einzunehmen - trotz der Existez von Menschen mit nicht-eindeutigen Merkmalen etc. Es gibt keine "natuerliche Dualitaet", die sich biologisch sauber begruenden liesse.
    Selbst solche Sachen wie "Unfruchtbarkeit" - wuerdest Du der 26jaehrigen Kollegin, die seit ihrer Geburt unfruchtbar ist, aber ansonsten ganz "typisch frau", deswegen das "Frausein" absprechen?
    Insbesondere die Defizite sind mWn eine Reaktion auf das gezwungene Sich-Anpassen des Koerpers an eine Realitaet, die nicht erschuettert werden will, sondern auf Stoerungen mit Sanktionierung reagiert (z.B. Kinder ohne notwendigen Grund operiert und einer Hormonbehandlung unterzieht, bis der pubertierende Koerper sich dagegen wehrt etc.).


    Und schliesslich noch das ·"Ende der Fahnenstange" in der Forschung:
    Ich kann es mir nicht ausmalen. In der Wissenschaft bedeutet Stillstand Rueckschritt. Das heisst aber nicht, dass jeder Fortschritt wirklich Fortschritt ist (Um es mal mit D. Adams zu sagen: "Und manche meinten, schon das Leben auf den Baeumen sei ein Holzweg gewese und man haette lieber gleich im Ozean bleiben sollen"). So etwas wie eine "endgueltige Erkenntnis" halte ich wissenschaftstheoretisch fuer eine Unmoeglichkeit. Trotzdem wird diese immer wieder postuliert.
    Was ich als Fortschritt ansaehe, waere, wenn die Geisteswissenschaft sich nicht mehr fragen wuerde: "Es existiert das-und-das. Arbeiten wir alsodamit"sondern mit einem "Das, was existiert, ist schlecht. Wie anedern wir das?" Und damit wegvon vermeintlichen Sachzwaengen kommen,sondern die uns umgebende, augenscheinliche "Realitaet" taeglich aufs Neue hinterfragen. Und das ist etwas, was jedoch nur ex negativo funktioniert. Ein Ende sehe ich iemals. Das verbieetet aber IMO auch jedes rationale Denken


    Ciao

  • Garuda :


    "Garuda" schrieb:

    Von daher kann man die Bedeutung der Menschenrechte/Grundrechte meiner Meinung nach nicht an den Begriffen selbst festmachen, wenn man eine universelle Definition erstellen möchte. Hierin sehe ich zumindest eine große Problematik.


    Richtig.


    &

    "Garuda" schrieb:

    Eine universelle Definition ausgehend von Punkt 3, würde beinhalten, das es ein An-sich der Grundrechte gibt. Man würde diese 'Rechte' (jetzt mal unabhängig von der Problematik der Begriffe) einer absoluten Wirklichkeit zuordnen müssen, und hätte dann das Problem der Rückbezüglichkeit einer Sache, die sich aus sich selbst heraus erklären möchte (diesen Punkt sehe ich in meiner Argumentationsweise als zentral an. Eine Widerlegung dessen, würde Punkt 3 für mich akzeptabel machen, aber derzeit sehe ich keine Möglichkeit dazu).


    Ok.


    Wie steht es vergleichsweise mit der Schwerkraft? Existiert diese, selbst wenn kein Subjekt (z.B. Isaac Newton) da ist, um sie zu beobachten und zu beschreiben?



    "Serrax" schrieb:

    c) "Grundrechte" universal


    Ferner sind die Grundrechte eine Eigenschaft einer bestimmten "Klasse" von Subjekten: Dem vernunft - und empfindungsfähigen Wesen.


    Das ist eigentlich eine ziemlich gewaltige und problembehaftete Annahme. Denn zum einen wird jedes vernunftbefähigte Wesen eingeschlossen. Demnach gilt dies auch für Frühmenschen, künstliche Intelligenzen und Aliens. Zum anderen ist der Begriff "vernunftbefähigt" sehr problematisch - es ist bis heute ja noch nicht mal gelungen den Begriff "Intelligenz" genau und abschließend zu definieren. Es könnte also durchaus sein, daß einige Tierarten (z.B. Menschenaffen, Wale) ebenso darunter fallen, selbst wenn sich deren "Vernunft" von unserer unterscheidet.


    "Garuda" schrieb:

    zu c)


    Finde ich auch problematisch. Nicht nur wegen des Geltungsbereiches, sondern wegen des Bezuges auf ein 'Subjekt'.


    Hm... vielleicht ist dieses "Recht" ja von der falschen Seite her definiert. Da eigentlich fast alle Lebewesen empfindungsbefähigt sind, sollten wir dieses Kriterium erst mal ausklammern können. Es geht eigentlich nur um die Vernunft. Denn diese befähigt zum freien Willen und zur (theoretischen) Unabhängigkeit von den natürlichen Trieben.


    Von einem Tier kann man nicht erwarten, daß es Rücksicht auf ein anderes Tier nimmt, da es von seinen Instinkten geleitet wird. Es hat kein Bewußtsein und kann auch keines in seinem Gegenüber erkennen (theoretisch).


    Beim vernunftbefähigten Wesen ist dies jedoch anders. Es muß gewissermaßen ein anderes vernunftbefähigtes Wesen als solches erkennen können. Darauf aufbauend gibt es vielleicht gewissermaßen eher die "Grund-Pflicht" als das "Grund-Recht"?


    Bliebe das Problem, die Sonderstellung des vernunftbefähigten Wesens gegenüber den "nur" empfindungsbefähigten Wesen zweifellos zu legitimieren. :wink:


    cu

    343max: Ihr werdet euch noch wünschen wir wären Politikverdrossen!

  • Lumac :


    "Lumac" schrieb:

    Wow, das Thema bleibt ja recht interessant.


    Ja, das sehe ich auch so. :)


    "Lumac" schrieb:

    Diese Erkenntnis ist jedoch nicht neu, einzig die Moeglichkeiten dazu sind erweitert. Waehrend es frueher einfach war, einen Menschen aufgrund seines alltaeglichen Verhaltens als "grundsaetzlich unmuendig" zu betrachten, so dass im Schadensfall hoechstens sein Vormund fuer Fahrlaessigkeit belangt wurde, so koennen wir nun feststellen, ob es evtl. eine traurige Veranlagung gibt, die den Paedophilen dazu zwingt, Kinder zu traumatisieren (ja, ich schreibe bewusst polemisch, weil ich dies - genetische Disposition hin oder her - verurteilenswert finde; ich wuerde daher einen besseren gesellschaftlichen Umgang mit latent gefaehrlichen menschen einfordern bzw. ja gleich mal die Gesellschaft, die solche Menschen qua Erziehung hervorbringt, veraendern).


    Ich sehe eher das Problem, daß naturwissenschaftliche Erkenntnisse Hoheitsraum der Geisteswissenschaften "wildern".


    Ferner denke ich, daß Du Dir hier selbst widersprichst. Einerseits erkennst Du eine biologische Komponente beim Verhalten an, andererseits postulierst Du eine "Allmächtigkeit" der Erziehung.


    Es ist wohl einer der elementarsten Streitpunkte zwischen den NaWis und den Geisteswissenschaften, was denn den Menschen und sein Verhalten ausmacht. Die beiden Extrempositionen (keine biologische/kulturelle Komponente) sind wohl kaum haltbar.


    Dennoch ist die Bedeutung beider Einflußgrößen nach wie vor höchst unklar.


    "Lumac" schrieb:

    Weitere bedeutende Erkenntnisse finde ich z.B. die Erkenntnis, dass Frauen und selbst Afrikaner_Innen doch irgendwie auch Menschen sind.


    Das ist nicht sexistisch gemint, aber ich halte das für eine vergleichsweise kleine Erkenntnis.


    Ausgehend von den ersten Demokratien ist das lediglich eine marginale Weiterentwicklung. Zumal es ja nicht nur um die Gleichberechtigung von Frauen geht. Der Zeitraum, in dem alle Menschen - unabhängig vom Geschlecht, Hautfarbe, Religion und Status - gleichberechtigt sind ist nicht so lange.


    Gleichwohl natürlich die Grundlagen bereits mit den Demokratien der Griechen gegeben sind.


    Deshalb messe ich dem nicht mehr Bedeutung bei, als wenn die Gravitationskonstante um 1/10.000 genauer vermessen wird.


    "Lumac" schrieb:

    Ansonten finde ich schon, dass die Geisteswissenschafte einges begetragen haben, um das Zusammenleben zu verbessern (z.B. in der Erziehung, Abwehrrechte der Bueger_In gegenueber dem Staat etc.).


    Das bezweifle ich ja gar nicht. Aber z.B. die Leistungen auf dem Gebiet des Rechts haben schon die Römer vollbracht.


    "Lumac" schrieb:

    Wenn wir uns aber jeweils nur auf eine einzelne Erkenntnis in ihrer Bedeutung fuer die Menschheit anschauen, wird dies in allen Wissenschaften eher gering ausfallen


    Nein, das ist für die NaWis ganz klar nicht so.


    Unsere ganze moderne Zivilisation hängt weltweit an deren Erkenntnissen. Wie Du übrigens schon weiter oben schreibst:


    "Lumac" schrieb:

    Weitaus spannender sind da doch die Erkenntnisse z.B. aus der Raumfahrt, und wie Menschen gerecht behandelt werden, wenn sich die fossilen Brennstoffe erschoepfen. All dies wird in der Tat unsere Welt noch vor Herausforderungen stellen, die wir noch nicht loesen koennen (zumindest nicht, wenn wir so weitermachen wie bisher)




    "Lumac" schrieb:

    Die aus Naturwissenschaften herzuleiten ist meiner Einschaetzung nach ein unmoegliches Unterfangen. Selbst wenn es so etwas wie ein "Gerechtigkeits-Gen" gaebe (und ich meine mich zu erinnern, dass es dazu neuropsycholog. Untersuchungen gibt), so wuerde dies vermutlich bei verschiedenen Menschen unterschiedlich ausfallen (analog etwa zur Haarfarbe in den verschiednen Kontinenten - das waere mal ne spannende Betrachtung).


    Das ist ein wirklich großes Diskussionsfeld. Außerdem ist es natürlich klar, daß es eine genetische Vielfalt gibt - was je nach Situation unterschiedliche Verhalten bevorzugen kann.
    Dennoch sind "kooperative" Gene generell beim Menschen von Vorteil - die "unkooperativen" Gene sterben fast komplett aus.


    "Lumac" schrieb:

    Zugleich herrscht Unklarhet darueber, was als "Mensch" zu betrachten ist (Frauen und "Nicht-Weisse" gehoeren mittlerweile dazu, aber die Frage nach Samen - Embryo - Neugeborenes bleibt ungeklaert).


    Aktive/passive Sterbehilfe ist auch noch ein ziemlich interessante Aspekt.


    "Lumac" schrieb:

    Was fuer ein Vorschlag waeren denn hier sinnvoll? Ein "naturwssenschaftlicher", in dem anhand bestimmter Kriterien festgestelt wird, wie sehr "mensch" das betreffende Wesen ist? Und wenn ja, wonach werden die festgelegt?
    Bisher haben da ja durchaus eher geisteswissenschaftlich oder krichlich arguemntierende Sprecher_Innen den Entscheidungsvorrang. Aber: Ist das sinnvoll?


    Beispiel: Hirntod


    Hier wieder klar ein Bereich, in dem die Geisteswissenschaften der aktuellen Entwicklung um Jahrzehnte hinterherhinken.


    "Lumac" schrieb:

    Genau das versuche ich doch gerade zu widerlegen. Die Dualitaet ist nicht natuerlich, sondern wurde von der Biologie als soche postuliert. Ja, in der allgemeinen Wahrnehmung gibt es genau zwei Geschlechter, unbestritten. Aber: Innerhalb dieser beiden Geschlechter gibt es sehr, sehr, sehr viele Abweichungen.


    Nein. Alles was sich nicht asexuell oder eben sexuell fortpflanzen kann, ist in der biologischen Sackgasse.


    "Lumac" schrieb:

    Es gibt weder "die Frau" noch "den Mann", sondern allenfalls "Idealbilder" (ich glaube, der Begriff Stereotyp trifft hierbei noch besser zu).


    Das ist eine kulturelle Prägung - vom biologischen Standpunkt aus geht es nur um "fortpflanzungsfähig" oder nicht.


    "Lumac" schrieb:

    Selbst solche Sachen wie "Unfruchtbarkeit" - wuerdest Du der 26jaehrigen Kollegin, die seit ihrer Geburt unfruchtbar ist, aber ansonsten ganz "typisch frau", deswegen das "Frausein" absprechen?


    Im biologischen Sinne - ja.


    Würde mich aber interessieren, wie sie das selber empfindet.


    "Lumac" schrieb:

    In der Wissenschaft bedeutet Stillstand Rueckschritt.


    Das ist eine generelle Konstante. Denn die Umgebung verändert sich ständig - so gesehen ist das Prinzip der "Evolution" auch auf nicht-biologische Mechanismen anwendbar.


    "Lumac" schrieb:

    So etwas wie eine "endgueltige Erkenntnis" halte ich wissenschaftstheoretisch fuer eine Unmoeglichkeit. Trotzdem wird diese immer wieder postuliert.


    Halte ich ebenso für eine Unmöglichkeit - obwohl es durchaus möglich wäre, daß die Erkenntnisfähigkeit des Menschen begrenzt ist.


    Ich sage nur: "42" :mrgreen:


    cu

    343max: Ihr werdet euch noch wünschen wir wären Politikverdrossen!

  • Universale Menschenrechte, SChwerkraft etc.
    (Wow, ich mag diesen Zwischentitel)
    An diesen beiden Dingen liesse sich im Prinzip wieder heranfuehren, dass Wissenschaften nur deuten koennen. Sowohl die Menschenrechte als auch die Gesetze zur Schwerkraft funktionieren nur in ihrem Rahmen. Das heisst, dass sowohl die Schwerkraft als auch die Menschrechte gelten, egal, ob ein Mensch anwesend ist um diese zu messen.



    "Serrax" schrieb:


    Bliebe das Problem, die Sonderstellung des vernunftbefähigten Wesens gegenüber den "nur" empfindungsbefähigten Wesen zweifellos zu legitimieren.


    Sehe ich mit reiner Logik keine Moeglichkeit zu. Das ist ein Axiom.
    (Kant hat da ein erbaermliches Beispiel fuer geleistet, als er doch noch irgendwie Gott aus seinem "Ich zweifle, also denk ich also bin ich" beweisen wollte. Haelt einer kritischen Betahctung mit Mitteln der Logik naemlich nicht stand)


    Was aber Fakt ist: Menschen koennen sich ja mittles Vernunft ueber ihre Triebe hinweg setzen. Zumindest heisst es das immer wieder. Auf der anderen Seite scheinen Menschen dazu mehr oder weniger ausgepraegt zu sein; ob ich diese nun als willensschwach, mit mentaler SChwaeche ausgestattet oder "unfrefkletiert" bezeichnen moechte, ist eine Sache.



    "Serrax" schrieb:


    Ferner denke ich, daß Du Dir hier selbst widersprichst. Einerseits erkennst Du eine biologische Komponente beim Verhalten an, andererseits postulierst Du eine "Allmächtigkeit" der Erziehung.


    Es ist wohl einer der elementarsten Streitpunkte zwischen den NaWis und den Geisteswissenschaften, was denn den Menschen und sein Verhalten ausmacht. Die beiden Extrempositionen (keine biologische/kulturelle Komponente) sind wohl kaum haltbar.


    Dennoch ist die Bedeutung beider Einflußgrößen nach wie vor höchst unklar.


    Jepp, akzeptiert. Wollte nix anderes sagen.
    Aber ich glaube an die prinzipielle Entwicklugnsmoeglichkeit des Menschen selbst im hohen Alter (wenn sich das vorher anders angehoert hat, sorry, war eine falsche Ausdrucksweise). Dies wird jedoch durch Sozialisation und biologischer Disposition determiniert. Nur das Ausmass ist sehr unbestimmt.
    Ich tue mich jedoch immer noch schwer damit, erwachsenen Menschen, die anderen Leid zufuegen, dies mit ihrer Erziehung oder auch ihrer biologischen Disposition zu entschuldigen. Es gibt sehr viele Beispiele, in denen Menschen ihrem "Zwang" nicht erlegen sind. Aber um einen Freispruch von SChuld geht es hier vermutlich eh nicht.


    Und Tieren jedes Form von Bewusstsein abzusprechen ist auch eine kritische Sache. Wenn ich mir die Kommunikations- und Interaktionsfaehigkeiten von Delphinen anschaue, ist das etwas anderes als z.B das Verhalten von Ratten. Auch diverse Affen sind nun mWn durchaus in der Lage, von ihren Instinkten wegzukommen, wenn sie gelehrt wurden. Die Aussage "Das sind keine Menschen" legitimiert aber bequemerweise den Menschen in seiner Machtausuebung.



    "Serrax" schrieb:


    Das ist nicht sexistisch gemint, aber ich halte das für eine vergleichsweise kleine Erkenntnis.
    (...)
    Deshalb messe ich dem nicht mehr Bedeutung bei, als wenn die Gravitationskonstante um 1/10.000 genauer vermessen wird.


    Gut, das wuerden vermutlich 75% der Weltbevoelkerung anders einschaetzen als Du. Die, die sich seit Jahrhtausenden der Macht des White Male unterordnen mussten.
    Damit meine ich jetzt nicht nur Sklav_Innen-Gesellschaften, sondern die Vorherrschaft des maennlich-weissen Denkens und der Strukturen in so ziemlich allen Bereichen des Lebens. Und damit einher gehend die Besetzung aller wichtiger Posten durch weisse Maenner.
    Woebi natuerlich die Unterdruekung in frueheren Zeiten weitaus offensichtlicher war. Und ich glaube, fuers Individuum macht es shcon einen riesigen Unterschied, inwieweit es ueber sein taegliches Leben entscheiden darf (und ob es das ueberhaupt darf). Kurz: Das find ich ist echt eine fatale Misinterpreation der geschichtlichen und individuellen Umstaende



    "Serrax" schrieb:


    Unsere ganze moderne Zivilisation hängt weltweit an deren Erkenntnissen.


    Ja, das hab ich auch nicht bestritten. Und natuerlich muessen die Geisteswwisenschaften die neuen Erkenntnisse einflechten. Aber: In dem Moment, in dem es um konkrete Anwendungen von technischen Errugnenschaften geht (z.B. Raumfahrt), steht schon die Frage von Nutzen etc. aufm Plan, die nicht den inneren Kern der NaWis darstellt, sondern immer nur im gesamtgesellschaftlichen Kontext zu erschliessen ist - und damit immer auf geisteswissenschaftliche Erkenntnisse Ruecksicht nehmen muss. Auch daher finde ich eine krasse Einteilung in NaWis und GeiWis etwas schwierig, da sie sich staendig irgendwie begleiten.
    Gerade die Frage: "was machen wir, wenn unsere natuerlichen Ressourcen sich dem Ende neigen?", lassen sich nicht nur mit naturwiss. Erkenntnissen loesen (es sei denn, irgendwer erfindet in den naechsten 10 Jahren nen Replikator). Statt dessen wird eine Verteilungsdebatte dringendst vonnoeten (ich verweise gerade mal auf den UN-Sonderberichterstatter, dessen Name mir entfallen ist: "Jedes Kind, das an Hunger stirbt, ist ein Mordopfer.") Auf diese Notwendigkeit von geisteswissenschaftlicher Bearbeitung von Weltfragen wollte ich mit meinen Beispielen hinaus.


    Natuerlich existieren die Geisteswissenschaften auch nicht nur fuer sich, sondern in einem ganz materiellen Rahmen, der eben auch die Naturwissenschaften einbeziehen muss. Ob sie dabei "hinterherhinken", finde ich sehr gewagt. Der Hirntod etwa - inwiefern soll da eine endgueltige Entscheidung gefaellt werden? Das sind letzten Endes Standpunktfragen, die immer in der Diskussion bleiben. Und das ist - mangels endgueltiger Erkenntnisse - auch gut so.
    Weitaus fataler finde ich die Annahme, dass der Menschen einfach ziellos durch die Gegend forschen solle, ohne Ruecksicht auf Verhaeltnisse oder Folgen. Ich z.B. bin keine Freund_In von Atomkraftwerken. Aus dem einfachen Grund, dass das Problem, "wohin mit dem Juell voll gefaehrlicher radioaktiver Strahlung?" immer noch nicht geloest ist. Deswegen fordere ich ja auch ein "Mehr" an Atomforschung, um dieses Problem zu ueberwinden. Allerdingss mit dem utopischen Wunsch, dass dies bei einer zivilen Nutzung bliebe.
    Gleichzeitig faende ich es allerdings noch besser, mehr an Energien zu forschen, deren Schaedlichkeit weit weniger klar ist als bei Atomenergie, vorzugsweise regenerativer Natur.


    "Serrax" schrieb:


    Nein. Alles was sich nicht asexuell oder eben sexuell fortpflanzen kann, ist in der biologischen Sackgasse.


    Aha. Biologie ist doch eine dieser "werturteilsfreien" Geschichten, oder? da, wo so ganz neutral an Sachen rangegangen wird und sowas. Gleichzeitig gibt es aber ein Urteil, was als "biologisch korrekt" angenommen wird und was nicht. Und das ist nur, was fortpflanzungsfaehig gilt. (ich glaube, es wird mal Zeit fuer eine Anti-biological-correctness-Gruppe)
    Die "Logik", auf die dies aufbaut, ist das Axiom von einer notwendigen Fortpflanzung. Mir ist bewusst, dass die Evolution statt gefunden hat. Und dass Sachen, die nicht funktionerten, ausgestorben sind. Aber macht sie dies deswegen "schlecht" oder "falsch"? Nein, sie wurden einfach nicht weiter beachtet.
    In frueheren Zeiten gab es noch einen notwendigen Ueberlebenskampf, so ka. Mit Mammutjagen und so. Damit auch Steinzeit-Siggi seine Gene weitergeben konnte, wonach die Gene bekanntlich streben.
    Heute haetten wir die technologischen Moeglichkeiten, dass keinerlei Ueberlebenskampf mehr notwendig waere (s. UN-Sonderberichterstatter). Wahrscheinlich wollen unsere Gene immer noch, dass wir sie weitergeben, und verdammt, mit ein bisschen mehr Fortschritt in der Gentechnologie waere sogar das moeglich. Und wem willst Du nun versagen, er duerfe seine Gene nciht weitergeben, weil er dazu "nicht geboren" sei? Ich keinem Menschen. Das wuerde ja den ganzen Fortschrittsgewinn voellig ueber den Haufen werfen.
    Achso: Ganz akut ist dieses Thema uebrigens bei Fans von "voelksichen" Weltanschauungen. Wer nicht in der Lage ist, Kinder zu zeugen, darf auch keine adoptieren.


    Aus dem selben Grund werde ich mich auch hueten, einem Menschen seine Geschlechtsidentitaet abzusprechen. Diese ist naemlich IMO immer zu grossen Teilen konstruiert. Und die meisten "Frauen", die als solche gross gezogen werden, werden mit der Erkenntnis der eigenen Unfruchtbarkeit vor eine quasi-unmoegliche Realitaet gestellt. Dabei ist die Unfruchtbarkeit gar nicht so ungewohnlich, sondern Realitaet fuer immerhin 10% aller Frauen. Dies wird jedoch eifnach nicht publik gemacht, sondern unter den Tisch gekehrt. Inwiefern sich die Person immer noch als wieblich empfindet, ist danach ganz individuell unterschiedlich.
    All dies deutet fuer mich darauf hin, dass die "Dualitaet der Geschlechter" ne soziale Konstruktion ist.


    Ciao
    Lumac

  • Universale Menschenrechte, Schwerkraft etc.:


    Lumac hat den Geltungsbereich der Schwerkraft und der Menschenrechte angesprochen, und Serrax meine vorher formulierte Aussage nun als Frage auf die Schwerkraft bezogen.
    Beide Aussagen hängen für mich immer noch an der Feststellung eines An-Sich von etwas, einer Annahme der Existenz einer absoluten Wirklichkeit.
    Bei der Frage nach dem 'gelten' von etwas - unabhängig davon, ob wir es nun auf die Schwerkraft oder die Menschenrechte beziehen - würde ich fragen: Was gilt?
    Ist eine absolute Wirklichkeit für uns beweisbar? Nur wenn sie beweisbar wäre, könnten wir formulieren, dass ein An-Sich der wie auch immer gearteten 'Menschenrechte' und der 'Schwerkraft' existieren würde. Ich glaube, die Schwierigkeit liegt nicht unbedingt unmittelbar bei der Frage: "Gilt die Schwerkraft, wenn niemand sie beobachtet?"(obwohl diese Frage letztendlich natürlich doch damit zu tun hat). Vorerst müsste festgestellt werden, ob überhaupt das Konstrukt 'Schwerkraft' tatsächlich das ist, was es in Wirklichkeit ist. Um das festzustellen, müsste es eine Objektivität von dem etwas geben, was wir mit dem Begriff 'Schwerkraft' bezeichnen. Dieses etwas wäre absolut in seinem Sein und deshalb für unsere Wahrnehmung nicht existent. Sobald von uns wahrgenommen, wäre es nicht mehr absolut, da unsere Wahrnehmung es in etwas transformiert, was sich 'unsere Wahrnehmung' nennt.
    Aber dieses etwas, das An-Sich existiert - ich möchte es nun einmal als absolute, oder wie wir ja schon eingeführt haben, 'universelle Schwerkraft', oder 'universelles Menschenrecht' bezeichnen -; woraus definiert es sich? Wie kann es beweisen, dass es da ist? Wenn es absolut ist, nur aus sich selbst heraus. In meiner Vorstellung (siehe wieder den berüchtigten Punkt 3 :wink: ), kann es sich aber nicht aus sich selbst heraus beweisen, da es bei diesem Beweis automatisch zu einem Paradoxon kommt.


    Biologiedebatte (ein besserer Name fällt mir jetzt nicht ein):


    Ich bin bisher in eure "Biologie-Debatte" ja noch nicht eingestiegen. Ich weiß nicht, ob jemand von euch Judith-Buttler kennt. Ihre Arbeiten wären zumindest für den Fragenkomplex "Mann-Frau-Konstruktionen" interessant.
    Ohne jetzt auf die von euch diskutierten Punkte im Einzelnen eingehen zu wollen, glaube ich, dass auch hier wieder ein Teil der Problematik darin begründet liegt, was als 'objektiv' zu betrachten ist.
    Wertneutralität in den Naturwissenschaften ist vermutlich einer der Gründe, weshalb sie unser heutiges Denken dominieren. Wissenschaft möchte wertneutral sein, könnte ich mir denken. Wertneutralität würde sich durch Objektivität ergeben, wenn ich das richtig sehe. Aber - um diese These auch hier anzuführen - ich sehe gerade hierin die Problematik, zu behaupten, die Naturwissenschaften wären objektiv. Im Grunde genommen bezöge sich das auf die selbe Ausgangsstellung, wie in der Problematik um eine 'absolute Wirklichkeit'.

  • Lumac :


    "Lumac" schrieb:

    Sehe ich mit reiner Logik keine Moeglichkeit zu. Das ist ein Axiom.


    Wie steht es mit der Tatsache, daß nur eine vernunftbefähigtes Wesen dieses Axiom überhaupt formulieren kann?


    "Lumac" schrieb:

    Ich tue mich jedoch immer noch schwer damit, erwachsenen Menschen, die anderen Leid zufuegen, dies mit ihrer Erziehung oder auch ihrer biologischen Disposition zu entschuldigen. Es gibt sehr viele Beispiele, in denen Menschen ihrem "Zwang" nicht erlegen sind. Aber um einen Freispruch von SChuld geht es hier vermutlich eh nicht.


    Ich bin da noch weit weniger tolerant - sofern dem "Täter" die "Regeln" bekannt sind. Denn dann ist es irrelevant, ob der "Täter" die Tat als verwerflich empfindet, oder nicht.


    "Lumac" schrieb:

    Und Tieren jedes Form von Bewusstsein abzusprechen ist auch eine kritische Sache. Wenn ich mir die Kommunikations- und Interaktionsfaehigkeiten von Delphinen anschaue, ist das etwas anderes als z.B das Verhalten von Ratten. Auch diverse Affen sind nun mWn durchaus in der Lage, von ihren Instinkten wegzukommen, wenn sie gelehrt wurden. Die Aussage "Das sind keine Menschen" legitimiert aber bequemerweise den Menschen in seiner Machtausuebung.


    Das ist richtig. Problematisch sind natürlich die Testparameter und die Vergleichs(un)möglichkeiten mit dem menschlichen Bewußtsein.


    Wobei ich persönlich jetzt nicht so sehr auf Delphine setzen würde - und unbedingt auf die meisten Menschenaffen.


    "Lumac" schrieb:

    Gut, das wuerden vermutlich 75% der Weltbevoelkerung anders einschaetzen als Du. Die, die sich seit Jahrhtausenden der Macht des White Male unterordnen mussten.


    Ah, Einspruch.


    1. Selbst heute sind weiße Menschen in der Minderheit - früher sogar noch weit stärker - die weiße Hautfarbe ist noch gar nicht so alt.
    2. Patriarchische Machtsystem sind seit vielen Jahrtausenden extremst verbreitet - überall auf der Welt, nicht nur der "weißen". Laut Wikipedia soll es überhaupt keine Matriarchate gegeben haben.


    "Lumac" schrieb:

    Damit meine ich jetzt nicht nur Sklav_Innen-Gesellschaften, sondern die Vorherrschaft des maennlich-weissen Denkens und der Strukturen in so ziemlich allen Bereichen des Lebens. Und damit einher gehend die Besetzung aller wichtiger Posten durch weisse Maenner.


    Was ist bitte "männlich-weißes Denken"?


    Das möchte ich doch bitte detailreich erklärt haben.


    "Lumac" schrieb:

    Woebi natuerlich die Unterdruekung in frueheren Zeiten weitaus offensichtlicher war. Und ich glaube, fuers Individuum macht es shcon einen riesigen Unterschied, inwieweit es ueber sein taegliches Leben entscheiden darf (und ob es das ueberhaupt darf). Kurz: Das find ich ist echt eine fatale Misinterpreation der geschichtlichen und individuellen Umstaende


    Kennst Du den Satz: "Die erbittersten Feinde der Freiheit sind die glücklichen Sklaven?" Man denke nur an die vielen Kopftuchträgerinnen in der Türkei.


    Und es ist ja nicht so, daß in neuerdings "befreiten" Ländern plötzlich Demokratie und Gleichberechtigung ausbricht.


    "Lumac" schrieb:

    Auf diese Notwendigkeit von geisteswissenschaftlicher Bearbeitung von Weltfragen wollte ich mit meinen Beispielen hinaus.


    Da stimme ich Dir auch voll zu. Alleine schon aufgrund meines Standpunktes, daß NaWi-Erkenntnisse neutral sind.


    Allerdings sind Erkenntnisse der NaWis - im Gegensatz zu denen der GeWis - von weit größeren Einfluß auf unsere Gesellschaft. Bzw. die größten Einflüsse der GeWis liegen eben schon in der Vergangenheit.

    "Lumac" schrieb:

    Die "Logik", auf die dies aufbaut, ist das Axiom von einer notwendigen Fortpflanzung. Mir ist bewusst, dass die Evolution statt gefunden hat. Und dass Sachen, die nicht funktionerten, ausgestorben sind. Aber macht sie dies deswegen "schlecht" oder "falsch"? Nein, sie wurden einfach nicht weiter beachtet.


    Sie waren "schlechter" als andere Lösungen. "Survival of the fittest" bedeutet genau das.


    "Lumac" schrieb:

    Und wem willst Du nun versagen, er duerfe seine Gene nciht weitergeben, weil er dazu "nicht geboren" sei?


    Stop.


    Das habe ich nie gesagt.


    Es ging mir um die Definition des "normalen" ausgehend von natürlichen Gesetzen.


    Es liegt mir fern, unfruchtbaren oder homosexuellen Menschen den Kinderwunsch zu versagen.



    Was mir allerdings gar nicht fern liegt ist, jenen Menschen den Nachwuchs zu versagen, falls der aufgrund der Umstände erhebliche biologisch Nachteile zu erwarten hat.


    Bestes Beispiel wäre dieses englische taub(stumm?)e Paar, welches per Selektion der Embryonen unbedingt eine taub(stumm?)es Kind zur Welt bringen will.


    Oder Mütter, die unbedingt mit 50 noch schwanger werden wollen.


    Oder beispielsweise auch Menschenklone - zumindest beim gegenwärtigen Stand der Technik.


    "Lumac" schrieb:

    Aus dem selben Grund werde ich mich auch hueten, einem Menschen seine Geschlechtsidentitaet abzusprechen. Diese ist naemlich IMO immer zu grossen Teilen konstruiert.


    Das behauptest Du - ich sehe das anders.


    "Lumac" schrieb:

    Und die meisten "Frauen", die als solche gross gezogen werden, werden mit der Erkenntnis der eigenen Unfruchtbarkeit vor eine quasi-unmoegliche Realitaet gestellt. Dabei ist die Unfruchtbarkeit gar nicht so ungewohnlich, sondern Realitaet fuer immerhin 10% aller Frauen. Dies wird jedoch eifnach nicht publik gemacht, sondern unter den Tisch gekehrt.


    Das bestreite ich nicht. Darüber hinaus dürfe vermutlich auch der Anteil der Homosexuellen konstant bleiben (sofern das tatsächlich genetisch bedingt ist, wie ich meine).


    Denn das "Überleben" der Gene ist schon ein klein wenig komplizierter. Trotzdem können unfruchtbare Menschen ihre Gene nicht zu 100% weitergeben. Sie können bestenfalls dafür sorgen, daß ein Teil ihrer Gene weiterlebt, wenn sie sich um den Nachwuchs von Verwandten kümmern.


    "Lumac" schrieb:

    All dies deutet fuer mich darauf hin, dass die "Dualitaet der Geschlechter" ne soziale Konstruktion ist.


    Das sehe ich ganz anders. Rollenbilder sind sicher zum größten Teil ein soziales Konstrukt.


    Das Geschlecht selbst aber nicht.


    cu

    343max: Ihr werdet euch noch wünschen wir wären Politikverdrossen!