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Der Damm, schartig wie der Körper eines alten Riesen, der sich für seine letzte Ruhe in den Staub der Zivilisation gelegt hat, thront in ihrem Rücken, wirft seine scharfen Schatten in das Zwielicht, einzig durchbrochen durch das fade Geflimmer der Hologramme und den Schein der Straßenbeleuchtungen, der aus Glodok nach Muara Baru hinübergleitet. Muara Baru liegt nun vor ihnen - das überschwemmte Viertel, größtenteils in Dunkelheit und Wasser getaucht - still und tückisch. Jenseits der Betonplattform, auf der sie mit ihren Bikes warten, können sie die Umrisse der Häuser ausmachen, die wie bewegungslose Schatten aus dem Wasser ragen. Irgendwo zu ihrer Rechten gibt es eine befahrbare Straße, ähnlich jener, über die Scar und Labah bei ihrem Rennen weiter nördlich gerast sind.
Sie blicken sich an: Spark, Labah, Scar, Ozzy, Yon, Rico, Beauty, Bomb und Hery, den Yon nicht dazu hat überreden können, von seiner Seite zu weichen. Sie sind die kampfkräftigsten der Blades. Sicher hätte es noch mehr von ihnen gegeben, die begierig mit ihnen in den Kampf gezogen wären, aber die Offiziere haben sich dagegen ausgesprochen. Die Gang als Ganzes muss überleben. Gegen einen Feind zu bestehen, der so gefährlich ist wie der, dem sie sich bald schon gegenübersehen werden, ist nicht Sache des Willens alleine, es ist vor allem Können gefragt, Und bedenkt man die Gefahren der Umgebung, denen sie alle bald ausgesetzt sein würden, dann wäre es töricht jemanden mitzunehmen, dessen Überleben derart ungewiss ist.
Die junge Frau, Rara Sirianti, scheint das wenig zu stören. Natürlich hat sie die Blicke bemerkt. Besonders Bomb hat sie mehr als abfällig gemustert. Persönlich mag er nichts gegen sie haben, schließlich kennt er sie nicht - aber für den Kampf hält er sie eher als Belastung, denn als Bereicherung. Aber er schweigt, ausnahmsweise - aus Furcht eine Diskussion könnte die Geschlossenheit der Gruppe gefährden, die sie sich so mühsam erkämpft hatten. Rara Sirianti steht etwas abseits, blickt auf das Dunkel des brackigen Wassers zu ihren Füßen hinab, spürt den Keris an ihrem Körper ruhen. Dann hebt sich ihr Blick, und ohne dass es jemand anderes mitbekommt, lautlos und geschickt, wie sie ist, greift sie kurz nach Ekos Hand und drückt diese.
Neue Kampfgefährten sind an ihrer Seite, und sie sind mehr nach Bombs und Beautys Geschmack. Es sind die Kämpferinnen und Kämpfer der Nao Hsin Feng, die Mei Ling, die Anführer der chinesisch-stämmigen Gang, ihnen versprochen hat. Acht an der Zahl, wie die abergläubische Chinesin sichergestellt hat, sind sie in Glodok zu ihnen gestoßen - zwei Frauen und sechs Männer. In der Reihenfolge irher komplexen Hierarchie haben sie sich den Blades vorgestellt, auch wenn der ein oder andere die Namen schnell wieder vergessen haben mag: Shiyan und Jinjin, die beiden jungen Frauen, sowie Bo, Feng, Wang, Wei, Hu und Dan, ihre männlichen Begleiter. Hu ist ihr Sprecher, und der Respekt, den die anderen ihm fristen ist unübersehbar.
Auch Azahari ist an der Seite der Blades, auch wenn seine Rolle zur Gang in gewisser Weise noch ungewiss ist.
Die beiden Runner, Daiyu und Chang, halten sich zwischen den beiden Gang-Gruppen auf. Chang hat seine Waffe auf dem Rücken geschultert und den Kragen seiner Panzerjacke nach oben gezogen. Die untere Hälfte seines Gesichts wird von einer Todesmaske verborgen, während Daiyu zwar eine Kapuze trägt, ihr Gesicht aber frei gelassen hat; vielleicht ein Zeichen ihres Führungsanspruches. ihr Haar hat sie straff unter der Kapuze zusammengebunden, und auch der Rest ihres Körpers ist komplett von ihrem Chamäleonanzug umhüllt.
Die Kinder haben sie hergeführt, da dies der beste Punkt ist, um ihre Reise zu beginnen. Zwei Boote warten bereits auf sie. Die Kinder haben sie organisiert und die Chinesen dafür gezahlt. Doch kein Fahrer zeigt sich ihnen.
"Die Boote sind da, Onkel", meint das Mädchen, die Anführerin der Kinder zu Labah, dem sie bei ihrer vorherigen Begrüßung ein Lächeln zugeworfen hat. Als habe sie gewusst, dass er wiederkommen würde. Alle kommen sie wieder, denkt sie sich. Muara Baru ist so abstoßend wie es anziehend ist.
"Nur kein Fahrer. Sie haben Angst in der Nacht ... Angst wegen der Dinge, die im Wasser sind."
Als sei es ein Signal gewesen, vernimmt Azahari plötzlich eine vertraute Stimme in seinem Kopf.
"Sssorgt Euch nicht um die Dinge desss Wassers. Lasssst das Wasser Sroooks Sorge sein und sein Dank für Eure Taten."
Und tatsächlich, ganz in der Nähe eines der Boote ist kurz ein geschuppter Körper im Wasser zu erkennen, bevor er wieder verschwindet wie ein Trugbild.