Shepherd 01 – 2. Januar, 08:24 Uhr
Die Triebwerke der Shepherd 01 jaulen auf, als sich die Maschine vom HQ-Dach erhebt. Ein kurzer Druck in den Sitzen, dann kippt das Schiff nach vorn und nimmt Kurs auf die Themse. Unter euch verschwinden die Docklands im grauen Dunst, Kräne und Lagerhallen ziehen wie Schatten unter der dichten Wolkendecke vorbei.
Im Interkom klickt es. Fairfax meldet sich, die Stimme ruhig, sachlich – so, als hätte er den Ton seit Jahren perfektioniert.
„Team 17, hören Sie zu. Wir haben ein Signal von Pier 4, Frachter Stalwart. Patient ist ein zahlender Gold-Level-Kunde, männlich, Ende fünfzig. Diagnose: akuter Herzstillstand, Reanimationsprotokoll läuft über internes System. Laut Biosignal noch erreichbar, aber instabil.“
Eine Pause. Dann fügt er nüchtern an:
„Wir gehen im Moment von einem reinen medizinischen Notfall aus. Keine bestätigten Feindkontakte, keine Meldungen über Kämpfe oder Explosionen. Die Umgebung ist allerdings Docklands-typisch – das Risiko bleibt hoch. Erwarten Sie also das Unerwartete.“
Der Mann ist nicht nervös, er ist konzentriert, sachlich und wirkt dennoch ein bisschen beruhigend auf das Team. Er klingt als müsse jeder nur seinen Job machen, dann wird das schon.
Noch ein Klicken. Diesmal MacKenna. Seine Stimme ist härter, knapper, wie ein Messer neben der ruhigen Klinge von Fairfax.
Sein digitaler Finger wandert über die Markierungen.
„Mögliche Gang-Positionen hier, hier und hier.“ Rote Kreise leuchten auf. „Nördlich, an den Kisten, und weiter zurück bei den Lagerhäusern. Klassische Hinterhaltlinien. Die Jungs da draußen kennen das Gelände besser als Sie.“
„Das Schiff liegt am Pier. Drei mögliche Zugänge: Laderampe direkt am Kai – groß, schnell, aber offen wie ’n Schießstand. Seitliche Luken – enger, besser gedeckt. Oder von oben aufs Deck. Überraschungseffekt, dafür ’n Containerlabyrinth, in dem sich jeder Idiot verstecken kann.“
Man hört, wie er das Pad beiseitelegt.
„Meine Empfehlung: Seitliche Luken. Kontrollierter, gedeckt, weniger offene Flanken. Dauert ein paar Sekunden länger, aber bringt Sie sicherer zum Patienten.“
Nichts deutet darauf hin, dass diese Empfehlung bindend wäre. Wenn man seinen Ton langsam kennt, könnte man ahnen, dass es eben einfach das ist: eine Empfehlung!
Draußen wird das Brummen der Triebwerke tiefer, als die Shepherd 01 die letzte Kurve nimmt.
Und dann taucht das Ziel auf.
Der Frachter liegt am Pier, rostige Flanken, Container türmen sich wie bunte Mauern auf dem Deck. Am Kai stehen ein paar Fahrzeuge, vereinzelte Gestalten bewegen sich zwischen den Kisten – schwer auszumachen, ob Hafenarbeiter, Gangschatten oder einfach Pechvögel, die zur falschen Zeit am falschen Ort sind. Die seitlichen Luken sind deutlich zu sehen, verschlossen, aber erreichbar. Von oben wirkt das Deck wie ein klares Labyrinth – verwinkelt, gefährlich, voller Schatten.
Die Shepherd 01 hält über dem Zielgebiet, Triebwerke kreischen, stabil im Schweben. Türen bleiben verriegelt, bis die Entscheidung gefallen ist.
Jetzt liegt es an Team 17, wo sie ansetzen.