[IP] Electric Dreams

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    Nachdem die Fahrt ruhig verlaufen ist, sind sie endlich an ihrem Ziel angekommen. Das schummerige Zwielicht der Straße machte es für Mike nicht gerade einfacher, eine ideale Schutzposition zu finden, mit der er sowohl Yu als auch Lak Deckung geben konnte. Gott sei Dank waren die Gebäude hier nicht so hoch, so dass es nur begrenzte Möglichkeiten Hinterhalte gab.


    Faziniert ließ der Troll sich aber einen Augenblick ablenken, als Dexter die Fassade erklomm - geschmeidig und dabei quasi völlig lautlos. Dann wandte er sich wieder der Straße zu und schaltete kurz auf IR-Sicht um. Wenn Wei erst vor kurzem hier angekommen war, dann müsste seine Maschine noch warm sein.

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    Mike wusste um das Einschüchterungspotential eines fast 3 Meter großen Trolls, daher wandte er sich an die anderen:
    "Ich weiß, dass ich hier unten als Wache ziemlich gut wäre, aber nei Wei könnte ich ganz sicher dafür sorgen, dass der Junge keine Dummheiten macht."


    Dann wandte er sich an Yu: "Bist du dir sicher, dass du mit nach oben kommen solltest? Ich bin mir nicht sicher, wie der Junge reagiert. Oder denkst du, du kannst ihn dazu bringen, dass er freiwillig mitkommt? Das würde die Chance auf Ärger minimieren."

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    Was hat die Javanische Regierung mit Nicoles Entführung zu tun? Oder arbeitet Isman Soedarno auf eingene Faust? In Thailand wäre dies durchaus wahrscheinlich und auf Java sicherlich auch. Oder ist alles ein Zufall?
    Als Buddhistin glaubt Lak nicht an Zufälle.
    Irgendwo gibt es einen Zusammenhang in diesem Puzzle, sie kann ihn nur noch nicht finden.


    Über kurz oder lang würde sie sich auf jeden Fall bei Mr Chan reinhacken müssen. Aber dies musste warten.


    Sie nickt Mike zu:
    „Gut, wenn du ihn zum Reden bringen kannst ... aber was mit ihm geschieht sollte nur Yu entscheiden. Das ist eine Angelegenheit der Waves.“

    Charaktere können auch nach der Charaktererschaffung schwanger werden, allerdings erhalten sie dadurch keinen Karmabonus.
    (Schattenhandbuch 2, Seite 165)

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    "Is klar - er wird es unbeschadet überstehen." Mit diesen Worten machte sich Mike auf, um Wei zu holen. Die Bausubstanz des Hauses war wohl etwas älter und auch von Ausbesserungsarbeiten hielt der Besitzer wohl nicht viel. Die Haustür schien zwar mal ein elektronisches Schloss gehabt zu haben, aber das funktionierte schon eine Weile nicht mehr. Das rein mechanische Äquivalent war zwar sinnvoll und funktionstüchtig, aber ein vorsichtoger Ruck mit der Schulter des Trolls genügte, dass die Tür aufsprang. Drinnen herrschte ein ähnlich schummereige Zwielicht wie draußen, auch wenn die Cyberaugen dies gut kompensieren konnten. Die Enge des Treppenhauses bewog Mike dazu, die Predator im Halfter zu lassen - sie würde sowieso nur von begrenztem Nutzen sein und etwaige Hausbewohner nur unnötig verschrecken. So versuchte er leise die treppen zu erklimmen und stand kurze Zeit später vor der Tür, die zur Wohnung von Weis Schwester führen musste. Die graue Plastfläche war vollkommen schmucklos, sah aber recht solide aus. Die Tür besaß sogar ein Magschloss, auch wenn es nicht allzu modern zu sein schien. Er sandte Lak eine kurze Aufnahme der Tür sowie eine Nachricht:
    Hoi Lak. Kennst du dich mit sowas aus? Wenn ja, könntest du die Tür für uns knacken? Sonst versuch ichs mit Gewalt, was ich aber vermeiden wöllte.

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    "Ich könnte das Schloss manuell öffnen - wenn ich das richtige Werkzeug hätte. Khoo-thoot ka. Aber vielleicht gehts auch über WiFi."
    Lak scannt nach der Signatur des Magschlossen und tatsächlich ist in dieser technikbegeisterten Stadt auch Wei's Magschloss an die Matrix angeschlossen. Die Firewall ist gar nicht mal schlecht aber keine Herrausforderung für Lak's magisch verbesserte Hackingfertigkeit.


    Es klickt leise und die kleine chinesische Anzeige am Schloss leuchtet nun grün statt rot auf.


    "OK, die Tür ist offen!"Lak atmet tief ein und zieht ihre Ares Viper. Der Geist bleibt im Astralraum verborgen.

    Charaktere können auch nach der Charaktererschaffung schwanger werden, allerdings erhalten sie dadurch keinen Karmabonus.
    (Schattenhandbuch 2, Seite 165)

  • -362-



    @Lak und Mike:


    Die Tür geht auf. Im Inneren des Raumes, in den die Tür hineinführt, ist es nicht wesentlicher heller als im Flur. Vom weiteren Inneren der Wohnung fällt ein Lichtschimmer durch eine offen stehende Tür seitlich in den Raum hinein und bildet die Kontraste alter Möbelstücke und einiger Vasen heraus. Im Türrahmen der anderen Tür steht eine Gestalt, in der Bewegung erstarrt. Der Mann ist vielleicht so alt wie Yu, sein schwarzes Haar hängt ihm wirr über das völlig verschwitzte Gesicht, welches Zorn, Angst und Unsicherheit zu gleich auszudrücken scheint. Der Mann hat die Schultern zusammengezogen, so dass die zerschlissene Panzerweste etwas nach oben gerutscht ist. In seiner verkrampften Rechten hält er eine Pistole, doch sein Arm zittert. Er schaut euch an; zuerst Mike, der fast den ganzen Eingangsbereich einnimmt, dann Lak, die hinter Mike nur als Schemen sichtbar ist.

  • -362-


    Ok Mike, tief durchatmen. Vielleicht kommen wir aus der Nummer ohne Blutvergießen raus!


    Wei sah verstört aus. Verstört genug, um irgendwelche Dummheiten zu machen. Das Adrenalin pulsierte zwar durch Mikes Körper, ausgeschüttet von seinem Reflexbooster, aber ein reflexartiger Schuss würde die Situation wohl nur verschlimmern.


    Der Troll hob die Hände, um Wei zu zeigen, dass sie leer waren, dann fing er an zu sprechen:


    "Hallo. Du musst Wei sein. Ich weiß, von eine Troll hört sich so etwas immer komisch an, aber ich will dir nichts tun. Ich brauche nur ein paar Antworten."
    Hoffentlich macht der Junge keine Dummheiten! dachte sich Mike, während er seine Muskeln anspannte, um auf alles vorbereitet zu sein um im Notfall die Distanz zwischen ihnen beiden schnell überrücken zu können.

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    Als Mike die Hände hebt, um anzuzeigen, dass sie leer sind, sieht es für einen Herzschlag lang so aus, als würde Wei nun vollends die Fassung verlieren und abdrücken; doch er tut es nicht.


    "Hallo. Du musst Wei sein. Ich weiß, von eine Troll hört sich so etwas immer komisch an, aber ich will dir nichts tun. Ich brauche nur ein paar Antworten."


    Wei zittert, stärker noch als zuvor. Mehrmals setzt er zum Sprechen an - der Wille zu antworten, scheint in ihm vorhanden - doch er bringt kein Wort heraus. Erst als er kurz den blick senkt, alle Konzentration sammelt, gelingt es ihm zu sprechen. Seine Stimme zittert ebenfalls, er ist nur schwer zu verstehen, da er zudem sehr leise spricht.


    "Ich hatte nicht euch erwartet... Ich... ich ... wollte nicht... Yu sollte nicht sein Gesicht verlieren... aber... aber ... sie haben sie, weißt du? Sie haben sie mitgenommen und ich hatte keine andere Wahl... meine Schwester... ."

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    Familie als Druckhebel. Das übliche also. ging es Mike durch den Kopf, als ihm ein kleiner Seufzer entwich.


    "Ok, ich bin kein Asiate, deswegen habe ich da manchmal etwas andere Ansichten, aber ich zumindest kann deine Zwickmühle verstehen. Trotzdem brauchen wir antworten - wer hat sie entführt? Sind das die selben Leute, die Yu ausschalten wollten? Und uns auch? Wenn ja, ziehen wir am selben Strang - wenn wir ihnen zuvorkommen können, kriegst du deine Schwester auch wohlbehalten zurück. Yu macht sich natürlich Sorge um die Waves. Er wartet unten. Wenn es dir recht ist, sage ich ihm Bescheid, dass er raufkommen soll, dann können wir in Ruhe reden. Uns ist auch sicher niemand hierher gefolgt."


    Er hofft, dass die Angst und die Verzweiflung des Jungen nicht stärker sind als seine Vernunft. Und hoffentlich verbaut er mit seinem "nur ja nicht das gesicht verlieren"-Zeugs nicht den Weg. Sonst rückt er die Infos auf die harte Tour raus.

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    Wei nickt, obwohl nicht zu erkennen ist, ob es als Bestätigung des Gesagten gemeint ist. Nach einem kurzen Moment der Stille, fängt er wieder an zu sprechen.


    "Triaden... sie kommen hierher, müssten jeden Moment da sein... sie bringen meine Schwester, aber ich habe versagt... in beidem."


    Er legt wieder eine Pause ein. Seine Brust hebt und senkt sich sichtbar als er tief ein- und ausatmet.
    Sein Blick richtet sich wieder auf Mike.


    "Was soll ich tun?"


    Reifengequietsche ist zu hören, doch es kann nicht von der Frontseite aus kommen, denn dort haben Yu und die anderen schließlich alles abgesichert.
    Weis Kopf dreht sich zur Seite, blickt in das Zimmer, aus dem das Licht kommt; ein Zimmer, welches vermutlich den Blick auf einen Hinterhof freigibt.


    Sein Gesicht zeigt Angst.

  • -367-


    "Was soll ich tun?"


    Mike hört das Geräusch quietschender Reifen, woraufhin er sofort eine Nachricht an die anderen schickt:
    Es sieht so aus, als ob wir gleich Besuch bekommen - Triaden, wie zu vermuten ist. Sie haben Weis Schwester dabei. Andere Hausseite.


    Dann wendet er sich dem verängstigten Wei zu:
    "Wir können hier auf die Typen warten - sie rechnen nicht mit uns, was uns einen Vorteil verschafft. Ich denke, wir könnten deine Schwester befreien - aber was ihr danach macht, kann ich euch nicht sagen - dazu reichen meine Kenntnisse Hong Kongs nicht aus." Nach einer kurzen Pause spricht Mike weiter:
    "Ich würde jetzt meine Pistole bereitmachen - für die Triaden. Also bitte keine Panikreaktionen. Alternativ können wir versuchen zu fliehen. Ich nehme aber an, dass dies für deine Schwester nicht gut wäre. Ich hoffe aber erstmal, dass an deiner Schwester vor deinen Augen ein Exempel statuieren wollen."


    Er wusste, dass besonders der letze Satz sehr hart klang - aber dies würde bedeuten, dass die Kleine noch lebt. Und ihnen zusammen mit dem Überraschunsmoment einen kleinen Vorteil verschaffen. Leider würden sie damit auch ein Problem mit den Triaden bekommen.

  • -368-


    Wei nickt, diesmal als Bestätigung. Er steckt die Waffe weg und nähert sich Mike und Lak.


    "Ich muss versuchen, meine Schwester da raus zu holen. Flucht kommt für mich nicht in Frage."


    Antwortet er Mike, als dieser direkt vor ihm steht. Mike kann kein Selbstbewusstsein in Weis Tonfall und Verhalten erkennen, nur die glühenden Augen einer auferlegten Pflicht, mit sich selbst und vermutlich auch den Waves, wieder ins Reine zu kommen.

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    Lak huscht an Mike vorbei, wobei sie Wei kurz zunickt – besser im Zimmer verstecken als auf der Treppe die Zielscheibe abgeben.


    Sie sendet eine AR-Nachricht an Yu und den Rest der Runner auf der Straße: „Unsere Besucher lassen sicher Wei’s Schwester im Auto. Sobald sich die Gruppe trennt müsst ihr sie aus dem Wagen befreien. Wenn sie sich nicht trennen können wir sie immerhin in die Zange nehmen.“

    Charaktere können auch nach der Charaktererschaffung schwanger werden, allerdings erhalten sie dadurch keinen Karmabonus.
    (Schattenhandbuch 2, Seite 165)

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    "Ich muss versuchen, meine Schwester da raus zu holen. Flucht kommt für mich nicht in Frage."


    "Aye! Blut ist dicker als Wasser!"


    Während Lak an ihm vorbeihuscht, schaut sich Mike nach einer Gelegenheit um, um möglichst unbemerkt zu bleiben, wenn die Triaden erscheinen. Bei dem Gedanken, das Wei dabei so eine Art Lockvogel spielen muss, ist ihm allerdings alles andere als wohl.


    "Lak, du hast doch vorhin so einen Geist erwähnt. Es wäre besser, wenn der sich in Bereitschaft hält. Und halt ansonsten den Kopf unten, egal was passiert!"


    Die Predator in seiner Hand fühlt sich gut an, sie gibt ihm wenigsten ein klein wenig das Gefühl, die Situation unter Kontrolle zu haben.

  • -371-


    Mike meint ein kurzes Flimmern in der Luft zu sehen in der auch ein leichter Jasminduft liegt.

    "Keine Sorge. Die Kraft der heiligen Blume ist mit uns. Soll sie uns verbergen, so das nur Wei hierzusein scheint? Vielleicht kann er den Gangstern Informationen entlocken? Entscheide schnell."

    Charaktere können auch nach der Charaktererschaffung schwanger werden, allerdings erhalten sie dadurch keinen Karmabonus.
    (Schattenhandbuch 2, Seite 165)

  • -372-


    "Das wäre natürlich ganz super. Ihr Magier fasziniert mich immer wieder. Hilft es, wenn ich mich trotzdem versuche, mich hier im Raum zu verstecken?"


    Er war erstaunt, denn an diese Möglichkeit hatte er in keinster Weise gedacht. Ohne Laks Antwort abzuwarten, begab er sich in eine Ecke des Raumes, die ihm zwar Übersicht bot, jedoch abgelegen genug war, dass so schnell niemand direkt an ihn herantreten würde. Dabei stellte er die Möbel so um, dass nichts Schweres seinen Weg zu Wei versperrte, falls er ihn beschützen musste.


    Hoffentlich haben sie keinen Magier dabei, dann sind wir alle im Arsch. ging es ihm durch den Kopf.

  • -374-


    Craokers Astralleib gleitet durch die grauen Schemen der Gebäudestruktur, bis er auf der anderen Seite wieder heraus tritt. Es ist ein dunkler Hinterhof, zugestellt mit alten Containern und spröden, vor Müll überquellenden Plastikboxen. Eine Gasse mündet in den Hof, gerade breit genug, um einen größeren Wagen durchzulassen. Mit abgestellten Scheinwerfern steht das Fahrzeug gerade so tief im Hinterhof, damit seine Insassen aussteigen können. Als sich die Türen öffnen, erkennt Craoker mehrere Männer, allesamt bewaffnet. Sie teilen sich in zwei Dreiergruppen auf, von denen eine im Hinterhof zurückbleibt.


    "Bewacht das Mädchen. Wir gehen hoch und schnappen uns Wei, damit die ganze Aktion wenigstens ein bisschen Profit abwirft."


    Sagt einer der Männer zu der Gruppe, welche zurückbleiben soll. Die anderen drei Chinesen durchqueren schnellen Schrittes den Hinterhof und gelangen dann durch die Hinterhoftür in das Gebäudeinnere. Es ist nicht zu verkennen, dass sie es sehr eilig haben.