[IP] Electric Dreams

  • -349-


    Simon :


    Erneut bleibt Feysal so lange still, bis Simon geendet hat - keine Zwischenfrage und kein Einwurf unterbrechen die Ausführungen des Runners. Als Feysal schließlich antwortet klingt seine Stimme noch immer völlig neutral und emotionslos - das perfekte auditive Pokerface, geht es Simon, welcher darin viele seiner eigenen Eigenschaften wiedererkennt, durch den Kopf.


    "Das verstehe ich. Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Melden Sie sich wieder bei mir, wenn Sie die besagten Insider-Informationen in Ihrem Besitz haben. Ich denke, erst dann besitzen wir eine ausreichende Verhandlungsbasis, um Geschäfte tätigen zu können. Mehr kann ich Ihnen leider nicht anbieten."

  • -350-


    @Lak, Hakim, Simon und Mike:


    Es ist bereits Nachmittags als Hakim den Bus erneut in die ruhige, trostlose Seitenstraße hinein steuert, in der sich der Eingang zur Schule befindet. Mittlerweile hat die Temperatur im Sprawl die 35Grad-Marke überschritten und selbst bei offenen Fenstern staut sich die warme Luft im Inneren des Busses und lässt euch schwer durchatmen.
    Als ihr hinaus blickt scheint die Straße unverändert. Eine streunende, hagere Katze schleift sich auf der Suche nach dem nächsten, kühlenden Schatten über den Staub des Weges, während der Eingang zur Schule immer noch alt und verlassen wirkt. Aus einem sicheren Fach packt Lak ihre Fly-Spy-Drohne aus und stellt über ein AR-Fenster eine Verbindung her, welche sie an die Kommlinks ihrer Teamkollegen koppelt, damit diese ebenso sehen und hören können, was die kleine Drohne sendet, wie sie selbst. Mit einem Nicken zeigt sie schließlich an, dass sie bereit ist und lässt die Drohne aus dem Seitenfenster, vorbei an Simons Kopf, in die nachmittagliche Sprawl-Hitze aufsteigen. Schnelle gewinnt das kleine, mechanische Insekt an Flughöhe, während der Autopilot die Steuerungssoftware auf die mageren Seitenwinde einstellt. Mit filigranen Flugbewegungen setzt die Fly-Spy über die Mauerabdeckung aus roten, brüchigen Ziegeln hinweg, passiert den Quereingang zwischen den beiden, ebenfalls mit Ziegeln gedeckten Hauptgebäuden und läst sich dann auf einem Baum im Innenhof nieder. Der Innenhof sieht jenem auf Indras Holobild zum Verwechseln ähnlich. In seinem Zentrum erstreckt sich eine vielleicht 30qm messende Fläche aus massiven, alten Steinfliesen, welche von einem Rechteck aus Säulen umgeben sind, die als Stütze für die überdachten Quergänge dienen. An der Nordseite des Hofes, dem Eingang gegenüberliegend, befinde sich ein größeres Tor, welches anscheinend zu einer direkt an die Schule angrenzenden Werkstatt- oder Lagerhalle gehört. Da das Tor vorerst am interessantesten wirkt, lässt Lak die kleine Drohne wieder aufsteigen und darauf zuhalten. Nach einer Observationsrunde aus größerer Höhe steuert die Asiatin die Fly-Spy in Bodenhöhe auf die Halle zu und lässt sie auf einer Blechtonne in der Nähe des Tores landen, von der aus sie eine bessere Sicht in das Halleninnere hat. Und siehe da - sie wird auch sogleich fündig. Neben alten Werkbänken, Ersatzteilen und ausgeschlachteten Motorrädern steht im Zentrum der Halle ein fahrbereiter Transporter mit geschlossener Ladenfläche, vor dem sich eine Gruppe von Personen postiert hat. Sechs dieser Personen gehören eindeutig zur Schule, was an ihren schlichten, orangenen Trainingsanzügen zu erkennen ist. Eine ältere, männliche Person - den Blüten an seinem Gürtel zu urteilen einer der Trainer - steht am Kopfe dieser Gruppe und unterhält sich mit zwei weiteren, kräftig gebauten Einheimischen, welche Straßenkleidung tragen. Von ihren Anfangserfolgen beflügelt geht Lak das Risiko ein und lässt die Drohne weiter vorstoßen, um das Gespräch zu belauschen. Unbemerkt gleitet das mechanische Insekt in den Schatten der Halle und lässt sich auf einer der Werkbänke, vielleicht 3m von den sprechenden Personen entfernt, nieder.


    Trainer: "Das müssten jetzt alle sein. Wann geht es denn los?"


    Einheimischer in Straßenkleidung: "Das steht noch nicht genau fest. Vermutlich, wenn alle da sind. Es wurde auf jeden Fall bereits alles für die große Zeremonie aufgebaut. Die Musiker und Hofdiener sind bereits vor Ort, so wie auch ein Großteil der Schüler. Wie bereits gesagt: Das hier ist die letzte Fuhre."


    Der Trainer nickt andächtig.


    Trainer: "Möge das alte Java wieder auferstehen."


    Dann deutet der Mann den Schülern mit einer Handbewegung an, in den Transporter zu steigen, was diese auch ohne Widerworte und ohne zu zögern hinter sich bringen.

  • -351-
    @Telefonat


    Simon schweigt einen Moment um nachzudenken. Zum Glück wirkt Feysal nicht nicht sonderlich ungeduldig, was ihn in Simons Augen schon einmal auszeichnet. Er weiß nicht viel über den Mann, aber bisher wirkt er vor allem... besonnen. Und sachlich. Beides sind Dinge, die er in den Schatten sehr schätzt. In seinen Augen ist das eine Welt in der Hitzköpfe und Idioten nichts verloren haben. In gewisser Weise freut es ihn auch einfach, dass Ares anscheinend jemand passendes in dieser Gegend gefunden hat. Leider fehlt für solche Dinge schließlich manchmal auch schlicht das passende Personal...
    "Mr. Feysal, ich verstehe dass Sie in dieser Sache vorsichtig sein müssen. Trotzdem ist das offen gestanden nichts mit dem ich jetzt weiter arbeiten kann... Sehen Sie, wir hängen hier in einer Situation für die wir allein nicht die passenden Optionen haben. Wir müssen uns also nach anderen Möglichkeiten umsehen. Zur Zeit fehlt uns ein klein wenig Planungssicherheit...
    Mir ist klar, dass Sie -falls Sie wissen wovon ich hier spreche- dies ungern zugeben werden wollen. Aber gesetzt wir können Ihnen detaillierte Informationen über eine vorhandene Bedrohung liefern... Wäre davon auszugehen, dass Sie auf dieser Grundlage Maßnahmen dagegen ergreifen würden? Wie gesagt - wenn diese Sache sich weiter entwickelt könnte sie die ganze Region betreffen. Und es ist eine magische Bedrohung. Wenn ich da an die magische Fakultät an der UI denke, könnte ich mir vorstellen, dass diese besonders gefährdet ist. Auch wenn dies bisher Spekulation ist. Es erscheint mir aber gut möglich zu sein.
    Zurück zur Frage kommend: ist es wahrscheinlich, dass Sie dagegen handeln würden? Sollte das nicht der Fall sein, dann müssen wir nicht wieder miteinander sprechen, denke ich... In dem Fall müssen wir uns anderen Optionen umsehen. Die vielleicht nicht glücklich damit sein würden, dass wir Informationen an Leute weitergegeben haben, die damit nicht mal etwas anfangen wollen... Mitwisser die nichts beitragen sind nunmal... ein Risiko.
    Und bedenken Sie dabei, dass wir eventuell keine harten Beweise liefern werden können - man wird uns wohl kaum eine beglaubigte Absichtserklärung unterschreiben. 'Beweise' wären also ein Glückstreffer...
    Sollten Sie dagegen immer noch keine Idee haben wovon ich spreche, könnte ich mir vorstellen Ihnen einige allgemeine Informationen umsonst zu geben, damit Sie sich danach umhören können... In dem Fall müsste ich Sie aber bitten besonnen und vorsichtig vorzugehen..."

  • -352-


    Simon :


    "Sie sehen, dass ich mich in einer ähnlichen Lage befinde, wie Sie selbst. Letztendlich bin ich schließlich nicht der Entscheidungsträger, der Ihnen diese Frage beantworten kann. Meine Aufgabe ist es, Informationen zu sammeln und diese an die richtigen Stellen weiter zu leiten. Je stichhatliger und detaillierter diese Informationen sind, desto eher wird man sie sich zu Gemüte führen. Aber ich bin ganz ehrlich zu Ihnen: Eine direkte Hilfe, im Sinne von Einsatzkräften, dürfte als eher unwahrscheinlich gelten. Man würde sich vermutlich vorerst auf den Schutz der Universität konzentrieren und, nach einer entsprechend langwierigen Planungsphase, das javanische Militär informieren. Eine militärische Aktion außerhalb von Konzerngebiet, ohne Zustimmung des Militärs durchzuführen, ist ohnehin ein Ding der Unmöglichkeit. Ich hoffe, Sie wissen diese Information zu schätzen, denn ich bin jetzt schon offener zu Ihnen gewesen, als ich es gewönlich für nötig erachte."

  • -353-

    "Mr. Faysal, ich danke Ihnen für die offene Einschätzung der Situation auf Ihrer Seite. Ich denke unter diesen Umständen werde ich erneut auf Sie zukommen, falls ich zu späterem Zeitpunkt nähere Informationen anzubieten habe.
    Ich hoffe ich muss Sie nicht bitten, dieses Gespräch so weit wie eben möglich vertraulich zu behandeln... Insbesondere die Möglichkeit an Insider-Wissen heranzukommen hängt nunmal stark davon ab, dass die richtigen Leute keinen Verdacht schöpfen."

    Simon hat keinen Grund davon auszugehen, dass ausgerechnet Ares von dieser Sekte unterwandert ist. Doch insbesondere weil er dieses Gespräch nur mit Laks Wissen führt fühlt er sich in gewisser Weise verpflichtet diesen Hinweis nochmal zu tätigen.
    "Ich nehme an, ich kann Sie später unter der gleichen Nummer wieder erreichen?"

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    Simon :


    "Wegen der Vertraulichkeit brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Es tut mir Leid, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen konnte. Sollten Sie aber weitere Informationen in Ihren Besitz bringen können, dann können Sie mich jederzeit unter dieser Nummer erreichen.
    Möge Allah Sie schützen."


    Mit diesem letzten Satz beendet Feysal das Gespräch und trennt die Verbindung.

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    Nach dem Gespräch geht Simon dessen Aufzeichnung noch einmal in Ruhe durch, bevor er sie verschlüsselt unter einem nichtssagendem Namen in den Weiten seines Komlinks ablegt. Eine Kopie sendet er an Lak. Erst überlegt er, seinen Agenten anzuweisen, die Datei im Falle eines aufgespürten Eindringlings unverzüglich zu löschen, doch andererseits kann sowas auch wie ein Leuchtfeuer wirken. Hat es sich gelohnt? Im Großen und Ganzen schon, entscheidet Simon sich. Natürlich war die klare Aussage, dass Ares in dieser Gegend Zurückhaltung üben würde ärgerlich... Aber immerhin dürften sie einen recht sicheren Draht zum örtlichen Militär haben. Und eine andere Aussage ohne sehr gute Gründe zu treffen wäre auch... unglaubwürdig... gewesen.
    Immerhin hat er einen Kontakt hergestellt und konnte sich ein Bild von diesem Feysal machen - oder zumindest der Art, wie er wahrgenommen werden möchte. Und schwierige Entscheidungen werden in AAAs nunmal meist nicht von Einzelnen zwischen Tür und Angel entschieden, sondern erfordern eine Menge Absicherungen und Taktieren, um am Ende nicht bei Fehlschlägen als Schuldiger darzustehen. *Rechtzeitig* ein Bewusstsein für das Problem oder diesem Team als Faktor zu schaffen hält Simon deshalb absolut für richtig. Insgesamt ist er recht zufrieden für einen ersten Kontakt.
    Trotzdem ist ihm auch aufgefallen, wie wenig konkretes, verhandelbares sich bisher eigentlich in ihren Händen befindet... In seinem Kopf schwirrt ein wilder Berg von Eindrücken, Erkenntnissen, Vermutungen, Namen und Orten, aber wenig ist richtig strukturiert. Und gerade die magischen Aspekte kann er kaum selbst richtig begreifen oder erklären.
    Aus dieser Erkenntnis heraus bittet er den Schamanen in einer kurzen Nachricht, dessen Erkenntnisse einmal sauber schriftlich zusammenzufassen. Glücklicherweise stimmt dieser ohne weiteres zu und bittet nur darum, dass Lak den Dateitransfer überwacht. Eine ganz und gar angebrachte Forderung in Simons Augen, der diese auch sofort zustimmt.


    Als die beiden endlich zurück zum Rest kommen, hat sich die Idee, noch einmal die Schule zu inspizieren durchgesetzt. Da es keine weiteren Einwände gibt, ist die Gruppe einige Zeit später wieder unterwegs. Erst im Auto fällt Simon auf, dass ihm vor kurzem noch der Sinn nach einem ordentlichen Schluck gestanden hatte. Aber irgendwie war das ganz von selbst vorbeigegangen... Nicht einmal nach diesem anstrengenden Gespräch mit Feysal hatte er den Drang verspürt seine Nerven ein wenig zu beruhigen. Unauffällig streckt er seine Hand aus und mustert sie, wie sie dort völlig ruhig und kontrolliert vor ihm 'schwebt'. Wie lange mag das halten?
    Die Fahrt zur Schule zieht sich dahin und irgendwann meldet sich Croaker, dass seine Zusammenfassung fertig gestellt sei. Nachdem Lak sie 'abgeholt' hat, verteilt sie das Dokument an das restliche Team. Simon jedenfalls läuft es beim Lesen kalt den Rücken herunter.
    Erneut schickt er Lak eine kurze Nachricht: "Croaker erwähnt hier weder Namen noch Orte, sondern liefert nur eine genauere Beschreibung der Gefahr... Vielleicht sollten wir dieses Dokument noch weiterreichen? Falls sie schon davon wissen könnte es unsere Glaubwürdigkeit erhöhen, andernfalls sollten sie dringend erfahren, womit es diese Region bald zu tun bekommen könnte..."

  • -356-

    <Tja Namen und Orte spielen in Croakers Welt nicht dieselbe Rolle wie in der realen Welt. Und ich denke du hast durchaus etwas bei Ares erreicht. Zumindest halten sie dich nicht für einen Spinner und werden sicher Nachforschungen anstellen. Nachforschungen die Sartosa nervös machen und seine Pläne stören könnten. Vertrau auf unser Glück Simon.>


    Was bleibt uns sonst übrig, denkt Lak als sie die Antwortmail an Simon schickt. In was hat sie ihren Freund aus Seattle nur hineingezogen? Doch Simon scheint sich genau zur rechten Zeit am rechten Ort zu fühlen. Auch Hakim, dessen ganze Familie in Gefahr gebracht wurde und Mike scheinen trotz der ungeheuren Aufgabe zuversichtlich zu sein. Wenn das kein gutes Zeichen ist?


    Und Zuversicht können sie wirklich brauchen. Alle schweigen angespannt als die FlySpy Drohne das Gespräch in der Schule überträgt.
    Ein ist klar, sie müssen den Van aufhalten. Die Geister mögen uns beschützen!
    "Ich kann den Van durch meinen Phi Nam stoppen. Aber dann müssen wir schnell sein. Wir haben nur die Petit Brume-Granaten und unsere Handwaffen. Und den Überraschungseffekt."

    Dabei kommt ihr dieser Satz des Obercylonen in dem alten SiFi-Film in den Sinn: "Wieso sind unsere Jäger vernichtet, Zenturio? Es war doch ein Überraschungsangriff? - "Ja aber offensichtlich waren sie nicht so überrascht wie wir gehofft hatten."

    Charaktere können auch nach der Charaktererschaffung schwanger werden, allerdings erhalten sie dadurch keinen Karmabonus.
    (Schattenhandbuch 2, Seite 165)

  • -357-


    Mist! Schon wieder die falschen Klamotten eingepackt. denkt sich Mike, als die Beschattungsaktion spontan in einen Überfall abzudriften scheint.


    "Das mit den Handwaffen ist so nicht ganz richtig ..." erwidert er zu der kleinen Thai und holt aus einer der Kisten unter dem Sitz seine AK heraus, die er noch einmal schnell mit einem Grinsen auf dem Gesicht überprüft.
    "Wir haben mal wieder nicht die richtige Panzerung an, aber unsere Ausrüstung ist noch da."


    Der Gedanke, den Bus von Sartosa Leuten aufzubringen war ihm auch schon gekommen. Schon weil es danach klang, als würden diese Leute zu einem wichtigen Ritual fahren, was ohne sie vielleicht verzögert würde.


    "Dann schick mal deinen Geist. Ich hoffe, der kann den Van der Typen unauffällig zum anhalten bringen. Dann können wir so tun, als ob wir hilfsbereite Leute wären, uns denen nähern und sie dann ausschalten! Oder ich werfe einfach ein oder zwei Schockgranaten in den Van ..."


    Die letzte Idee gefällt ihm zunehmend besser. recht geringes Risiko, nicht zu auffällig und wenn es schiefging dann konnten sie immer noch auf die normalen Waffen zurückgreifen. Er suchte also aus einer weiteren Kiste zwei Schockgranaten heraus, überlegte dann kurz und packte lieber noch eine HE-Granate in die Tasche. Schlußendlich checkte er noch kurz die Predator und ließ den Sporn kurz aus- und wieder einfahren. Alles schien einwandfrei zu funktionieren und er fühlte sich vorbereitet, so gut es ebend ging.
    Hoffentlich kommen nicht wieder solche heftigen Geister. Das wäre dumm.


    Der Gedanke brachte ihn aber auch auf eine Idee:
    "Sag mal Lak, hast du eine Möglichkeit, Croaker eine Art Boten zu schicken, der ihn astral hierherholen kann? Falls da wieder solche Schattentypen auftauchen, wäre er wahrscheinlich eine große Hilfe?"

  • -358-


    "Die Sache mit den Schockgranaten ist eine gute Idee. Haben wir ja bei unserem Run in Hongkong gelernt."


    Lak schließt kurz die Augen und murmelt irgend etwas leise auf Sanskrit. Vor ihr erscheint aus dem nichts ein halbtransparenter kleiner Vogel mit buntem Gefider.
    "Croaker yu ti nai ka? Dtoong-gaan kwaam!"
    Der Vogel verschwindet so schnell wie er gekommen ist.


    "Keine Angst, der Watcher versteht auch Englisch. Die Sprache der Magie ist universell", wendet sich Lak lächelnd an das Team.

    Charaktere können auch nach der Charaktererschaffung schwanger werden, allerdings erhalten sie dadurch keinen Karmabonus.
    (Schattenhandbuch 2, Seite 165)

  • -359-


    Auf der Fahrt:

    <Tja Namen und Orte spielen in Croakers Welt nicht dieselbe Rolle wie in der realen Welt. Und ich denke du hast durchaus etwas bei Ares erreicht. Zumindest halten sie dich nicht für einen Spinner und werden sicher Nachforschungen anstellen. Nachforschungen die Sartosa nervös machen und seine Pläne stören könnten. Vertrau auf unser Glück Simon.>

    Genau deshalb würde ich ihnen dieses Dokument gern noch zukommen lassen... Falls sie selbst noch keine so genauen Erkenntnisse dazu haben könnte die Brisanz des ganzen vielleicht... einige Dinge beschleunigen. Außerdem wäre es bei den möglichen Folgen schon fast unverantwortlich, so eine Zusammenfassung für uns zu behalten oder? Vielleicht kann das Menschenleben retten, weil die richtigen Vorbereitungen getroffen werden können?
    Also... Würdest du für mich nochmal eine Nachricht sicher verschicken?


    Später:

    "Stopp: was ist unser Ziel? Wollen wir Gefangene machen oder die Truppe komplett... ausschalten? Wir wissen ja nicht mal, wo sie hinfahren wollen. Das herauszubekommen wäre vielleicht hilfreich. Aber was machen wir dann mit ihnen? Wenn sie in ner halben Stunde wieder fit sind haben wir auch nicht viel erreicht - falls sie denn wichtig sind..."

    Während er spricht greift Simon sich aus einer anderen Kiste die AK-97 MP, dazu je zwei Magazine mit Gel und scharfer Munition. Fragend blickt er in die Runde. Was darfs sein?
    Routiniert prüft er die beweglichen Teile der Waffe sowie die Funktion der Smart-Verbindung. Unzufrieden erinnert er sich, noch immer keine Gelegenheit gehabt zu haben, mit der Waffe zu schießen und die Smart-Einstellungen zu kontrollieren beziehungsweise ordentlich zu justieren. Immerhin scheinen sie hier nur auf kurze Entfernungen feuern zu müssen, wo die Genauigkeit nicht zu wichtig werden sollte.
    Genau wie Mike bereut Simon, nicht den zusätzlich gepanzerten Tarnanzug zu tragen, aber zumindest trägt er unter seinem Anzug eine schusssichere Weste. Am liebsten würde er das Jacket ausziehen, doch leider mangelt es ihm an anderen Taschen. So landet die verbliebene Schock- und eine Thermorauchgranate links, dieses 'Geisterabwehr'-Teil, sowie eine HE-Granate rechts. Sorgsam prägt er sich die unterschiedlichen Konturen ein, um nicht aus versehen eine falsche herauszuziehen.
    "Von diesem 'hilfsbereite Ausländer' würde ich abraten. Wir sehen, was Laks Geist mit ihnen anstellt. Entweder das reicht, oder wir müssen nachlegen... Aber falls wir uns dazu entscheiden, sollten wir keine Sekunde verlieren. Raus aus dem Fahrzeug und das Feuer eröffnen, bevor die überhaupt realisieren dass da mehr als ein Unfall ist. Jede Sekunde zählt. Wir können uns kein Zögern leisten... Ach ja: denkt daran wo die herkommen... Also Nahkämpfe vermeiden. Wenn wir direkt an das Fahrzeug ran müssen, würde ich dich als Ersten vorschlagen", Simon nickt Mike zu. "Denke du wirst am ehesten mit so einem fertig, falls noch jemand aufmuckt..."
    Abschätzend wandert Simons Blick nach vorn zu ihrem Fahrer. Lak scheint kein Problem mit dieser Vorgehensweise zu haben, der Troll erst recht nicht... Aber was ist mit Hakim? Ein Fahrer der die Nerven verliert wäre ein durchaus größeres Problem...
    Um sich selbst macht er sich dagegen keine Sorgen. Entfernt spürt er, wie sein Puls und Blutdruck bei dem Gedanken an das Bevorstehende ansteigen, doch geistig ist er ganz ruhig. Zeit zum Grübeln wird später sein. Gerade arbeitet er wie auf Autopilot. Ein automatisiertes Analysieren der Lage und Abspulen von Gedankenschritten, die andere Emotionen draußen halten.

  • -360-


    Während im Bus eine rege Diskussion angebrochen ist, wie mit der neuen Situation umzugehen ist und Lak einen astralen Boten zu Croaker entsand hat, bleibt auch die Szenerie in der Werkstatthalle nahe der Pencak Silat-Schule nicht statisch. Mit einem leicht verwackelten Bild gibt die Fly Spy-Drohne das tiefe Grollen des anspringenden Transporter-Motors wieder, der daraufhin langsam rückwärts gleitet, um die Werkstatthalle nach hinten hin zu verlassen. Ein einsamer Lichtstrahl streift das Blickfeld der Drohne, die sich behutsam dreht, um euch die Sicht auf ein Rolltor zu ermöglichen, das sich gegenüber desjenigen Tores befindet, welches den Innenhof der Schule mit der Halle verbindet. Dann wird das Bild der Drohne plötzlich undeutlich, als das kleine Insekt im letzten Moment einem Gecko ausweicht, welcher sich von unten an sie heran geschlichen hat. Als sich das Bild einige Sekunden später wieder stabilisiert rollt der Transporter in die staubige Mittagshitze der rückläufigen Straße hinaus.

  • -361-


    Simon hat wie meistens Recht. Was sollen sie mit den Gefangenen, oder Toten tun? Doch sie spürt auch wie Mike daraf brennt endlich zurückzuschlagen. Und auch Lak würde es ihren Entführern gerne heimzahlen. Sie sollen merken, daß sie sich mit den Falschen angelegt haben. Lak ist kein hilfloses Opfer - sie ist eine Shadowrunnerin! Ein Sieg über einen Teil dieser Bande würde nicht nur ihr Ego wieder aufbauen.
    "Ich hab die Drohne auf Folgen-Modus eingestellt und werde mich jetzt durch die lächerliche Firewall des Vans hacken um zu sehen wo sie hin wollen - und um den Türöffnen-Trick aus Hongkong durchzuziehen.
    Von Taktik verstehe ich nicht viel - aber wenn ihr euch entscheidet zuzuschlagen, dann sollte es bald sein."

    Damit öffnet Lak ein AR-Fenster um sich in den Bordcomputer des Vans zu hacken. Den VR-Modus benutzt sie nicht, damit sie gleichzeitig den Geist um einen kleinen Unfall bitten kann, sollte dies gewünscht sein.

    Charaktere können auch nach der Charaktererschaffung schwanger werden, allerdings erhalten sie dadurch keinen Karmabonus.
    (Schattenhandbuch 2, Seite 165)

  • -362-


    Er hatte sich eigentlich noch gar nicht so viele Gedanken gemacht, was genau mit den Leuten in dem Van passieren sollte. Eine spontane Woge mit dem Wunsch nach Vergeltung für die Erlebnisse in dem Dorf überkam ihn, hielt aber nicht zu lange an.


    "Hhhm, Gel ist wohl erstmal die schlauere Idee." erwiderte er Simons fragenden Blick. Aber Laks Idee mit dem Hacking vom Van gefiel ihm. Selbst wenn der Geist versagen sollte, vielleicht konnte man so auch einen Unfall provozieren.


    "Sag Bescheid, wenn du den Van geknackt hast. Die Tür zu öffnen wäre klasse. Und vielleicht kannst du auch den Motor oder so unerwartet abstellen und so das Ding zumindest kurzfristig zum Stehen bringen."


    Dann wandte er sich an Hakim: "Kannst du zumindest vorerst dem Van folgen? Mit ein wenig Abstand, so dass wir schenll rüberstürmen können."


    Die Panzerwesten saßen unter dem Hemd und ließen kleine Schweißbäche seinen Rücken hinunterrinnen. Ob dies nur an der Temperatur lag oder auch an der Aufregung war in diesen AUgenblicken eigentlich egal. Er wechselte Das Magazin der Ak durch eines mit Gel-Muni aus, verstaute das andere aber in einer der Oberschenkeltaschen der Hose. Manschmal ist es auch ein vorteil, ein Troll zu sein ... dachte er sich, als es dort problemlos hineinpasste und noch von einem zweiten mit Gel-Muni verfolgt wurde. Mit den Granaten im Hemd, der Predator mit regulärer Mun im Schulterhalfter und der AK in der Hand spürte der Troll die Anspannung, die sich im Bus auszubreiten begann. Die linke Hand aus Chrom schlang sich um das Sturmgewehr, während er eine der Schockgranaten in die Rechte nahm und wartete, dass er eine Chance zum Wurf bekam.

  • -363-


    Langsam setzt sich der Bus in Bewegung, als Hakim eine Wendung vollzieht und die Straße in der Richtung entlang fährt, aus der ihr gekommen seid. Da ihr euch Mitten in einem Labyrinth aus verwinkelten Gassen, Straßen ohne erkennbaren Spurabschnitten und aneinander gereihten Häusern befindet, ist es äußerst unwahrscheinlich, dass der Transporter euch entkommt. Bereits nach wenigen Minuten habt ihr zu ihm aufgeschlossen und fahrt in einigem Abstand hinter ihm her. Da sonst allerdings keinerlei Fahrzeuge in der Nähe sind, wird ein längeres Verfolgen früher oder später garantiert auffallen. Doch dazu wird es sicherlich nicht kommen. Bereits nach wenigen Herzschlägen hat Lak das veraltete Sicherheitssystem des Fahrzeugs vor ihnen gehackt und fischt in einem trüben Becken langweilig langsamer Fische.

  • -364-
    Noch während der Anfahrt:


    Wiederum unter Laks virtuellen wachsamen Augen schickt Simon noch eine weitere Nachricht an Feysal:
    "Mr Feysal,
    nach Absprache schicke ich Ihnen hier im Ahnang noch eine nähere Analyse besagter Bedrohung durch einen magisch befähigten Kollegen.
    Sollten Sie tatsächlich nicht nicht wissen, wovon ich bisher gesprochen habe dürfte dieser Text Ihnen ein grobes Bild bieten.
    Andernfalls enthält er vielleicht einige neue Details oder bestätigt bestehende Vermutungen.
    Weitere Einzelheiten zu Orten und Umständen werde ich dann allerdings nicht mehr 'einfach so' liefern können.
    Machen Sie sich also selbst ein Bild.


    Simon"

    Anhang:
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    Auf Anfrage eines meiner Mitarbeiter möchte ich ihnen an dieser Stelle eine Zusammenfassung eines in höchstem Maße beunruhigenden Phänomens geben, mit dem wir eher zufällig während unserer Nachforschungen in Jakkarta und Umgebung konfrontiert wurden.
    In einem in der Nähe gelegenen Dorf wurden wir Opfer des Angriffes einer größeren Gruppe uns außerordentlich feindsinnig gegenüberstehender Geister.
    Videoaufzeichnungen dieses Zwischenfalls können ihnen von meinen Kollegen zugänglich gemacht und leicht auf ihre Echtheit überprüft werden.
    Meine Beobachtungen legen den Schluss nahe, dass diese Geister, die die physische Ebene mittels der Kraft der Bessesenheit betreten, zu einer speziellen Klasse frei auftretender Wesen gehören, die im Allgemeinen als "Schatten" bezeichnet werden.
    Zu dieser Kategorie gehören seit den frühen 50er Jahren bekannte und berüchtigte Entitäten wie der in Nordamerika auftretende Nomad oder die in Mitteleuropa für mehrere schwere Ausschreitungen verantwortlich gemachten Wraiths.
    Diesen Wesen ist gemein, dass sie eine starke Affinität zu körperlicher Gewalt haben, aus der sie nach gängiger parazoologischer Lehrmeinung eine Art physischer Ernährung zu beziehen scheinen und die sie mittels ihnen eigener, den Kontrollmanipulationen der angewandten Thaumaturgie ähnlicher Fähigkeiten auch selbsttätig hervorrufen können.


    Man kann gewissermaßen sagen, dass diese Wesen in der Lage sind, nicht nur von Metamenschen gegen deren Willen Besitz zu ergreifen und dabei ihre körperliche Leistungsfähigkeit und Widerstandskraft beträchtlich zu erhöhen, sondern auch Umstehende zu entsetzlichen Gewalttaten zu treiben.
    Ich habe einen Link zu einer dieser Ausschreitungen eingefügt, dessen Echtheit mittlerweile von mehreren anerkannten Thaumaturgen bestätigt worden ist- ich möchte sie im Vorfeld warnen, dass der Anblick außerordentlich schockierend ist.


    [an dieser Stelle findet sich ein Link auf die Unruhen in Barcelona, auf die im Shadowtalk von Paranormal Animals of Europe verwiesen wird- man sieht eine größere Menschenmenge, die sich auf den Ramblas in Barcelona regelrecht gegenseitig abschlachtet, während im Hintergrund eine vermummte, geisterhafte Gestalt gestikuliert.]


    Was noch erschwerend hinzukommt ist der Umstand, dass einer dieser Geister über die Fähigkeit verfügt, einen astralen Riss zur Heimatebene dieser Wesen zu öffnen, wie aus unseren Beobachtungen unzweifelhaft hervorgeht.
    Ich möchte sie darauf aufmerksam machen, dass ähnliche Fähigkeiten die Grundlage dafür waren, auf der der Zwischenfall in Chicago überhaupt erst möglich wurde.
    Die Menge an Artgenossen, denen diese Kreatur dadurch Zugang zu unserer Welt verschaffen kann, ist theoretisch unbegrenzt.
    Im Gegensatz zu den Insektengeistern, die sich ohne die permanente Verschmelzung mit einem Wirtskörper nur sehr kurze Zeit im normalen Astralraum aufhalten können, scheint es bei Schattengeistern keine Beschränkung ihrer Verweildauer zu geben, was das Gefährdungspotential der aktuellen Situation noch einmal zusätzlich erhöht.


    Als wäre dies noch nicht genug, werden die Geister zusätzlich noch von einem der aktuellen Regierung gegenüber umstürzlerisch eingestellten Kult unterstützt.


    Die Pläne dieser Gruppe legen in Verbindung mit den Vorlieben der Schattengeister nahe, dass dem gesamten Metroplex, wenn nicht der gesamten Insel, schwerwiegende, überaus gewalttätige Ausschreitungen bevorstehen.
    Angesichts der aktuellen Sicherheitslage vor Ort sind bürgerkriegsähnliche Zustände zu erwarten, die von den Geistern nach Kräften befeuert werden dürften.


    Nach eingehender Prüfung aller Fakten komme ich nicht umhin, von einem enormen Gefährdungspotential auszugehen, das in seinem Ausmaß den Zwischenfällen in Chicago oder den Aktivitäten, die die Shedim in den letzten Jahren im Mittleren Osten unternommen haben, ohne Weiteres vergleichbar ist.
    -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------



    Bei der Schule:
    Mechanisch führt Simon ein Magazin mit Gelmunition in die MP ein. Ein zweites verstaut er in einer Hosentasche. In der anderen landet eins mit scharfer Munition. Auch den Colt Government im Gürtelholster läd er jetzt scharf, was die beiden Magazine im Halter daneben bereits sind.
    Damit können wir nicht einfach durch das Blech feuern, geht es ihm durch den Kopf, während er den Trageriemen der MP zurecht rückt. Etwas erschrocken bemerkt er, dass er das schon fast bedauert. Sie wissen überhaupt nicht, ob diese Leute nicht nur unbedeutende Anhänger sind und er wäre bereit, sie über den Haufen zu schießen? Nein, Gel ist eindeutig die bessere Wahl... Andererseits geistert ihm immer noch Croakers Analyse durch den Kopf. Und auch der Widerstand der besessenen Dorfbewohner geht ihm nicht aus dem Sinn.
    Wie riskant ist die Entscheidung, hier 'zaghaft' mit Gel vorzugehen?
    Hoffentlich ist diese Truppe es wert, dass wir sie packen... Am Rande seiner ruhigen, gelassenen Handlungsebene spürt er beim Anblick der zahllosen Fenster und der engen Gassen leichte Nervösität aufkommen. Zeugen gesucht?
    Um sich abzulenken beginnt er, konzentriert tief ein- und auszuatmen. Dann beginnt er, die möglichen Szenarien druchzugehen. Wie könnte der Transporter zum stehen kommen? In welchem Zustand? Wo stoppt ihr eigenes Fahrzeug? Welche Wege ergeben sich daraus? Könnte es für die Angegriffenen Fluchtwege geben? Was passiert mit..
    "Haben wir Handschellen, Kabelbinder, Klebeband oder sowas an Bord?"

  • -365-


    Nachdem auch die letzten Details des rasch ausgearbeiteten Planes besprochen sind und Simon tatsächlich unter seinem Sitz eine ordentliche Rolle Klebeband gefunden hat, scheinen Lak, Simon, Hakim und Mike endlich wieder die Initiative an sich reißen zu können. Mit blitzschnellen gedanklichen Befehlen bereitet Lak alles für ihren chirurgischen Eingriff in das marode Fahrzeug-Matrix-System des Transporters vor. Die Befehle sind schnell erteilt, und trotz des Alters arbeitet die japanische Fahrzeugsoftware des Transporters zuverlässig und reibungslos - sehr zum Leidwesen der momentanen Insassen. Obwohl Lak zuerst mit dem Gedanken gespielt hat, den Wagen in einen Marktstand rasen zu lassen, entschließt sie sich aufgrund der veränderten Umgebungslage für eine Alternative, da in einiger Entfernung vor ihnen einer der zahlreichen Kanalübergänge ins Blickfeld kommt, die das weitverzweigte, verwinkelte Kanalsystem Jakartas überziehen.
    Auch hier stehen die einzelnen Wellblechhütten und Häuser dicht an dicht, während die schmalen, relativ flachen Abwasser-Kanäle oberirdisch zwischen den einzelnen Grundstücken hindurchlaufen und dabei immer wieder von kleinen Holz- oder Blechkonstruktionen überspannt werden, um einen - nach indonesischen Verhältnissen - lückenlosen Straßenverkehr zu garantieren. Während Hakim den Bus noch um die letzte Ecke in eine schmale Seitenstraße hinein steuert, bekommen die Runner gerade noch mit eigenen Augen, und denen der kleinen Drohne, mit, wie der Transporter vor ihnen ins Straucheln kommt, zu bocken anfängt, schließlich nach rechts ausschert und in den Abwasserkanal rast. Hierbei nimmt er einige vereinzelt herumliegende Steinquader, einen kleinen Hügel aus sorgsam aufgestapelten Plastikdosen, zwei erschrocken dreinblickende Hühner, welche gerade auf einem Spaziergang unterwegs gewesen sind, und den mobilen Imbissstand eines älteren Mannes mit, bevor seine Fahrt unfreiwillig von der Gülle und der Steinverkleidung des Kanals gestoppt wird.
    Lak wartet noch einige Herzschläge lang, bevor sie über einen vorbereiteten Befehl die Hintertüren des Fahrzeugs öffnet, so dass Mike und Simon, welche rechts und links vom Bus aus heraneilen, ihre Granaten zum Einsatz bringen können. Als der ältere Händler die beiden über die rissige, noch nicht einmal asphaltierte Straße in seine Richtung sprinten sieht, bekommt er es mit der Angst zu tun und wirft sich in einem gewagten Sprung in eine schmale Gasse zwischen zwei Backsteinmauern. Dann segelt auch schon die erste Granate durch die schwüle Mitagshitze, landet zielgenau im schiefliegenden Innenraum des Transporters und detoniert mit einem dumpfen Knall, der das rissige, ausgetrocknete Erdreich leicht zum Beben bringt. Das Zersplittern von Glas ist zuvernehmen, während die Seitenwände des Transporters dem Druck standhalten und so den Großteil der Detonation nach Innen kanalisieren.


    Dann folgt Stille...

  • -366-


    Die Dämpfer seiner Cyberohren reduzieren den Knall der Granate noch weiter. Trotzdem hat er den Eindruck, dass eine Granate gereicht haben sollte. In einer zügigen Bewegung steckt er seine zurück und bringt die MP in Anschlag. Das Smartinterface taucht in seinem Blickfeld auf und die Zielmarkierung legt sich auf die geöffnete Tür.
    Kurz springt seine Sicht ins IR-Spektrum, während er gleichzeitig mit seiner aufgewerteten Audio-Wahrnehmung lauscht. Vielleicht eine Sekunde verharrt er so, völlig bewegungslos, dann schickt er Mike eine AR-Nachricht:
    "Ok, weiter - ich kontrolliere den Fahrer" Sollte dort in dem Fahrzeug noch jemand Widerstand leisten können, hält er es für besser wenn der Troll die Hintertüren bewacht.
    Roboterhaft nimmt Simon die MP nach unten und schlägt einen Bogen hinter dem Rücken des Kollegen entlang zur Seite des Fahrzeugs. Im Wissen, dass Mike die Hecktür im Blick hat, erlaubt er sich einen kurzen Rundumblick über die Szene.
    sobald er an dem Troll vorbei ist kommt die MP wieder hoch. Am Rande spürt Simon, wie er anfängt zu schwitzen. Die bei solchen Aktionen immer mitschwingende Ungewissheit treibt den Puls in die Höhe, doch er schiebt das alles beiseite. Der Visierpunkt der Smartverbindung wandert über das Fahrzeug und bleibt dann, als Simon die Seite des Transporters erreicht auf der Fahrerkabine hängen.
    Langsamer werdend nähert er sich einer Position, von der er durch die Seitenfenster zum Fahrer hineingucken kann. Dabei hält er ungefähr drei Meter Abstand von dem Unfallwagen.

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    Plötzlich ging es dann sehr schnell. Mike kannte das Phänomen, trotzdem spürte er dieses komische Gefühl in der Magengegend, als ihr Plan anlief und er sich mit Simon fast wie ein Automat auf den Van zusprinten sah. Die Granate traf den Bus von Sartosas Leuten und noch im Laufen holte Mike die AK heraus und brachte sie in Anschlag. Seine Cyberaugen wechselten blitzschnell durch die Sichtverstärkungen, bis er ein optimales Bild vom Inneren des Busses bekam. Mit Sicherheitsabstand bezog er Stellung um eventuelle Opposition aus dem Frachtraum in Empfang zu nehmen. Ganz der Profi den er bisher kennegelernt hatte sicherte Simon den Rest des Fahrzeugs. Auf seine AR-Nachticht antwortete Mike ebenso kurz mit einem


    "Roger. Ich bleibe hier!". Dann öffnet er noch einen Stream für Simon und den Rest des Teams, in den er die Daten seiner Cyberaugen einspeist. Besonders für Simon dürfte das sehr nützlich sein, falls doch etwas unvorhergesehenes passiert.


    Dann wartet der Troll auf die Bestätigung des Norms, dass alles in Ordnung ist. Sein Herzschlag raste, während der Reflexbooster weiter unnatürliche Mengen an Adreanlin in seine Blutbahn katapultierte und die Umwelt auf Zeitlupentempo verlangsamt schien ...

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    Hakim sitzt im Wagen und schaut durch die Fensterscheibe auf das was vor ihm passiert. Der Motor läuft und er hat eine Hand am Steuerrad des Wagens. Falls etwas passieren sollte ist er bereit loszuschlagen und den Bus wenn Notfalls als Waffe einzusetzten. Hakim bleibt im Wagen sitzten und hat auch die Umgebung im Blick. Sie hatten einen Zeugen. Der alte Mann. Aber was könnte der schon sagen? Egal, wenn alles glatt ging waren sie sowieso bald hier weg.


    Hakim passte weiter auf Lak auf und schickte eine Nachricht an Mike und Simon "Sagt mir bescheid wenn ihr bereit seit wieder abzuhauen. Ich drehe dann schonmal."


    Während er die Nachricht verfasst schaut er sich um ob es eine Wendemöglichkeit gibt. Er hat ein gutes Gefühl mit ihrem Bus. Er wird sie hoffentlich noch sicher aus dieser ganzen Nummer herausbringen.

    "Sieht ruhig aus. Glaubst du wir haben sie geschafft?"
    fragte er Lak ohne sich dabei zu ihr herum zu drehen.