Moin!
Sehr interessanter Thread. Es hat mich sehr überrascht, dass viele hier das "realistische" Rollenspiel bevorzugen.
Kurz zu unserer Runde allgemein, bevor ich auf meine Vorlieben eingehe:
Wir sind eine Gruppe von Rollenspielern, die schon Jahre spielt (12 oder mehr). Einen Großteil spielen wir auch schon Shadowrun und einen Großteil schon regelmäßig jede Woche 1x. Allerdings spielen wir neben Shadowrun auch noch einen Haufen anderer RPGs, wobei Shadowrun zur Zeit aber klar überwiegt.
Auch ist es bei uns so, dass gerade Shadowrun auch von fast allen gemeistert wird. Der Bekanntheitsgrad der Welt ist dadurch relativ hoch (früher als wir nur zwei wirkliche Meister hatten, hatte sich einer Seattle und der andere ADL als seinen "Claim" gesteckt, mittlerweile geht das sehr durcheinander, weil es mndst. vier Leute sind, die regelmäßig meistern). Jeder von uns hat eine ganze Reihe von Runnern verschiedenster Art. Darunter befinden sich einige Prime-Runner, die es schon seit sicher 10 Jahren oder länger gibt, aber auch Frischlinge und Mittelmaß. Irgendwann haben wir auch tatsächlich mal eine Gang-Kampagne gespielt mit wenig Kohle, wenig Cyberware und haben uns hochgearbeitet. War sehr interessant.
Es läuft im Wesentlichen so ab, dass, wenn jemand eine Kampagne oder ein Abenteuer meistert, der Meister sagt, was er so ungefähr haben möchte oder was sinnlos ist (oder auch das es keine Einschränkungen gibt), dann wird darauf geachtet das die Runner ungefähr zusammen passen (also kein absoluter Newbie und ein >40 Karmapool-Monster) UND (ich denke, eigentlich selbstverständlich, aber ich erwähne es mal), dass sie nicht gerade in einer anderen Kampagne stecken - wir meistern eben auch durcheinander und nicht eine Kampagne am Stück. Das lockert auf.
In diesem Bereich haben wir dann auch oft richtiges Rollenspiel. Z.B. war es ein großes "Hallo", als sich meine elfische Sprengstoffexpertin und ein zwergischer Söldner, die früher viel zusammen gearbeitet haben, nach fast 20 Jahren mal wieder in einem Auftrag über den Weg gelaufen sind.
Auf der anderen Seite kommt das Rollenspiel mit NSC (gerade mit "Kumpeln", bzw. "Stufe 2 Connections") leider oft zu kurz. D.h., die Interaktion zwischen den Charakteren stimmt, aber die Interaktion mit der Umwelt hapert öfter, wie ich finde.
Was die "Spotlight-Time" der einzelnen Charaktere angeht (was ja auch ein wichtiger Teil ist), so ist das sehr unterschiedlich. Manchmal klappt das sehr gut, manchmal wird aber auch geblockt (von einer der beiden Seiten) oder es wird überstrapaziert. Aber das ist vielleicht auch normal.
Was den Grad des Realismus in Shadowrun angeht, so befinden wir uns auf einem mittleren Level, denke ich. Wir haben ein paar Hausregeln, aber im Groben und Ganzen richten wir uns schon nach den Regelwerken und da würde ich Shadowrun schon zu den cineastischen Rollenspielen zählen. Auch stirbt bei uns (das zieht sich aber durch alle Rollenspiele) bei den meisten Meistern ein Charakter nur aus zwei Gründen: Entweder er hat einfach etwas total hinrissiges, idiotisches getan, was offensichtlich nicht gehen kann ("Ich bin Suuuuupermaaaaaaan"), oder er hat einfach sehr, sehr viel Pech. Meistens gibt es noch ein oder zwei Wege, den Tod zu verhindern, wenn der Charakter keine Schuld trägt. Wenn er da aber dann eben auch Würfelpech hat, ist es dann doch mal Schicksal. Aber der Charakter, an dem man 5 Jahre gefeilt hat stirbt eigentlich selten, weil er mal bei einer Wahrnehmungsprobe total versagt hat und deshalb den Scharfschützen leider nicht bemerkt hat, oder den Sensor, der den Alarm auslöst. Vielleicht ist er bei T, aber er kann eventuell stabilisiert werden, oder er landet im Knast etc.
Ach ja: Durch die vielen Meister gibt es allerdings eine Einschränkung: Wirkliche "die Welt geht unter wenn ihr versagt"-Abenteuer sind eigentlich nicht möglich, es würde nicht passen, wenn die Charaktere von total verschiedenen Welten wechseln. Allerdings sehe ich Shadowrun auch nicht als ein Rollenspiel dieser Art an. Gewisse Spielwelt-Beeinflussende Effekte treten natürlich schon auf, aber diese müssen nicht unbedingt im Widerspruch zu anderen Welten stehen. Möchte man etwas bombastisches leiten, stehen einem ja als "Notnagel" auch die Metaebenen zur Verfügung.
So, zu Letzt noch etwas zu meinem eigenen Meisterstil:
Ich persönlich meistere gerne Abenteuer, in denen die Charaktere denken müssen. Also nicht einfach nach Plan Z11/2 vorgehen können, sondern eventuell auch knobeln müssen. Manchmal (das geht allerdings bei Shadowrun nur bedingt) versuche ich auch, Gegenstände in der Spielwelt mit realen Rätseln zu verknüpfen (in Fantasywelten sind das dann mal Steinkominationen, in SR musste mal ein Code eigenhändig von den Spielern geknackt werden). Das bringt - in Maßen - Abwechslung und neue Anreize.
Darüber hinaus zwinge ich Charaktere nicht in Handlungsfäden. Grundsätzlich überlege ich mir ein Setting, auch wie es Ablaufen sollte, überlege mir aber auch ggf. Konsequenzen, die passieren, wenn die Charaktere scheitern bzw. ablehnen. Dann wird im Abenteuer selber ein bisschen improvisiert, eventuell gibt es sofort Konsequenzen, oder es kann auch sein, dass sich das erst in einem späteren Abenteuer auswirkt, wenn es denn passt. In meinen Augen trägt es auch zur Konsistenz der Spielwelt bei, wenn man mal später auf NSCs trifft, die man von früher kennt und die Spieler vielleicht erkennen (hoffentlich zumindest ^^) das sie das Problem selbst verursacht haben bzw. es vielleicht wesentlich früher wesentlich einfacher aus der Welt hätten schaffen können...
Ebbie