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#1
Es ist diese verkommene Zeit zwischen Samstagnacht und Sonntagmorgen. Mitte März und arschkalt. Mein Atem dampft in der klaren Luft, die Kälte beißt trotz Orthoskin in meine Haut. Der Hinterhof von Dario’s Muckibude ist so dreckig wie eh und je, zerbrochene Flaschen, Einmalspritzen, Sägespäne mit gerinnendem Blut. Eigentlich halte ich nicht viel davon, mich ohne Grund zu prügeln, aber die nächste Miete ist auch ein Grund.
Um mich herum die schwitzende und geifernde Meute, aufgepumpte Arbeiter, schließen johlend Wetten ab. Die meisten von ihnen schuften den ganzen Tag im Schlachthof um die Ecke, von dem gerade ein Hauch verwesender Abfälle rüberweht; alles was bei der Produktion von „Typ 0“ übrig bleibt, landet erst bei den Jungs mit der blutigen Schürze und dann auf dem Teller ihrer fetten Weiber. Die meisten Leute haben keine Ahnung wie ihre Ersatzorgane gezüchtet werden, diese Typen hier sind so abgestumpft, dass sie gleich nach der Arbeit zu Dario rennen und ihre Körper zu abstrakten Skulpturen knechten, jeden Nuyen in Implantate stecken um sich am Wochenende die Scheiße aus den Köppen zu schlagen.
Einige Niederfrequenzlampen werden ihr fahles Licht auf die Menge, die sich vor mir teilt. Mir gegenüber steht irgendein Ganger, nennt sich Slayer - wie gefährlich. Vor anderthalb Jahren ist Min-Sung Kim, ein schmalbrüstiger Vierzehnjähriger, zu Dario gegangen, hat sich mit Pferdesteroiden vollgepumpt bis ihm die kaum behaarten Eier auf Erbsengröße geschrumpelt sind und jetzt steht er mir gegenüber, ein pickeliger Abklatsch eines Animehelden im roten Kimono. Die Haare mit drei Flaschen UltraGlo zu einem zackigen Kamm aufgestellt reißt er sich melodramatisch das Oberteil runter und stellt sich in Pose. Unter der eingeölten Haut bewegen sich die billigen Stränge taiwanesicher Kunstmuskeln, die Narben sind kaum verheilt, seine Fangemeinde, die lächerlichen „Kabuki-Ronin“, klatschen gefällig Beifall. Das kommt davon, wenn Kinder zuviel Trideo sehen – vollkommen überzogenes Selbstbild und ein beschissenes Outfit.
Ich habe nicht viel Zeit um mir Gedanken über sein bescheuerten Klamotten zu machen, da kommt er mir schon entgegen geflogen, mit der Fußsohle voran. Ganz toller Kerl, Kung Fu kann ich auch. Ich weiche leichtfüßig aus und will ihn mit einem Schlag begrüßen, da rauscht schon seine Handkante in Richtung meines Kopfes. Ist wohl doch nicht so dumm, weiß was ’ne Finte ist. Ich tauche in seinen Schlag rein, nehme ihm die Kraft und fange mir den ersten Treffer ein. Dafür landet meine Faust auf seiner rechten Niere. Ungebremst.
Ich schüttele mir die Tränen aus den Augen, Schmerzen habe ich keine, ich vertrage so einiges. Er hat seinen Flug abrupt beendet, will wieder angreifen, aber erstmal bin ich an der Reihe. Mit zwei schnellen Schritten bin ich bei ihm, kralle mich in seine verklebten Strähnen und reiße das Knie hoch. Sein Nasenblein splittert und ich merke wie sich zwischen Knie und Hand sein Jochbein verschiebt. Blut durchnässt meine Hose. Das war’s dann wohl.
Ich spucke etwas von meinem Blut auf den Boden, sein Schlag hatte wohl doch etwas mehr Erfolg als ich dachte. Was soll’s, ich streich die Kohle ein und geh’ nach Hause.
Hinter mir erschallt ein Lachen. Ich drehe mich um, da steht der Typ mit den Händen in der Hüfte und lacht mit blutend eingedrücktem Gesicht wie der Oberschurke seiner geliebten Animes. Muss er wohl vor dem Spiegel geübt haben. Warum steht der Arsch noch? Ich hasse diese Typen, muss man solange prügeln bis sie sich nicht mehr bewegen. Scheiß Traumadämpfer. „Leg dich wieder hin! Sonst knüppel ich dich tot!“ raunze ich ihn an.
Diesmal will er mich mit einem gewaltigen Schlag treffen, versteckt hinter einer komplizierten Trittkombo. Ich weiche mühelos aus, blocke seinen Arm und schlage mit der anderen Hand auf seinen Ellenbogen. Unter seinem ungläubigen Blick bricht sein Arm, Muskelstränge reißen, Sehnen schnappen. Er hat die Zähne zusammengebissen, in Erwartung des nicht eintretenden Schmerzes. Er versucht mich mit links zu schlagen, aber ich bin schon hinter ihm, trete ihm die Beine weg und beschleunige seinen Fall mit einem Schlag gegen seinen Kopf. Von oben, seitlich hinters Ohr. Die Haut über den titanverstärkten Fingerknöcheln platzt auf. Seine Augenlider flattern, Ich trete ihm zur Sicherheit mit dem Stiefelabsatz gegen die Schläfe. Das gelegentliche Zucken seiner Beine geht in Konvulsionen über, jetzt bleibt er liegen. Selber schuld.
Hände klatschen mir auf die Schulter, die Horde jubelt, Plastikmünzen wechseln den Besitzer. Ich schiebe die primitiven Visagen beiseite, trete einen blauen Müllsack aus dem Weg und gehe rein. Dario wartet schon grinsend auf mich. Ist mein Cousin, glaub ich. Betont er zumindest wenn seine „Geschäftspartner“ in der Nähe sind. Hält ihn trotzdem nicht ab mit mir sein Wettgeschäft ins Laufen zu bringen. ‚Hoi Grendel, das war chakka!’ schüttelt er mir die bluttriefende Hand. ‚Hey, willst du noch einen Kampf? Sind diesmal auch 250 drin. Häh? Na wie wär’s?’
Ich grunze nur und grabsche ihm den Stimpatch aus der Hand. Heißt wohl soviel wie ja…