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Seattle, Tacoma, 1807 North 49th Avenue, „Fenris Nacht“ 17.August 2071, 18:41 Uhr
Als Nike ihre das “Fenris Nacht” betritt hat sie das Gefühl in eine dunkel Höhle hinabzusteigen.
Die Gespräche der zwielichtigen Gestalten in den dunklen Nischen verstummen kurz. Aber wer das Fenris mindestens drei mal besucht und überlebt hat zählt als Stammgast und so wendet sich das Interesse der Gäste wieder anderen Themen zu.
Die Verstohlenheit und Verschlossenheit der meisten Besucher macht das Fenris bei Schiebern die keine Aufmerksamkeit wünschen beliebt.
Aber die wahre Natur der meisten Fenris-Gäste hat Nike schon bald astral durchschaut. Es ist der Treffpunkt der meisten urbanen Gestaltwandler. Besonders der von der schlimmen Sorte die Spaß daran haben Leute bei Vollmond durch den Park zu jagen.
Nike kommt immer gerne her wenn sie deprimiert ist. Manchmal fühlt sie sich unter Monstern wohler als unter Menschen.
Und vor allem: im Fenris gibt es echtes Deutsches Bier!!!
Sie steuert die Bar an und nimmt auf einem Hocker Platz.
„Hoi Nike, schön das du hier bist!“ begrüßt sie die Barkeeperin Fox hinter der Theke erfreut.
Die rothaarige Fox trägt mal wieder einen Ausschnitt bis zum Bauchnabel und ihr kurzer Rock ist ehr ein breiter Gürtel. Sie grinst Nike mit einem schelmischen Blick ihrer braunen Augen an. „Na alles klar bei dir? Was macht dein Exorzisten-Job?“
Fox scheint es wieder darauf anzulegen Nike aufzuheitern.
„War nix. Die „Geister“ stellten sich als Hacker heraus, die man darauf angesetzt hatte die Mieter mit AR-Illusionen zu erschrecken. Tja und leider stand in meinem Vertrag, dass ich nur bezahlt werde wenn ich Geister vernichte. Ich bin also wieder arbeitslos.“
„Oh, tut mir leid. Hier, das erste Bier geht aufs Haus. Hey der Typ da – Larson – kommt auch aus Europa und sucht nen neuen Job.“
„Skandinavien“ verbessert der Mann knurrend, der zwei Hocker neben Nike an der Theke hockt.
Er wirkt groß und muskulös und hat seine langen dunklen Haare zu einem Zopf gebunden.
Sein Geruch verrät das er nicht viel von Seife hält, ist aber gar nicht unangenehm. Irgendwie animalisch-männlich.
Der Mann hebt sein Glas und schenkt ihr ein wölfisches Grinsen:
„Hab Pech gehabt. Meine Auftraggeber wollten nur dass ich jemanden etwas einschüchtere“
Nike fragt sich mal wieder, warum Männer in Kneipen wildfremden Frauen ihre Lebensgeschichte erzählen.
„Aber der Drekskerl hat ne Pistole gezogen,“ fährt Larson fort. Er nimmt einem Schluck aus seinem Whiskyglas.
„Und du hast ihn verletzt?“
„Nein. Ich hab ihn gefressen.“
„Oh ... na ja ...das kann jedem mal passieren.“
Larson zuckt mit den Schultern und Nike prostet ihm zu.
„Chummers! Das zieht einen voll runter. Ihr Europäer könnt so deprimierend sein,“ mischt sich Fox in das Gespräch ein. „Das hier ist immer noch Amerika! Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten!“
„Wenn du das sagst, Kleine.“
„Hey ich meine es ernst! Pass auf Nike: ich wette dass das Schicksal dir innerhalb der nächsten Stunde einen neue Chance gibt. Vertrau mir!“