[IP] Dunkel

#141 – SL

Sag’s ihnen ins Gesicht

Die Zeit hat beschlossen ihr paradoxes Verhalten unter Beweis zu stellen und wird durch den großzügigen Schub Adrenalin in euren Blutbahnen zu einem Gummiband im Raum-Zeit-Kontinuum; die Welt versinkt in Schwere, wie ein altes Kaugummi, während ihr eure Gedanken rasen hört. Wahrnehmen, Abwägen, Entscheiden, Handeln.

Mit einer Behändigkeit und Geistesgegenwart, die ihr dem Squatter auf den ersten Blick nicht zugetraut hättet, setzt Quigg über die blaue Lache hinweg. „Sag’s doch, die Hintertür!“ kommentiert er bissig, dann taucht er in die Dunstwolke, die ausgezogene Stütze der Ingram an seine Schulter gepresst.

Durch den Ausfall der Klimaanlage hängt immer noch der Gestank verbrannten Diesels in der Luft, jetzt untersetzt mit unvollständigen Verbrennungsprodukten natürlicher Stoffe, menschlichen Fleischs um genau zu sein. Scheint als ob der Mut der Ganger hart bestraft wurde, Susans Vermutung wird durch einen gellenden Schmerzensschrei aus der Lager bestätigt. Von ihrer Position aus kann sie die Eingangstür im Auge behalten, gegen die zwei Schrotladungen rasseln und das geschundene und verformte Panzerglas von seiner Aufgabe erlösen.

Neben Urban und Shamus zerschellt das metallgitterverstärkte Glas auf dem Boden, gleichzeitig trommeln weiter Schüsse auf die Ladenfront und jetzt auch in den offenen Laden hinein. Außer Mündungsblitzen hinter Hausecken und Autodächern ist in der Dunkelheit nicht viel zu erspähen. Die vollständige Deckung der Blue Blunts schmälert – zu eurem Glück – deren Genauigkeit; einige Querschläger jaulen durch den Verkaufsraum. Hank erahnt mit seinem Radarsensor die Bewegungen der Bewaffneten, ganz augenscheinlich dient der Beschuss der Vorbereitung eines direkten Angriffs. Urban hatte Recht.

Auch wenn sie es wollten, Grey und David haben keinen Gegner auf den sie zielen könnten, was einerseits frustrierend ist da sie ihre aufgestauten Gefühle nicht in Form von geballter Gewalt entladen können, andererseits wird die in jedem Menschen innewohnende Furcht vor dem Unbekannten noch verstärkt. Ein fehlgeleitetes Projektil durchschlägt einen weiteren Behälter und rotes Ludivenko Lovely Soya-Sloppie™ pladdert weich über Greys Kopf und Schultern.

#145 – SL

Sag’s ihnen ins Gesicht

Quigg feuert eine lange weite Salve durch den Türrahmen in den Innenhof, dann lässt er sich Deckung suchend an die Wand fallen. Von draußen ertönt ein erstickter Schrei und ein Geräusch als würde ein schwerer nasser Sack umfallen. Frankie verbirgt sich an der anderen Seite, der Schwung seines Bewegung lässt ihn auf dem Trollblut fast ausrutschen. Wie Glühwürmchen setzen die letzen glimmenden Kartonstücke zur Landung an und erlöschen zischend in der dunkelroten Lache.

Mit einem Kampfschrei springt Urban aus seiner Deckung hoch, feuert und trifft tatsächlich einen Ganger. Als wäre das ein Startsignal, antworten vier Blunts mit Vergeltung für den weiteren Tod eines der Ihren und da Urban ihr einziges sichtbares Ziel ist, entlädt sich ihr Hass an dem Verursacher dieser Situation.

#151 – SL

Sag’s ihnen ins Gesicht

Susans Hoffnung wird erfüllt, von ihrem Punkt aus ist kein Gegner zu erahnen. Sie sind so klug um nach dem überschwänglichen Empfang durch den durchgeknallten Gehörnten sich auf konzentriertes Unterdrückungsfeuer zu verlassen, das sich in Form von gelegentlichen Querschlägern deutlich macht, die funkensprühend in der Dunkelheit den Stuffer Shack in ein Schlachtfeld verwandeln. Wie zum Beweis lösen sich einige Packungen in ihre Bestandteile auf und versprühen oranges Pulver im Gang welches zu einem nach Schnitzel riechenden Schaum wird. Der Zwerg namens Hank hatte etwas vom Einschalten der Komms gerufen aber Susan erschließt sich noch nicht ganz der Sinn seiner Idee, sie ist zu sehr damit beschäftigt, die Erinnerungsfetzen unter Kontrolle zu halten.

David wird das Ergebnis durch einen Schmerzensschrei von draußen gewahr; hätte er sich in Actiontrid-Manier breitbeinig in die Hintertür gestellt, um mit lässigem Lächeln seinen Gegner beim Sterben zuzuschauen, hätte ihn dessen Kumpel mit einer Salve umgelegt. So schlagen die Kugeln der Maschinenpistole in die Kartonreste ein und lassen klebrig-gelbes Soja aus einem großen Karton laufen, der mit ‚Harland’s Tasty Fried Chicken Substitute’ beschriftet ist.

Quigg beantwortet den Anschlag auf den Nahrungsersatz seinerseits mit einer Salve, die dem blaugewandeten Attentäter seiner gerechten Strafe zuführt. „Sauber soweit!“ zischt er David zu. „Rechts von der Tür ist ein Container. Ich geb’ dir Deckung. Los!“

Urban macht seinem Ruf alle Ehre und dem schwarzen Monster eine weitere Kerbe auf seiner Seele. Hinter dem grünen Kleinwagen versucht der Blunt, der dreist Urbans Stil kopiert hat – ausschließlich er hat das Recht auf dieses Erkennungsmerkmal in Seattle – auszuweichen, was ihm nur mittelprächtig gelingt. Sein rechtes Auge wird zu einer leeren Höhle und sein Hinterkopf zum Urheber für den Pollock in rot und grau auf dem Asphalt.

#153 – SL

Sag’s ihnen ins Gesicht

Quigg ist eine ungezielte Salve ein Gräuel, bedeutet es doch die Verschwendung von seiner spärlichen Munition. Er hat nur den geladenen Streifen in seiner Smartgun und derzeit besteht nicht die Aussicht, dass er die Beute aus dem Banküberfall kurzfristig in Nuyen umsetzen kann; zunächst muss er heil aus dieser Sache rauskommen. „Los geht’s!“ macht er David und auch sich selbst Mut, dann wirbelt er um den verbogenen Türrahmen in die Deckung des Müllcontainers auf der rechten Hand.

Urban löscht ein weiteres Leben aus, die Kugeln durchschlagen die Scheiben der motorisierten Deckung und das Ziel dahinter. Der Zweite schafft es allerdings, sich rechtzeitig hinter das rettende Leichtmetall zu ducken. Der gehörnten Ork bleibt von dem gegnerischen Unterdrückungsfeuer nicht vollständig verschont, mehrere Kugeln treffen ihn.

Susan bleibt von der Last reaktionsschneller Handlungen zunächst befreit und hält ihren Kopf hinter dem Tresen, über den in ständiger Folge die Querschläger jaulen. Ein Blick über ihre Schulter zeigt ihr, dass es Grey im Moment ebenso geht, mit dem Unterschied, dass diese in einer zunehmend größeren Pfütze aus klebrig-bunter Viskosität sitzt.

Davids Sorge um einen versteckten Angreifer stellt sich als nicht unbegründet heraus, er hört Quiggs Maschinenpistole rattern, dann hechtet er ins Freie. Draußen ist er schon einmal, was aber noch lange nicht heißt, dass er es hinter sich gebracht hat und die Gruppe in Sicherheit ist. Im Gasseneingang wartet ein weiters Gangmitglied, dass soeben mit seiner Pistole auf den unglaublich schnellen Schemen von Quigg geschossen hat. Sein Pech, jetzt treffen ihn Davids zwei Schüsse in die Brust. Die Wucht des Angriffs bleibt zum Teil in der Panzerung und verschont den voreiligen Schützen mit seinem Leben, reicht aber aus um ihn rücklings in den Müll zu werfen.

Frankie lässt Quigg und David an sich vorbei rauschen, in der vordersten Front fühlt er sich nicht unbedingt wohl und lässt die beiden Todesmutigen das blutige Werk vollbringen. Er bleibt in der zweiten Reihe und behält dafür den Überblick. Im erschließt sich eine wichtige Erkenntnis - das Voranstürmen durch den Hintereingang bedeutet, dass „Alle hier raus!“ können, was er in Richtung des Verkaufsraumes ruft.

Shamus zielt, schießt, und verfehlt. Die Gestalt mit dem auffälligen blauen Helm verschwindet hinter ihrer Deckung bevor sie getroffen wird. Shamus ärgert sich nicht lange, seine Aufmerksamkeit wird von etwas Anderem in Anspruch genommen. Sein peripheres Sichtfeld verschwindet, er nimmt die grünen Waschpulverkaskaden und verfetzenden Kleinelektrogeräte um sich herum nicht mehr wahr, die Zeit dehnt sich erneut wie Kaugummi unter der Nebennierenejakulation, seine gesamt Konzentration liegt auf der faustgroßen Olive die mit metallischem Hüpfen vor seinen Füßen zum Liegen kommt.

#157 – SL

Sag’s ihnen ins Gesicht

Das sofortige Abtauchen hinter den stinkenden Müllcontainer stellt sich als gute Idee heraus, denn mit lautem Knallen enden mehrere Geschosse im Metall. David hat in der Gassenmündung einen weiteren Ganger gesichtet, was er Quigg mit einem Handzeichen signalisiert. Er ist sich sicher, dass hinter dem Squatter mehr steckt, als es den Anschein hat und er mit der Geste etwas anzufangen weiß. Nur einen Wimpernschlag später stellt sich seine Vermutung als korrekt heraus, der Mann mit der zauseligen Mähne kommt nicht wie erwartet aus der seitlichen Deckung heraus, sondern schießt über das Hindernis hinweg. Ein erstaunt grunzender Blue Blunt kippt in den Müllberg hinter ihm.

Susan springt auf den Eingang zu, mit verbissenem Gesicht hechtet der kampfstarke Ork an ihr vorbei in den Laden hinein. Feigling! Würde es nach ihr gehen, hätte sie auch in Deckung bleiben können und den Schießwütigen seinem Schicksal überlassen. Schließlich saß sie nur wegen seines nervösen Zeigefingers in dieser dunklen Patsche. Nicht dass es ihr vorher unbedingt besser ging, aber immerhin wurde nicht auf sie geschossen. Die um sie pfeifenden Kugeln erfüllen sie mit wirren Gedanken, gegen die sie zum Glück ankämpfen kann, sie hat ihr Ziel klar vor Augen: das Leben eines Menschen beschützen. Der sympathische junge Mann in den schicken Klamotten kniet neben der Tür und starrt schreckerfüllt auf die faustgroße Todesdrohung.

Frankie spürt er das Brennen in seinen Lungen, dann wie sich eine wohlige Wärme in seinem Körper ausbreitet. Das vage Gefühl von high-sein, der leichte Schwindel, wird von den auf ihn urplötzlich einströmenden Sinneseindrücken fortgespült. Sein Kopf ist wie in Watte gepackt, eine taube Unwirklichkeit, und die Welt ist wie in Zeitlupe erstarrt, ein animiertes Wachsfigurenkabinett, durch das er staunend wandelt.

Eine Kugel streift Susans Gesicht und hinterlässt einen scharf brennenden Schmerz, wie einen Peitschenschlag. Wärme rinnt ihre Wange herab, gemischt mit salzigen Tränen der Verzweiflung. Sie muss es schaffen! Susan kommt aus dem Tritt, schlittert über den Boden und kann mit letzter Kraft das abgeplattete Rotationsellipsoid greifen. Als sich ihre Finger um die Granate schließen, kommt ihr ein erschreckend klarer Gedanke. Meistens wird es nicht als ein Zeichen von Klugheit gedeutet, wenn man auf einen Sprengkörper zurennt, der in wenigen Sekundenbruchteilen detoniert. Ihre rationale Gehirnhälfte stimmt dieser Aussage voll und ganz zu. Dann knallt es ohrenbetäubend.

#159 – SL

Sag’s ihnen ins Gesicht

Die Detonation der Granate kommt im Feuergefecht auf dem Hinterhof nur als dumpfer Knall an. Auf ein gemeinsames Nicken hin stürmen Quigg und David zur Mündung der Gasse und peilen vorsichtig um die Ecke. Bis zur Straße ist der Weg frei.
Der drogenbeschleunigte Frankie schreit „Weg hier!” in den Innenraum, dann macht er sich auch daran, das sinkende Schiff des Stuffer Shack zu verlassen und erkundet wagemutig – unter den wachsamen Augen und Waffenmündung von David – die Gasse.
Quigg entschuldigt sich mit einem „Brauche Muni.“ kurzfristig sammelt zwei Waffen der Ganger ein, nur noch wenige Patronen bewahren seine frisch erworbene Smartgun einer Existenz der Nutzlosigkeit.

Susan sieht den gleißend hellen Blitz nur wenige Meter vor sich, so erfolgreich sie zu der Granate geschlittert ist, so wenig vielversprechend ist ihr Wurf gelungen. Sie spürt wie eine Kraft an ihr zieht, sie von dieser Welt hinweg saugt während sich die tödliche Druckwelle vor ihr ausbreitet, Regale und Menschen verzehrend, und sie erfasst. So ist es also, wenn man stirbt. Kein beschissenes Licht am Ende des Tunnels. Man wird herabgesaugt in die Hölle. ‚War ja’n kurzer Auftritt.' denkt sie sich, den karierten Boden dicht vor Augen. Einen Wimpernschlag später kommt ihr eine Erkenntnis; zum Einen das sie mit ihren Wimpern schlagen kann – sie tut dies zur Sicherheit einige Male – und zum Anderen dass sich die Zeit weiter bewegt als wäre nicht geschehen, beides spricht dafür dass sie nicht tot ist. Das besorgte Gesicht von Gey schiebt sich in ihr Blickfeld, Hände greifen nach ihr.
Trotzdem die unheilvolle Granate auf dem Parkplatz explodiert ist, wird Shamus in den Raum geworfen, seine Ohren können sich nicht entscheiden ob sie dumpf ihren Dienst versagen oder benommen klirren sollen und tun beides gleichzeitig als Spiegelbild seiner gesamtheitlichen Verfassung. Er fühlt angenehm wenig Schmerzen, von der Druckwelle und dem Aufprall gegen den Automaten mal abgesehen, und schreibt diesen Zustand zunächst dem Wundschock zu – bis er an sich herab sieht und wider Erwarten keine Schrapnelle in ihm stecken.
Urban konnte einige Meter in Richtung des Hinterausgangs stürzen als ihn die Wucht erfasst und wie eine Puppe durch die Luft wirbelt. Mit einem Keuchen platscht er auf das Linoleum und die Luft wird ihm aus den Lungen gedrückt. Panisch überprüft er das Vorhandensein seiner Gliedmaßen und stellt erstaunt fest, dass er offenbar mal wieder Glück gehabt hat und keine Verletzung davon trägt. Scheint so, als hätte ihn sein bösartiger Begleiter ein weiteres Mal vor Schaden bewahrt.