Ach ja, und schnell geht es auch. Hier was ich bisher habe:
Rainier Delacroix wurde am 17. Juli 2042 in Montreal geboren. Von Anfang an stand er auf der Verlie-rerstrasse. Seine Eltern Justine und Claude hielten sich viel zu sehr an verschiedenen Rauschgiften fest, als das sie ihrem Sohn auch nur im Entferntesten einen festen Halt hätten bieten können. Sie zogen mit ihrem Kind und ihrer Habe von einer behelfsmäßigen Bleibe zur nächsten, ständig auf der Suche nach einem halbwegs akzeptablen Schlafplatz und auf der Flucht vor ihren Gläubigern.
Natürlich besuchte Rainier niemals eine Schule. Die Fähigkeit zu Lesen und zu Schreiben konnten ihm seine Eltern noch gerade so vermitteln, und auch die Grundrechenarten lernte er von ihnen, aber es war nie akademischer als das, was man im Sprawl zum Überleben brauchte. Wie viele in seiner Situation schloss auch er sich mit anderen Kindern und Jugendlichen zu Gangs zusammen. Die Gangs bestanden häufig nur solange, bis der Stärkste von ihnen nicht mehr stark genug war, um wei-ter das Zepter in der Hand zuhalten und sich der Rest der Gruppe um die Reste prügelte. Rainier hielt sich aus diesen Konflikten nach Möglichkeit heraus, da er wusste, dass er nicht zu den Kräftigsten gehörte. Er sorgte lieber dafür, dass es immer soviel gab, dass auch er etwas abbekam. Dies tat er hauptsächlich durch Betteln und kleine Diebstähle. Ansonsten verhielt er sich friedlich. Er hatte meist mehr Erfolg, wenn er diplomatisch vorging. Er hatte in seinen Gangs meist die Position neben dem Anführer, da er es häufig schaffte, seine Ideen möglichst gut zu verkaufen.
Besonders die billigen Sarghotels an den Einreisezentren wie Flughafen und Bahnhöfe waren sein bevorzugtes Revier. An diesen Orten trieb er sich herum und versuchte an das Mitleid der Gäste zu appellieren. Wenn das Mitleid nicht reichte, machte er sich daran das heimlich mitgehen zulassen, was er zuvor nicht freiwillig erhalten hatte.
So war es auch im Herbst 2053. Der Tag hatte sich als totaler Reinfall erwiesen. Er war von seinem Stammplatz am Flughafenhotel vertrieben worden, und auch sonst hatte sich nichts ergeben. Um wenigstens etwas in den Magen zu kriegen machte er sich auf den Weg zu dem letzten seiner Stammplätze, einem Sarghotel in der Nähe eines großen Bahnhofes, der meist zur Abendzeit recht ruhig da lag. Er mochte diesen Ort eigentlich nicht, da er selbst für die Verhältnisse in Montreal schä-big war und dort sich das wirklich zwielichtige Gesindel herum trieb. Aber der Hunger war stärker als die Angst und der Eckel vor dem schmierigen und von Smog braun gefärbten Regen, der mit beharrli-cher Penetranz vom Himmel fiel. Missmutig stellte Rainier den Kragen seiner Sportjacke hoch, so das man sehen konnte, das sie früher vielleicht mal blau war, statt braun, schwarz und grau. So saß er lange am Eingang und wartete. Niemand kam. Nichts geschah. Stunde um Stunde saß er da, ohne das er seinem Ziel etwas zu essen zu bekommen auch nur einen Schritt näher gekommen wäre.
Während der ganzen Zeit regnete es weiter und die nach Petroleum stinkende Brühe hatte ihn bald bis auf die Haut durchnässt.
Es wurde so schlimm, dass Rainier sich entschied es zu wagen, sich durch die Lobby des Hotels zu den Waschräumen zu schleichen, damit er am nächsten Morgen wenigstens nicht mit juckendem Ausschlag am ganzen Körper aufwachen würde. Vorsichtig nährte er sich der Glastür und blickt hin-ein. Von dem Portier war nichts zu sehen. Auf dem zerschlissenen Sofa lag ein dunkel gewandeter Elf und schlief. Behutsam schlich er durch die Lobby und erreichte die Waschzellen. Wehleidig warf er einen Blick auf die Duschen, aber die waren nur mit einem Zimmerschlüssel zu bedienen, also musste er sich mit dem Waschbecken begnügen. Er stellte das Wasser an und wusch sich und seine Kleidung so gut es ging. Am ende war er kaum sauberer, aber wenigstens stank er nicht mehr so bestialisch wie vorher. Dafür war das Waschbecken nun versaut und Rainier wusste, dass er gut daran tat, sich schleunigst aus dem staub zu machen, wenn er nicht riskieren wollte, das ihn der Portier erwischte. Also öffnete er langsam die Tür und lugte vorsichtig hindurch.
Alles war noch genauso wie vorhin gewesen. Innerlich atmete Rainier auf und machte sich auf den Weg nach draußen, als er plötzlich die Tasche sah, die neben dem Elfen auf dem Boden stand. Er bedankte sich bei der Welt, dass sie so viele Idioten hervorbrachte und schlich näher. Der Elf rührte sich nicht. Zum ersten Mal sah Rainier ihn wirklich an und was er sah, ließ ihn einen Augenblick zö-gern. Das Gesicht des Schlafenden war unter einer solchen Menge an Piercings begraben, dass Rai-nier sich unwillkürlich fragte, ob der Kerl noch beerdigt oder gleich verschrottet werden würde, sollte er sterben. Auf der Brust zogen sich schwarze und komplizierte Linienmuster entlang, die meisterhaft tätowiert worden waren. Aber das war es nicht, was Rainier zögern ließ. Es war nichts Sichtbares, sondern eher ein mulmiges Gefühl, dass ihn überkam, als er den Elfen ansah. Etwas in ihm sagte, nein schrie grade zu, dass es ein großer Fehler war, was er hier gerade tat. Unglücklicherweise war das Grollen seines Magens lauter als die Stimme und so griff er nach kurzem Zögern zu.
Er presste die Tasche an sich und schlich so gut es ging weg. Es ging super. Bis er dieses leise klin-gen von vielen kleinen Metallteilen hörte, welches ihn zusammen fahren ließ. „Großer Fehler, Bur-sche.“ Die Stimme war schneidend wie Monodraht. Rainier drehte sich nicht um sondern spurtete los, die Distanz zwischen ihm selbst und der Tür mit drei schnellen und weiten Schritten überbrückend. Er riss die Tür auf und rannte hinaus in den Regen. Hinter sich hörte er, wie sein Verfolger klimpernd nach kam.
Hab ich heute in knapp 2 Stunden zusammen bekommen.