[IP] Sinar Temaram / Zwielicht

-239-

Ein greller Lichtblitz fegt durch den Zwischenraum, der auch im Barraum noch deutlich zu sehen ist. Li und Bomb, die den Raum gerade verlassen wollen, um ihren Kameraden bei zu stehen, laufen mitten in den Blitz hinein. Gedes Blitzkompesation fährt hoch und bewahrt den Ork vor dem Schlimmsten, verhindert aber nicht gänzlich den Verlust der Sehfähigkeit. Dann erblicken Li und Bomb die beiden Japaner, die mit ihren Schwertern auf Gede einschlagen. Sai steht in die Ecke gedrängt daneben, unfähig, dem Jade Blade zu helfen.

Einer der Männer wurde angeschossen, doch seine Kampfkraft scheint nahezu unbeeinträchtigt. Eine Schwertklinge saust hinab, doch Gede gelingt es, dem Angriff knapp zu entgehen.

Nur wenige Meter entfernt geht Beauty zum Angriff über. Ohne den gefährlicheren Kontrahenten aus den Augen zu lassen, führt sie Hiros Klinge in einem geraden Stoß, durchbricht die wankende Verteidigung des verletzten Japaners und rammt das Schwert tief in seinen Leib. Fast geräuschlos bricht der Mann auf dem blutigen Kachelboden zusammen. Dann erklingt neben ihr ein Kampfschrei, als der andere Red Sun seine Attacke führt. Die Klingen prallen klirrend aufeinander, doch das Schwert des anderen rutscht ab und reißt eine bösartige Wunde in Beautys Oberschenkel, die sofort zu bluten beginnt.

-240-

Mit einem erleichterten Seufzer erblickt Gede Li und Bomb, die in den Zwischenraum stürmen. Ihre Bewegungen wirken leicht unkoordiniert, da die Blendung sie anscheinend überrascht hat. Trotzdem handeln sie sofort. Noch ehe einer der Red Suns sich komplett gedreht hat, um den neuen Angreifern zu begegnen, rasseln Lis Projektile durch die schmalen Raum und schicken einen der Japaner zu Boden. Bomb verweilt nicht lange, sondern stürmt sofort in das linke Mandi, in dem Beauty zuvor verschwunden ist. Der Ork tritt in Blut, als er den gekachelten Raum erreicht. Er sieht seine Schwester schwer atmend von der Anstrengung mit leichten Blessuren, aber einer blutenden Beinverletzungen, ihrem letzten Kontrahenten gegenüber stehen. Der Red Sun hebt die blutverschmierte Klinge, nicht willens, den Kampf verloren zu geben. In seinen Augen glüht fanatische Verachtung.

Anders gestaltet sich die Szenerie im Zwischenraum. Der Japaner wirft einen kurzen Blick von Gede zu Li und dessen vergoldeter Uzi. Dann tritt er demonstrativ einen Schritt nach hinten, wendet sein Schwert und hält es mit dem Griff in Lis Richtung, um seine Aufgabe zu versinnbildlichen. Demütig senkt er dabei das vor Schweiß triefende Gesicht. Sai steht daneben. Ihr Blick hebt sich. Gede spürt ihre Nähe, sein Atem geht noch immer schnell und er spürt den Schmerz aus seiner pochenden Wunde. Der Blick des jungen Mädchens, deren Körper noch immer wie erstarrt erscheint, richtet sich auf Li, so als wollen diese dunklen, unschuldigen Augen Zeuge sein, wie Li richten wird - Tod oder Gnade?

-244-

Als Li handgreiflich wird, widersetzt sich der Japaner nicht, festigt allerdings seinen Stand, so dass er nur ein wenig zurück ruckt, als Li ihn in Richtung Wand stößt. Sein Gesicht bleibt starr, auch wenn Li das Gefühl hat, dass der Mann kurz davor ist, aus der Haut zu fahren. Ein paar Herzschläge lang herrscht eine angespannte Stille, dann antwortet der Japaner wieder beherrscht und ohne Li anzubrüllen.

"Ein Ehrenmann entführt keine Kinder."

Meint er mit harter Stimme, die nicht die geringste Furcht in sich trägt.

Sai zuckt unmerklich zusammen, als sie Gedes Hand auf ihrem Körper spürt, doch ihr Blick ist noch immer wie gebannt in der Szenerie zwischen Li und dem Japaner gefangen.

Derweil nimmt der Kampf im Mandi ein schnelles Ende. Später ist es den Geschwistern unmöglich zu sagen, wer letztendlich den tödlichen Treffer gelandet hat, denn im Eifer des Gefechts gelingt es ihnen rasch, den Mann mehrfach zu treffen und ihn blutbesudelt neben seinem Kameraden zu Boden gehen zu lassen.

-248-

Im Hauptraum der Sake-Bar sieht Rico wie einige der japanischen Konzernangestellten vorsichtig die Köpfe heben, um die Situation zu begutachten. Als sie Rico mit gezückter Waffe erblicken, lassen sie diese aber schnell wieder sinken und verschmelzen förmlich mit dem Hintergrund - etwas, das Japaner schon immer gut beherrscht haben.

Im Zwischenraum wandert der Blick des Red Sun in Richtung Mandi-Tür und dann wieder zurück zu Li.

"Hiro-San kann für sich selbst sprechen."

Gibt er mit ruhiger Stimme zurück. Sai rückt näher an Gede heran, verschwindet in dessen Schatten, so als fürchte sie, Li könnte mit der Antwort des Japaners nicht zufrieden sein.

-250-

Sai wagt es nicht, Li anzusehen, sondern nickt einfach nur mit gesenktem Kopf in seine Richtung. Als der Jade Blade sich wieder anderen Dingen zuwendet, schließt sich das Mädchen wortlos Gede an und bleibt fortan in dessen Nähe. Mit Hiro im Schlepptau verlassen die Gang-Mitglieder das Kaito und treten hinaus in die schwüle Hitze des Sprawl.

Die Jalan Jaksa liegt noch immer verlassen da, doch Li und die anderen wissen, dass dies nicht mehr lange anhalten wird. Dermaßen nah am Zentrum der Macht ist man äußerst empfindlich, was das Abfeuern automatischer Waffen anbelangt. Bereits in kurzer Zeit wird es hier von Einheiten der POLRI oder gar des Militärs wimmeln, ganz abgesehen von weiteren Red Suns oder Mitgliedern der Yakuza, die vielleicht Beteiligungen am Kaita besitzen und ihre Einnahmequelle schützen wollen. So rasch wie sie gekommen sind ziehen sich die Jade Blades zurück, hinterlassen tote Red Suns, einen halb zerfetzten Barkeeper und deutliche Kampfesspuren an der Holzimitat-Inneneinrichtung. Die Sprache der Straße wurde erneut gesprochen.

Über die kleinen, verwinkelten Straßen, die an die Jalan Jaksa angrenzen, setzt sich die Truppe ab und hält in Richtung Süden, wobei Rico die Gruppe darüber informiert, welche Straßen derzeit gesperrt sind und wo die Straßenmärkte ein Vorankommen erschweren. Auch, wenn die Jade Blades nur allzu gerne ihre Fahrkünste austesten, ist jetzt doch nicht der richtige Zeitpunkt, um Herumzutrödeln. Schließlich geht es immer noch um Gedes Bruder - und das verlangt rasches Handeln.

Jenseits der großen Schnellstraßenfundamente und der gewaltigen Stadion-Anlagen Senayans kehren die Jade Blades in das schier endlose Kampung ein, das ihre Wahlheimat darstellt. Hier, in den Straßen Jakarta Selatans, kennen sie sich aus, wie fast niemand sonst und empfinden, nachdem das Adrenalin des Kampfes langsam verebbt, ein wenig mehr Sicherheit als noch auf den großen Straßen in Richtung Zentrum.

Die zurückgebliebenen Ganger empfangen Li und die anderen wie Helden, die aus einer Schlacht zurückgekehrt sind. Einige der Mitglieder haben den Tisch gedeckt. Es duftet nach Reis, und neben den zusammengestellten, alten Tischen stehen mehrere Packs gekühltes Bir Bintang. Die Freude ist groß, als feststeht, dass beim heutigen Kampf niemand in das Alam Gaib eingekehrt ist und es nur einige Wunden zu versorgen gibt.

-253-

Sai verbleibt bei Gede, während der Aufenthaltsraum von Gesprächen über die Kämpfe und den Sieg der Jade Blades erfüllt ist. Die Jüngeren bitten um genaue, detailreiche Beschreibungen - vor allem das Schwertduell zwischen Beauty und den beiden Red Suns erfreut sich großen Interesses.

Sai blickt Gede an, als dieser sich an Li wendet. Als dieser spricht, schweigt Sai, zeigt Gede aber ihrem Blick, dass sie hinter ihm steht und guter Hoffnung ist, dass Bambang gerettet werden kann.

-255-

Sai nickt stumm, den Kopf leicht geneigt. Dann tritt Del heran. Das einfache Mädchen hält sich aus den Diskussionen heraus, versteht sie doch nichts von solchen Dingen. Dennoch besitzt sie - wie viele Indonesier - ein feines Gespür für die filigranen Netze zwischenmenschlicher Beziehungen. Mit einem behütenden Lächeln nimmt sie Sai bei der Hand.

"Sicher bist du durstig."

Meint sie freundlich und führt Sai in Richtung der Küche.

-258-

Hiro hebt den Kopf. Noch immer zieren seinen Körper deutliche Blessuren von dem Kampf mit Beauty. Als Li das Wurfmesser in Hiros Fuß schleudert, verzerrt sich dessen Gesicht vor Schmerz, entkrampft sich jedoch relativ rasch wieder. Hiros dunkle, geränderte Augen starren ins Leere. Im Lagerraum ist es schwül heiß, da er über keine Klimatisierung verfügt. Schweiß rinnt Hiro in Strömen über das Gesicht, tropft auf den dreckigen Boden, vermischt sich mit seinem dunklen Blut. Li will bereits zu weiteren Maßnahmen greifen, als der Japaner plötzlich zu reden beginnt. Seine Stimme ist unerwartet ruhig, fast weltentrückt - so als wäre Hiros Geist bereits längst aus seinem Körper gewichen.

"Er ist im Rising Sun."

Li hat bereits von diesem Etablisment gehört. Das Rising Sun ist eine Mischung aus Hafenbar und Freudenhaus, das nahe des japanischen Sektors in Jakarta Utara liegt. Es nutzt die große Zahl japanischer Konzernangestellter und Seeleute, die im Hafendistrikt verkehren, um wirtschaftlichen Nutzen daraus zu schlagen. Der japanische Sektor, wie er inoffziell heißt, ist das Territorium eines Dutzend japanischer Konzerne, die in Jakarta über Dockanlagen, Depots und andere logistische Einrichtungen verfügen. Es ist ein heikler Kampfplatz, denn die Konzerne schützen ihre Anlagen wachsam, auch wenn sich ihre Befugnis rein rechtlich nicht über die jeweiligen Areale unter Konzernbesitz hinaus erstreckt.