Wirtschaftliche Beteiligung an universitären Studien

  • Wie ich aus den Nachrichten erfahren habe, wird das "Exzellenz-Programm" für deutsche Unis demnächst in Kraft treten. Neben vielen anderen Dingen in diesem Programm finde ich es erschreckend, dass damit per Regierungsverfügung festgeschrieben wird, dass sich Stiftungen aus der Wirtschaft konkret an universitärer Forschung beteiligen. Klar, die haben mehr Ressourcen, aber ich bezweifle, dass sich Uni-Forschung dann noch ihre Unabhängigkeit wahren kann.
    Da "meine" Uni schon seit längerem Stiftungs-Uni ist, warte ich nur darauf, dass sie sich bald Siemens-Uni nennen darf (oder doch Saeder-Krupp?). Die Volkswagen-AutoUni existiert ja tatsächlich schon und darf auch staatlich anerkannte "Master"-Abschlüsse verleihe. Gibson hatte echt dunkle Visionen...

  • Hallo!


    Ich sehe dabei keinerlei Problem.
    Die Wirtschaft beteiligt sich seit Jahrzehnten an der universitären Forschung, teilweise in Form von Stipendien oder Stiftungen, ohne danach die Ergebnisse für sich zu fordern, teilweise durch direkte Förderung, wonach eventuelle Verwertung (in der Regel zeitlich beschränkt) beim Förderunternehmen verbleibt. Beide Dinge würden ohne Förderung ersatzlos wegfallen.
    Kritisch würde es natürlich dann, wenn es keine unabhängige, rein staatliche Forshcung mehr gäbe, aber die Gefahr sehe ich nicht. Und wie man beim Genom-Projekt gesehen hat, kann privatwirtschaftliche Konkurrenz öffentlich-rechtlicher Forschung ganz schön Beine machen.


    Gruß


    Quichote

  • Also, der erste Beitrag stammte von mir und ich hatte ihn im "Cyberpunk Today"-Thread gepostet.
    Und ich finde ihn dort auch sinnvoll, denn ein großer Teil des Cyberpunk-Szenarios macht IMO die umfassende Macht der Konzerne aus. Dies spiegelt sich auch darin wieder, dass es immer weniger unabhängige Forschung gibt. Und dazu gehören sich auch durch derartige Programme, wie das aktuelle der Bundesregierung.


    Jetzt wieder Inhaltliches:
    Klar fördert die Wirtschaft seit Jahrzehnten auch universitäre Forschung, aber wie Du schon selber gesagt hast, verbleiben die Ergebnisse zunächst bei den Geldgebern. Das finde ich auch noch nicht so schlimm wie die Möglichkeit, dass die Wirtschaft darüber entscheiden kann, über WAS geforscht wird. Da können sich recht schnell unangenehme Entwicklungen ergeben, wenn ich da an manche Bücher und Filme denke. Es werden nun mal nur selten Studien in Auftrag geben, an denen sich nur wenig Geld verdienen lässt.


    Das Genom-Projekt ist übrigens ein Beispiel dafür, was passiert, wenn die Wirtschaft überhand in der Forschung niimmt: Die herausgefundenen Daten wurden AFAIK lange Zeit nicht der Öffentklichkeit zugänglich gemacht. Dabei hätten sich daraus bestimmt einige wietere medizinsche Kenntnisse gewinnen lassen..

  • Ich halte es für gewagt, verzerrt und schlichtweg falsch. Letztlich diktiert "die Wirtschaft" welche Fachbereiche förderungswürdig sind und welche nicht (allein durch Selektion), was eben dazu führt, dass "kritische" Fächer mehr und mehr untergraben werden. Stellen werden nicht neu besetzt, Austrocknung etc. Wenn dann ein Pool und die Uni kann über die Gelder autonom bestimmen. Somit kann nicht "die Wirtschaft" diktieren, was ja als Ziel auch irgendwo dahinter steht. Es gibt ja sonst auch die Möglichkeit Privat-Unis aufzuziehen...

  • "LOST" schrieb:

    Ich halte es für gewagt, verzerrt und schlichtweg falsch.


    Sorry, aber was hälst Du denn nun für falsch? Deinen Argumenten kann ich ja zustimmen bzw. führen doch das fort, was ich geschrieben habe (oder verstehe ich Dich falsch?).
    Ach ja, "die Wirtschaft" ist in der Tat schlecht formuliert, ich bitte, diesen Begriff durch "einzelne führende und finanzstarke Unternehmen" zu ersetzen.


    "LOST" schrieb:

    Wenn dann ein Pool und die Uni kann über die Gelder autonom bestimmen. Somit kann nicht "die Wirtschaft" diktieren, was ja als Ziel auch irgendwo dahinter steht. Es gibt ja sonst auch die Möglichkeit Privat-Unis aufzuziehen...


    Hmmh, eine Uni, die autonom darüber entscheidet, in was sie das Geld ihrer Geldgeber steckt? Das halte ich für unwahrscheinlich. Die Probleme sind ja auch heute schon sehr stark in den Forschungsbereichen.
    Und die Austrocknung ist ja auch heute schon zu merken, in dem die Geisteswissenschaften, die sich nicht mit Wirtschaft oder evtl. noch Jura beschäftigen, immer mehr zurück gefahren werden. Das sind leider keine Klischees, sondern bittere Wahrheit.
    Und da spiegelt sich auch eindeutig die immer stärkere Abhängigkeit staatlicher Forschung und Bildung von "einzelnen führenden und finanzstarken Unternehmen" ab.


    Und ich halte das immer noch für schon jetzt realisierte Cyberpunk-Elemente...

  • Nope, du verstehst mich richtig.
    Und ich halte das auch für jetzt schon realisierte Cyberpunk-Elemente. Ebenso die Umsetzung einer in meinen Augen total unsinnigen Elite-Uni auf Kosten der restlichen Betriebe. Im übrigen auch die Folge eines politischen Einbruchs der "Wirtschaft" gegenüber.

  • Auf der einen Seite vielleicht bedenklich, auf der anderen Seite wieder einfach nur normal.


    Seien wir mal nüchtern: Wer bestimmt denn unsere Forschung? Was wäre wohl besser?


    - Wirtschaft (Unternehmen mit Kapital)?
    - Der Staat (Politik)?
    - Andere Staaten (Aussenpolitik)?
    - Die Religion/“Moral“?
    - Die Bürger, die die Bildung in Anspruch nehmen?


    Eines schlimmer als das andere. Der Wirtschaft ist die Bildung schnuppe, solange sie nicht selber auch etwas davon haben. Dem Staat ist es wiederum schnuppe was geforscht wird. Hier zählen wissenschaftliche Erkenntnisse nur zum Prahlen im Ausland oder zum Stimmenfang. Die Religion ist scheinheilig und gegenüber neuen Erkenntnissen grundsätzlich skeptisch eingestellt. Und die Bürger letztendlich haben (zumindest i. d. R. ) keine genaue Ahnung was sinnvoll wäre zu forschen und was uns wirklich etwas langfristig bringen würde.


    Es müsste so etwas wie ein Forschungsgremium geben, in denen Vertreter aller Interessengruppen miteinander zusammenarbeiten (So eine Art UN-Weltforschungsrat) um diese Entscheidungen zu treffen. Und sämtliche Gruppen könnten dann Ihre Anliegen diesem Gremium vorstellen.

    "Ich dachte immer, es gibt keine Draaaaaaaarrrrggggghhhh...!!!" (Letzte Worte eines Trolls vor seinem Feuertod...)

  • Hallo!


    Ich glaube, so ein Gremium würde es nur noch schlimmer machen: Gerangel um politischen Einfluß, Bremsen bis zur Handlungsfähigkeit und Chancenlosigkeit für neue Konzepte, von denen der Rat mangels Einsicht oder mangels Einflusses der Antragssteller nicht überzeugt ist ...


    Grundsätzlich finde ich es nicht negativ, wenn Firmen Forschung sponsorn. Es ist einfach nicht genügend Geld da, um ohne solche Mittel wettbewerbsfähig zu bleiben. Bedenklich wird es natürlich dann, wenn der Staat das zum Anlaß nimmt, sich aus der Forschung zurückzuziehen. Neben geförderter muß es also auch weiterhin öffentlich-rechtliche Forschung geben. Auch da aber würde es gar nicht schaden, ein bißchen wirtschaftlicher zu denken. Die Fraunhofers beispielsweise haben MPEG erfunden, eine Menge Firmen verdienen eine Menge Geld damit, aber das Institut sieht keinen Groschen davon.


    Gruß


    Quichote

  • Das Fraunhofer-Institut arbeitet aber nicht ehrenamtlich:


    http://www.fraunhofer.de/fhg/company/index.jsp


    "www.fraunhofer.de" schrieb:

    Ungefähr zwei Drittel dieses Leistungsbereichs erwirtschaftet die Fraunhofer-Gesellschaft mit Aufträgen der Industrie und öffentlich finanzierten Forschungsprojekten. Ein Drittel wird von Bund und Ländern beigesteuert, ... ...


    Ich weiss zwar nicht, wer das MPEG Format oder im speziellen das MP3 Format in Auftrag gegeben hat, aber ich bin sicher, die Jungs vom Fraunhofer Institut sind daran nicht erarmt.


    Du hast aber Recht wenn Du meinst, dass sich ein grosses Gremium immer irgendwie behindern könne. Aber das tun die verschiedenen Interessengruppen sowieso, ob sie jetzt (offiziell) etwas mitzubestimmen haben oder nicht. Ich fände es besser, wenn es hier wenigstens eine Regelung mit Hand und Fuß gäbe.


    Aber in der Realität gibt es bloss meinungsgefärbte Schlammschlachten, meistens ohne fachlichen Hintergrund und der Darlegung sämtlicher Perspektiven und Folgen.


    Irgendwann entscheidet dann die Politik, dass das Thema mittlerweile am Brodeln ist, und dass jetzt schnell eine - aber wenn schon, dann bitte kompetente - Entscheidung hinsichtlich zukünftiger Forschungen zu treffen ist.

    "Ich dachte immer, es gibt keine Draaaaaaaarrrrggggghhhh...!!!" (Letzte Worte eines Trolls vor seinem Feuertod...)

  • Hallo!


    Zitat

    Ich weiss zwar nicht, wer das MPEG Format oder im speziellen das MP3 Format in Auftrag gegeben hat, aber ich bin sicher, die Jungs vom Fraunhofer Institut sind daran nicht erarmt.


    Meines Wissens (was dem Lehrmaterial meines Technikprofs entspringt; selber nachgeprüft habe ich es nicht) war MPEG keine Auftragsentwicklung, sondern ein eigenes und staatlich gefördertes Projekt, bei dem man die Ergebnisse veröffentlicht hat, ohne ein Patent anzumelden. Es fließen also keine Lizenzgebühren, und das finde ich schon einen ziemlichen Patzer. Forschungsdaten zu veröffentlichen, ist notwendig; an einer erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung aber nicht zu partizipieren, dumm. Das können US-Einrichtungen besser, wird aber in der Form bei Fraunhofers auch nicht mehr passieren, glaube ich.


    Gruß


    Quichote

  • Es ist allerdings blöd, sollte dieses Projekt wirklich auf deren eigenen Mist gewachsen sein.


    (Wobei ich denke, wenn es staatlich gefördert war, dann sollten ihnen wenigstens keine groben Unkosten entstanden sein. )


    Ich meine: Wer kein Geld will, hat schon genug davon. 8)

    "Ich dachte immer, es gibt keine Draaaaaaaarrrrggggghhhh...!!!" (Letzte Worte eines Trolls vor seinem Feuertod...)