Ich stimme Irian da weitgehend zu: solche Eigeninitiativruns mögen lukrativer sein, sind aber mMn sowohl aufwändiger als auch gefährlicher. Nehmen wir doch mal das konkrete Beispiel: Alphaware aus einer Klinik oder einem Transport stehlen.
1. Legwork, um die Klinik bzw. die Firma zu identifizieren, die so etwas im Bestand haben könnte, bzw. regelmäßig in der Gegend rumschickt.
--> Risiko: relativ gering. Sich über Quellen für Cyberware zu informieren, ist für Runner recht normal.
2. Legwork, um herauszufinden, wann sich ein Einbruch oder Überfall besonders lohnt - sprich, wann lagert möglichst viel der gesuchten Cyberware in der Klinik, bzw. wird ausgeliefert? Alternativ kann man hier auch versuchen, den Bestand zu steuern, indem man fiktive Aufträge platziert...
--> Risiko: relativ hoch. Erfordert Hacken in das System des Ziels, oder das Bearbeiten von Angestellten oder anderen Insidern, die Informationen über Bestand, Lieferungen etc. haben. Unterscheidet sich aber nicht signifikant von Legwork bei "normalen" Runs.
3. Legwork, um Käufer zu finden. Hier wirds mMn langsam kritisch. Das gelegentliche Stück Hardware, das bei einem "normalen" Run nebenbei abfällt, kann man sicher über seinen regulären Schieber abverkaufen. Aber wenn man tatsächlich größere Mengen einer bestimmten Ware absetzen will, stößt der mMn schnell an seine Grenzen. Der normale Schieber der Gruppe wird sich keine 10 Alphaware-Reflexbooster auf Lager legen - das dauert ja ewig, bis er die loskriegt, wenn überhaupt!
Also muss man jemanden finden, der so einen Auftrag auch abwickeln kann - einen professionellen Hehler, der auf diesen Typ Ware spezialisiert ist. Und sich nach so jemandem zu erkundigen, kann auch wieder Staub aufwirbeln - vor allem, wenn dann hinterher tatsächlich eine Lieferung der entsprechenden Ware fehlt, und die bestohlene Einrichtung anfängt, nach ihrem Kram zu suchen.
Außerdem existiert so ein Hehler ja nicht im Vakuum. Wer finanziert ihn? Welche Verbindungen hat er, zu welchen anderen Interessensgruppen (wenn man eine Mafia-gestützte Cyberklinik überfällt, und die Beute dann einem Mafia-gestützten Hehler anbietet... aua.)? Wer beliefert ihn sonst, und was meint dieser reguläre Lieferant dazu, dass ihm die Runner da ins Geschäft pfuschen?
--> Risiko: hoch. Sowohl, erwischt zu werden, als auch, etablierten Gangstern in die Quere zu kommen und sich Ärger einzuhandeln.
4. Einbruch in die Klinik oder Überfall auf den Transport. Ziemlich typische Runner-Arbeit - falls nicht bei 3. schon was aufgeflogen ist.
--> Risiko: typisch.
5. Die Ware säubern. Seriennummern, Sicherheits-RFIDs, sonstige unangenehme Überraschungen. Muss man bei einem normalen Run auch, aber da ist das Volumen normalerweise kleiner; ist trotzdem Standard-Kost für einen Profi-Runner.
--> Risiko: typisch.
6. Übergabe und kassieren. Hier würde ich das Risiko auch höher einschätzen, als bei einem regulären Run. Da kann man zwar auch mal verarscht werden, aber normalerweise hat der eigene Schieber den Johnson zumindest ansatzweise überprüft - und durch die viele zusätzliche Beinarbeit der Runner besteht eine höhere Chance, dass eine dritte Partei was von der Sache mitgekriegt hat und sich selbst den Kuchen einverleiben will - welcher Seoulpa-Ring oder welche Yakuza-Familie hätte nicht gerne einen Satz nagelneuer Reflexbooster?
--> Risiko: relativ hoch.
Aus diesen Gründen halte ich solche Eigeninitiativen für riskanter als "normale" Runs. Und eben deswegen glaube ich, begnügen die meisten Runner sich damit, Aufträge zu erfüllen. Ja, man verdient potentiell weniger; aber der Aufwand ist geringer, das Risiko ist geringer, und man bewegt sich auf bekanntem Parkett. Plus, jeder erfolgreiche Auftrag verbessert den Ruf und führt damit irgendwann zu profitableren Runs. Ein erfolgreicher Eigeninitiativ-Run bringt einem "nur" Geld. Wenn man also in der Welt der Runner nach oben will, dann macht man Runs - und schießt nicht irgendwo quer und macht seinen eigenen Kram.