Kurzgeschichte - bitte um Meinungen

  • Hiho.

    Ich möchte euch um Meinungen zu untenstehender Kurzgeschichte von mir bitten. Ich weiß, dass sie nicht selbsterklärend ist, aber darum geht es mir auch nicht im Besonderen. Mich interessiert vor allem, ob sie sich gut liest und spannend ist. Vielleicht macht sie ja auch Lust auf mehr, wer weiß (oder doch auf Präzisierungen).


    Ich habe sie verfasst, um meine Erlebnisse auf einem Solorum festzuhalten. Dabei handelt es sich wohl um den besten, den ich jeh gespielt habe. Nicht, weil er in eine große Kampagne eingebunden war (war er schon), ich viel Karma/Knete bekommen habe oder so. Sondern, weil ich damit beschenkt wurde, meinen Charakter absolut intensiv zu spielen, abseits von dem, was in unserer Gruppe möglich ist. Ab und zu gibt es das mal, ja, besonders mit einigen von unserer Runde, aber in der Ausprägung häufig und dann noch an fünf Abenden meistens nicht...


    Ein ganz kurzer Abriß zum Char und zum Setting.
    Aerian ist KidAd, Bogenschütze und Kampfstabschwinger, ich denke, das Bild ist recht eindeutig. ;)
    Setting: böse, böse Dämonen, um die es in unserer Kampagne geht, hatten nichts besseres zu tun, als die Schwester meines Chars, seine einzige noch lebende Verwandte, in ihre doofe Sekte zu holen usw....der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt


    Wie gesagt, soll nicht selbsterklärend sein, nur Spaß sollte sie machen....ähm...traurig sollte sie natürlich sein. ;)


    Viel Spaß beim Lesen. Ich würde mich, wie gesagt, über Anregungen freuen.



    Die Halle durchmaß vielleicht mehrere Dutzend Schritte. Am Ende eines langen Verbindungstunnels gelegen, wurde sie in diesem Augenblick nur von einigen Kerzenständern und Fackeln erleuchtet. Die Wände bestanden aus kunstvoll bearbeitetem Stein und waren riesigen Schwingen nachempfunden. Drachenschwingen. Der Ursprung dieser Schwingen war schnell auszumachen.
    Am hinteren Ende der Kaverne erhoben sich einige Stufen hinauf zu einem Podest, auf dem ein schlichter, dunkler Altar stand. Eine, in der Dunkelheit und dem flackernden Licht bleich schimmernde, Gestalt lag blutverschmiert auf ihm ausgestreckt. Hinter diesem Altar, edel, imposant und schrecklich anzusehen, erhob sich ein Sockel aus schwarzem Obsidian, der alles Licht zu verschlucken schien. Ohne einen sichtbaren Übergang ragte von ihm drohend ein Kreuz aus schwarzem Marmor in schwindelerregende Höhe auf. Ein Drache wand sich darum, seine kunstvoll gearbeiteten Schwingen gingen in Decke und Wände der Höhle über. Seine rubinroten, brennenden Augen schienen voller Hass und Belustigung auf die drei Elfen hinunter zu blicken, von denen zwei eng umschlungen vor dem Altar knieten und vor der Majestät und dunklen Herrlichkeit dieses üblen Monumentes hilflos und verloren wirkten.
    Der männliche Elf trug die Insignien eines Kriegers. Sein ganzer Körper war in schwarze Panzerkleidung gehüllt, ein schlanker Gürtel mit Halterungen, an denen hungrig funkelnde Wurfsterne befestigt waren, wand sich um seine schmale Taille, von einem weiteren Gürtel baumelte ein Dutzend Granaten. Um seine Schultern hing ein schmuckloser Lederköcher. In dem einen abgetrennten Segment steckte ein zusammengeklappter Präzisionsbogen, in der anderen Hälfte einige dutzend Pfeile. Er kniete. In seinen Armen, gegen den gottlosen Altar gelehnt, eine zerbrechliche, bleiche Gestalt. Ein ehemals weißes, nun durch Schweiß, Schmutz und Blut dunkles Unterhemd und ein Slip waren alles, was ihr als Kleidung diente. Beides klebte eng an ihrem schweißgebadeten Körper, ebenso wie ihr wohl einstmals schönes, dunkelbraunes Haar. Ihr gesamter Körper sah gebrochen aus. Er hatte eine ungesunde, kränkliche Farbe und war von unterschiedlich großen Beulen oder Pusteln überzogen, die irgendwie lebendig erschienen waren als sie noch lebte. In ihnen hatte es Bewegung gegeben, Bewegung von kleinen achtbeinigen Körpern, die sie…die sie geboren hatte.
    Die großen Augen des Elfenmädchens lagen tief in den Höhlen und waren blutunterlaufen, tiefe Ringe umgaben sie. Abgesehen davon sah das Paar sich sehr ähnlich. Wie Bruder und Schwester. Seine Züge waren vielleicht etwas härter, seine Augen etwas weiser, jedoch war er nicht minder schön. Oder…er wäre es gewesen, hätten nicht Staub, Blut und Tränen sein Gesicht zerfurcht, seine Augen gerötet und ihm ein schreckliches, grimmiges Aussehen verliehen.


    „Ich habe sie getötet. Ich…ich…habe meine eigene Schwester getötet…
    Nein! Ich habe sie erlöst! Es musste sein! Oh Delia…“
    Aerian schleuderte den kleinen Gegenstand seitlich von sich weg, unfähig das Instrument des Todes noch länger in Händen zu halten.
    Das Gammaskopolaminbeschichtete Keramikshuriken traf mit einem scharfen Klicken, das lang und unnatürlich laut in der großen Halle widerhallte, auf dem Stein des Sockels auf. Es schlitterte über den Rand hinaus und sprang die Stufen hinunter, bis es nahe der Stelle zum Halten kam, an der Edward Langdons Leiche liegen sollte. Der menschliche Anführer dieser grauenvollen Sekte hatte sich während ihres Kampfes schrecklich verändert. Seine väterlichen Züge waren einer grässlichen Fratze gewichen, die mit ihren ameisenähnlichen Greifwerkzeugen, die ihm geifernd aus dem Mund ragten, nicht länger als menschlich bezeichnet werden konnte. Seine Arme waren scharfen Klauen gewichen, seine Haut einem festen Chitinpanzer.
    Doch die verzerrte Gestalt des Dämons war verschwunden, vergangen in einem Regen von Asche und Funken. Was immer ihn an diese Welt gebunden hatte, was immer seine Quelle der Macht gewesen sein mochte, sie war vergangen. Aerians Speer hatte sich sauber unter dem verzerrten Kiefer in die widernatürliche, chitingepanzerte Haut seines Gegners gegraben und seinen Schädel durchstoßen. Hass. Er erinnerte sich noch allzu gut an diesen Ausdruck unglaublichen Hasses, der in den Augen der Monstrosität brannte, bevor sie in ihrem eigenen Feuer verging.


    Aerians Hand verharrte einige Augenblicke nach dem Wurf, mit dem er furchtsam den Shuriken von sich geschleudert hatte, bevor er sie herabsenkte und auf seinen Oberschenkel stützte. Sein Atem, der nach dem langen Kampf in kurzen heftigen Stößen gekommen war, ging mittlerweile wieder ruhig und gleichmäßig. Schweiß brannte in seinen Augen und vermischte sich mit den Tränen, die seine fein geschnittenen Wangen hinunter liefen. Ein Zittern überkam ihn und er fühlte Kälte. Er weinte hemmungslos, doch er war so kraftlos, dass es ihn dabei nicht mehr heftig schüttelte.
    „Delia“. Das Wort war mehr ein Hauchen, das ihm fast in der Kehle stecken blieb. Während seines Kampfes gegen die Akolyten der Sekte war sie hereingebracht worden…
    Seine andere Hand hob sich langsam an ihre Wange und streichelte sie sanft mit dem Handrücken. Sie antwortete nicht. Es musste sie sofort getötet haben.
    Ihr Körper, der so lange geschunden worden war, hatte es nicht überstehen können. Gammaskopolamin war ein sehr starkes Gift und betäubte den Körper fast augenblicklich. In ihrem erbärmlichen Zustand, als sie mehr tot als lebendig in seinen Armen lag, hatte es wahrscheinlich einen Schock ausgelöst und sofort zum Tode geführt.
    An ihrem Hals markierte ein winziger Schnitt die Stelle, an der die Klinge seines Shuriken sanft ihre Haut durchstoßen hatte. Er hatte sie im Arm gehalten, ihren Kopf an seiner Schulter, ihren Gesichter eng aneinander gepresst. Der kalte Schweiß ihres gebrochenen Körpers, der ihre wundervollen Haare strähnig an ihren Kopf geklebt hatte, war ihm in die Nase gestiegen. Seine Lippen berührten zum Abschied ihr Ohr…:
    „Keine Schmerzen……………….keine Schmerzen…………………Namarie muinthel nin…cuio vae.“
    Ihre Stimme war kaum mehr ein Flüstern. Sie schwand bereits: „Namarie hanar nin…a gen hannon.“…
    Diese Worte würde er nie vergessen.


    Die Erinnerung durchzuckte ihn und seine Kiefermuskeln spannten sich an, traten scharf hervor. Er hörte das Knirschen seiner Zähne. Das dünne Rinnsal seines Blutes, das zwischen ihnen hervortrat und von seinen Lippen tropfte, bemerkte er kaum. Seine Hände ballten sich hilflos zu Fäusten, als er sie auf seine Knie stemmte. Er senkte den Kopf und presste die Augen zusammen. Dass Zittern überlief ihn stärker und begann ihn nun wieder unkontrolliert zu schütteln. Ein Stöhnen entfuhr ihm.
    Er arbeitete sich langsam auf ein Knie hoch…dann auf das andere… und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen.


    So viel Tod. So viel Hass. So viel Verlust.
    Zwei geliebte Menschen waren ihm heute genommen worden. Sein Blick traf den Altar, an dem seine Schwester lehnte und auf dem ein weiter, doch nackter, blutiger Körper lag. Blut, unschuldiges Blut lief in feinen Rinnen vom Altar hinunter und begann langsam zu gerinnen. Das Licht der flackernden Kerzen und Fackeln spiegelte sich gierig in ihm und verlieh ihm eine rubinrote, ungesunde Farbe. „Sarah“. Er wollte seine Hand nach dem Körper des nackten Elfenmädchens, das er erst so kurz kannte, ausstrecken, doch er konnte es nicht. Er hatte versagt. Er hatte Courtier, Stadtrat Antioch und sich selbst geschworen, dass ihr nichts geschehen würde.
    Das Elfenmädchen war ein weiteres Opfer, dessen Blut an seinen Händen klebte. Sie hatte ihm ihr Herz geschenkt in diesem einen unglaublichen Tanz. Die Erinnerung an die glänzende Halle des Festballes erschien dumpf vor seinem geistigen Auge. Sie war ihm gefolgt. Sie hatte ihm ihre Hilfe angeboten. Er hätte sie niemals mit hineinziehen dürfen.
    Er hatte versagt. In mehrere Kämpfe auf einmal verstrickt war es ihm nicht möglich gewesen den Altar zu erreichen bevor sie geopfert wurde…bevor sie von…Delia geopfert wurde. Das wunderschöne Elfenmädchen aus der lichten Welt Tirs Aristokratie, das in dieser Hölle so fehlplaziert wirkte, war durch die Hand seiner eigenen Schwester gestorben. Durch Delias Hand.
    Die grauenvolle Erinnerung hämmerte in seinen Verstand, und ihm entwich ein weiteres Stöhnen. Die Stimme des Dämons dröhnte in seinem Kopf, seine befehlenden Worte an Delia:„Tue, was zu tun ist, und erlöse dich. Es gibt keinen anderen Weg“. Das hatte das Monster, das Langdon geworden war, gezischt…
    Er wusste, dass es Hoffnung war, die sich in diesem Augenblick in Delias Augen gespiegelt hatte, während der Schleier um ihren Verstand sich kurz lichtete…und das rostige Schwert ein junges Leben ausgelöscht hatte. Ihm wurde bewusst, wie viel Sarah ihm bedeutet hatte, während die Tränen wieder über seine Wangen rollten und er sie einen langen Moment einfach betrachtete.
    In all ihrer Schönheit lag sie vor ihm. Das Blut, das aus der tödlichen Wunde in ihrem Brustkorb gequollen und schnell über die Ränder des Altars gelaufen war, umgab sie wie ein roter Umhang. Wie konnte dies geschehen? Was hatte er getan?
    Ihr Name war Sarah Parker, Baronesse und Tochter einflussreicher Aristokraten.
    Sie war möglicherweise früher schon einmal bei den Children of Korhal, dieser grauenvollen Sekte, gewesen, doch ihre Eltern hatten sie in ihr behütetes Leben zurückführen können. Das war, was Langdon ihm gesagt hatte.
    Auf der Suche nach Delia hatte er sich der Sekte angeschlossen. Wie leicht es gewesen war.
    Um sich in ihren Reihen zu beweisen, hatte man ihm dann aufgetragen, sie zurück zu bringen. Er hatte sich auf den Weg gemacht, wusste jedoch noch nicht, wie er mit ihr verfahren sollte. Er war nicht auf ihre Schönheit und ihre jugendlich Anmut vorbereitet gewesen, die ihn in ihren Bann gezogen hatte. Und auch nicht auf ihre Abenteuerlust. Nachdem sie ihm bei einem Tanz, der eine Unendlichkeit gedauert zu haben schien, ihr Herz geschenkt hatte, erzählte er ihr von der Suche nach seiner Schwester. Zu seiner Überraschung war sie bereit, ihm zu helfen. Und obwohl er sich bereits damals schon schwere Vorwürfe gemacht hatte, war es seine beste Chance. Eine weitere würde er in der kurzen Zeit wohl nicht bekommen.
    Also führte er im Prinzip den Auftrag der Sekte aus. Im Prinzip. Denn sein Plan war ein anderer, und er erzählte Stadtrat Antioch davon.
    Das Leben eines so einflussreichen Mädchens aufs Spiel zu setzen, hatte, wie er erwartete hatte, den Stadtrat veranlasst, seine Verbindungen zu den Paladinen spielen zu lassen.
    Er wollte mit ihr zur Sekte zurückkehren, um mit Hilfe von versteckten Kameras und Wanzen genug Informationen zusammen zu tragen, die die Paladine zum Handeln veranlassen mussten. Sie hatten seine Idee nicht gutgeheißen, aber die Möglichkeit, endlich erfolgreich gegen die Children of Korhal vorgehen zu können, die ihnen bereits seit langer Zeit ein Dorn im Auge waren, hatte sie auch mit grimmiger Entschlossenheit erfüllt.
    Sollte es brenzlig werden, würden ein gesprochenes Codewort oder das Drücken eines Panicbuttons die Paladine zum Stürmen der Kultstätte anhalten. Eher eine Idee als ein Plan, war es doch die beste Möglichkeit, die sie alle hatten.
    Doch etwas war schief gegangen.
    Nach ihrer Ausrüstung und ihrer Rückkehr zur Sekte gab es ein Gespräch mit Edward Langdon, dem Demagogen. Er begrüßte die rasche Erfüllung des Auftrages und hieß Sarah wie ein verlorenes Kind willkommen. Seine Worte hatten eine Wirkung auf Sarah, die Aerian nicht hatte vorhersehen können und die seine tiefsten Befürchtungen bestätigten. Er hätte sie nicht mitnehmen sollen. Als sie sich aus Langdons väterlicher Umarmung löste, lag ein Schleier über ihren Augen. Ihr Wille war versklavt oder gebrochen…und eines war eindeutig klar: sie würde keine Hilfe von den Paladinen mehr rufen.
    In dieser Untergangsstimmung machte Aerian sich bereit, in die verborgene Kultstätte gebracht zu werden, wo sich, so hoffte er, die Suche nach seiner Schwester beenden und er auch Sarah retten würde. Die Paladine würden schließlich die Stätte stürmen und er würde so viele von diesen perversen Kultbastarden erschlagen, wie möglich. Er hatte gebetet, dass es so kommen würde und ein Teil von ihm, ein naiver Teil von ihm, hatte es geglaubt.
    Es kam schließlich zum Kampf in der Kultstätte. Nachdem Aerian seinerseits den Alarm ausgelöst hatte, hatte er sich darauf vorbereitet, alle lange genug mit seinem Leben zu verteidigen. Bis die Paladine eintrafen. Doch er hatte es nicht geschafft.
    Der Gedanke an den darauf folgenden Kampf, von dem er nicht einmal im Ansatz vermuten konnte, wie lange er gedauert hatte, brachte ihn wieder zur Besinnung.


    Über ihm, um das gigantische Kreuz aus schwarzem Marmor gewunden, ragte der abscheuliche Drache auf. Aerian erwiderte seinen brennenden Blick mit zusammengekniffenen Augen, die von Tränen und Schweiß brannten. Lange verharrte er, bis ein Knurren in seiner Kehle aufstieg und er sich von dem Teufelsdrachen losriss.
    Die Körper von fast drei Dutzend Jüngern lagen in der archaischen Halle verteilt, ihre unheiligen Gesänge verstummt, ihre gebrochenen Körper verdreht und zerfetzt. „Ce-de-ros, Ce-de-ros“, hallte es in seinem Verstand nach. Ihre Gesänge waren nicht mehr. Er selbst und Courtier, der Anführer der kleinen Paladingruppe, hatten gute Arbeit geleistet. Auch wenn es Courtier letztlich das Leben gekostet hatte. Er hatte fürchterlich gewütet und…wenigstens war ihm ein schneller Tod vergönnt gewesen.
    Vor seinem geistigen Auge sah Aerian wieder den Gesichtsausdruck, mit dem der Paladin die Götzendiener hingerichtet hatte. Das Maschinengewehrfeuer hatte durch die Halle gehämmert, die Mündungsblitze seine dunklen, elfischen Züge in ein geisterhaftes Licht tauchend, sein Mund zu einem Lachen verzerrt.
    Ja…es hatte ihn an Raven erinnert.
    Die Erinnerung an den Straßensamurai ließ etwas in ihm erstarken. Suchend blickte er sich um, und sein Blick fand die vier Erwählten dort, wo er sie erschlagen hatte. Sie waren anders gewesen, als die restlichen Kultisten. Schneller, stärker, unmenschlich vielleicht. Ein Funke grimmiger Befriedigung flammte bei ihrem Anblick in ihm auf. Ihre Roben und Körper waren zerfetzt. Er hatte gut gekämpft. Tatsächlich hatte er selten so gut gekämpft wie an diesem Tag. Es war beinahe, als ob jemand oder…etwas…seine Hand schützend über ihn gehalten hatte.


    Er schüttelte den Gedanken ab und ging die Stufen hinunter Richtung Ausgang, zu Courtier hinüber. „Paladin“, huschte es durch seinen Verstand. Er wusste nicht, was er sich unter einem Paladin vorgestellt hatte. Das Wort hatte einen mystischen Beigeschmack für ihn. Courtier war sicher ein guter Mann und ein guter Soldat gewesen. Seine schwere Panzerung mit dem edlen Stoffüberwurf, die Rangabzeichen, das edle Design, alles an ihm wirkte in der Tat so, wie man sich einen Paladin in dieser Zeit wohl vorstellen würde. Dennoch war er auf eine sonderbare Art und Weise enttäuscht.
    Traurig durchsuchte er die Leiche des Elfen und fand letztlich, wonach er suchte: die taktische Datenempfängereinheit. Sie hatte die audiovisuellen Übertragungen der Microcam und der Wanze aufgezeichnet, die er versteckt an seinem Körper getragen hatte. Vielleicht konnte er die Daten noch gebrauchen. Zumindest dachte er das, während er die Hardware in seine Jackentasche gleiten ließ.


    Als er von der Leiche aufsah, wanderte sein Blick über den blutverschmierten Marmorboden. Je näher er dabei jedoch dem Eingangsportal kam, desto unwohler wurde ihm beim Gang in diese Richtung, desto mehr schien sich die Halle zu verändern. Die Zeit schien…langsamer zu laufen, sein Herz langsamer zu schlagen, die Kerzen und Fackeln an den äußeren Enden der Halle weniger Licht zu spenden. Bilder tauchten in seinem Geist auf, auch wenn er sie gerne verdrängt hätte….
    Die Finsternis war in diese Halle gekommen, nachdem er als letztes Langdon erschlagen hatte. Eine greifbare Düsternis, aus der sich ein Mann schälte…wenn es denn ein Mann war.
    Anmutig war er gekleidet. Seine Gestalt lag jedoch meist in tiefstem Schatten. Aus der Finsternis, so schien es, war nur das reflektierte Licht auf einer Sonnenbrille zu sehen gewesen. Wie zwei Ovale reinen, weißen Lichts, umrahmt von einer wolkenlosen Nacht ohne Sterne oder Mondlicht.
    Er war wie gelähmt. Ihm wurde erst später bewusst, dass er sicherlich lange Zeit nicht geatmet hatte. Im Nachhinein war er sich nicht einmal sicher, ob sein Herz geschlagen hatte, während er auf dem Boden lag und der Fremde ihn einfach nur musterte.
    Dreimal klatschte er in die Hände. Dreimal hallte danach das Echo seiner Stimme durch die Halle. „Gut gemacht…Du darfst sie jetzt erlösen.“
    Es war unmöglich, der Stimme irgendeine Art von Stimmung oder Gefühl zuzuschreiben, die in ihr mitschwang. Nichts außer Kälte und…Belustigung? War es das gewesen?
    „Wie ist euer Name?“ Die Frage des Fremden schien ihm Raum zu stehen und ihn auch noch auszufüllen, als sie schon verklungen war. Es dauerte eine Ewigkeit. Eine Ewigkeit, in der er nichts tun konnte, als den Blick des Fremden zu erwidern, in dem er gefangen war. „Aerian“. Er wusste nicht, dass er es gesagt hatte. Er hatte seinem Körper nicht aufgetragen, seinen Namen auszusprechen.
    „Nun gut…Wir werden uns wieder sehen…Kreuzritter…“ Die Gestalt verblasste, und Licht hielt wieder Einzug in die Halle.


    Er befand sich wieder im Hier und Jetzt und stellte fest, dass er wieder zitterte. Kreuzritter…Kreuzritter? Langdon hatte ihn ebenfalls so genannt als sie gekämpft hatten. Bei dem Wort tauchte wieder eine Art mystischer Stimmung in seinem Herzen auf. Genau wie eben, als er über das Wort ‚Paladin’ nachgedacht hatte. Er würde dem nachgehen müssen, dachte er.


    Hinter dem Portal erstreckte sich der Gang in die Vorhalle. Es sah aus wie in einem Schlachthaus. Die Körper von wahrscheinlich einem weiteren Dutzend Jünger, sowie zwei weiteren Paladinen waren im Gang verteilt. Wie viele Wesen hier genau den Tod gefunden hatten, ließ sich unmöglich sagen, da kein einziges noch in einem Stück war. Er war der Gang, aus dem der Fremde gekommen war. Obwohl der Fremde augenscheinlich nicht bewaffnet gewesen war, hatte er aus dem Gang mehrmals einen Knall, wie von einer Panther Sturmkanone gehört. So war auch Courtier gestorben. Mit einem lauten Knall und einem Kopftreffer, kurz bevor die Finsternis in die Halle kam…

    Aerian drehte sich um, las seinen Kampfstab auf, den er nach dem Tod Langdons liegen gelassen hatte, und kehrte zum Altar zurück, an dem seine Schwester zusammengerollt lehnte. Die blasse Farbe ihrer kränklichen Haut stand in einem starken Kontrast zur Farbe der Blutlache, in der sie lag, und die den gesamten Altar umgab. „Unschuldiges Blut.“
    Die Erschöpfung fiel langsam von ihm ab. Es überraschte ihn nicht sonderlich, wie leicht Leilias Körper war, als er seinen Arm um sie schlang und sie sanft emporhob. Vorsichtig, um nicht auf den glitschigen Treppen zu stürzen, ging er durch die Halle auf den Gang zu.
    Als er an dessen Schwelle kam, presste er sie fester an sich. Als ob er sie noch vor dem Grauen dieses Schlachtfeldes und dem Schatten, der dies vollbracht hatte, beschützen wollte.
    Er erreichte die Vorhalle, dessen verzierte Säulen und Wände alle Arten von Monstern und Dämonen zeigten. Wie eine große Grabverzierung, wie eine Enzyklopädie des Bösen.
    Als er durch das neoromanische Doppelportal trat, wehte ihm die kalte Nachtluft wie eine süße Begrüßung entgegen. Sie trocknete seine Tränen und ließ ihn klarer werden.
    Es war tiefe Nacht.
    Der Bus der Sekte stand noch, wo er abgestellt worden war. Die gepanzerten Wachen der Kultstätte waren verschwunden. Courtiers Team hatte sie sicherlich schnell ausgeschaltet.
    Ohne jeden Widerstand gelangte er zum Tor, und als er es durchschritt, kam es ihm vor, als ob er erst jetzt wieder in die Welt, wie er sie gekannt hatte, zurückgekehrt war.
    Sie würde nie wieder die Gleiche sein…er würde nie wieder der Gleiche sein…









    Früh an diesem morgen erhielt Stadtrat Antioch eine Textmitteilung von einer ihm unbekannten Nummer:


    „Alae.


    Die Echos dieser Tragödie, aus Tränen aus Blut und Trauer, werden auf ewig eingeschmiedet sein in meiner Klinge.
    Die Kreaturen des Zwielichts, sind zurück in den Schatten gefallen. In ihrem eigenen Feuer verbracht war mein Ruhm, der zweifelhafte, ihr Ende. Doch zur hoch war der Preis, zu tief die Wunden. Umschlungen in Blut, durchleide ich heiligen Zorn.


    Stadtrat Antioch. Die Worte der oben stehenden, kurzen Lyrik sind inadäquat, zu beschreiben, was heute Nacht geschehen ist. Ich schulde euch Dank, deshalb sende ich euch diese Mitteilung.
    Ich habe versagt. Ich konnte sie nicht retten. Zwei Seelen. Verloren. Trauert um meine Schwester, doch wisset, dass sie letztendlich erlöst wurde.
    Trauert auch um Sarah, die ihren goldenen Käfig verlassen hat, nur um ihrem Tod gegenüber zu treten.
    Und ich trauere um die Paladine. Obgleich ich mit dem Wort etwas Mystischeres verbinde, als das, dessen ich angesichtig wurde, so sind gute, tapfere Männer dort gefallen.
    All diese Tode sollen doch nicht umsonst gewesen sein.
    Ich bin im Besitz aller Aufzeichnungen und hoffe, dass es euch möglich sein wird, diese widerliche Brut zu zerschlagen.


    Was geschehen ist…war schrecklich abseits meiner sterblichen Beschreibung. Aber es war auch mehr als das, es war ein Einblick. Es war ein Vorgeschmack.
    Mehr wird geschehen, das weiß ich nun mit Sicherheit. Ich werde mich unverzüglich zu meinen Teammitgliedern aufmachen. Ich habe Dinge mit ihnen zusammen erlebt…sie werden Rat wissen.


    Ich danke euch für alles, Stadtrat. Ich schulde euch Dank, wie vielleicht niemand sonst.


    Wenn ihr von Nutzen sein wollt, Stadtrat, dann findet im Bezug auf die Sekte heraus, welche Bedeutung das Wort Kreuzritter speziell in ihrem Glauben hat.
    Cuio vae.“





    Aerian sah, wie die Mitteilung gesendet wurde, deaktivierte dann sein Handgelenktelefon und klappte das Visier seines Helmes herunter. Die ersten Strahlen der Sonne fielen auf die letzte Ruhestädte von Leilia McVeigh.


    Nach einigen Augenblicken wandte er den Kopf ab und startete dröhnend den Motor seines Motorrades.


    Er musste sich beeilen.

    Das Leben ist eine Komödie für jene, die denken und eine Tragödie für jene, die fühlen.

  • Der Schreibstil an und für sich ist gut. Gute Beschreibungen und davon viel.


    Ich persönlich störe mich am Setting: Vier Elfen die irgendwo in einer Höhle von bösen bösen Menschen sind, drei von ihnen tot, zwei von ihnen waren wunderschöne Frauen, die der Hauptcharakter, ein mittelalterlich kämpfender Superkrieger, der Motoradfahren kann und in seiner Freizeit Gedichte verfasst, gekannt und geliebt hat und nun soooo traurig ist das sie weg sind und wird dann noch frech zum Stadtrat: "wenn sie sich nützlich machen wollen".


    Klingt eher nach einer Geschichte im Sinne von Walt Disney-Märchen, wobei ich dazusagen muss, dass ich sowieso ein Gegner von Shadowrunner-als-Weltretter-und-Superhelden bin. Das ganze ist einfach viel zu viel Tragödie und weniger gute Shadowrunaktion.


    Aber wie schon gesagt, deinen Schreibstil find ich klasse.

  • Elfisch.... das ist das, was mir besonders daran auffällt, was mich stört und was mir gleichzeitig sehr gefällt. Die Schilderung ist voll von dieser elfischen Poesie - hungrig funkelnde Wurfsterne - und geprägt von dieser typischen Trauer, die irgendwie mit einer gewissen, permanent spürbaren Selbstverliebtheit einher geht.
    Ich mag diese leicht angekitschte Überemotionalität der Spitzohren nicht so sehr. Wie du weißt, Aerian, spiele ich sogar meinen Elfen (Pretty Ramon ftw ^^) so unelfisch, dass ich öfter vergessen habe, dass er gar kein Mensch ist. Aaaaaaaaber das ist nicht wirklich als Kritik gemeint.
    Tolle Beschreibung des Settings, erstklassige Wortwahl, gute, verständliche und dennoch eindrucksvolle Sätze kombiniert mit dieser erwähnten epischen Elfenemotionalität. Hätte meiner Meinung nach besser gepasst, wenn der Charakter die Story aus der Ich-Perspektive erzählt hätte.


    Norrns Vergleich mit Walt Disney finde ich sehr lustig. Ich glaube nicht, dass bei Disney wunderschöne Frauen von Monstren vergewaltigt werden und dann Hunderten von Spinnen auf ekelerregende Weise das Leben schenken. Ich verstehe, was Norrn meint, denke aber eher, dass die Story in den Animekontext einzuordnen ist. Mir gefällt so etwas sehr - ist meiner Meinung nach auch nicht untypisch für SR, wer will schon Tag für Tag in Konanlagen einbrechen - aber das ist natürlich Geschmackssache.


    Fazit: Toll geschrieben, meine Kritikpunkte sind zu subjektiv, um ins Gewicht zu fallen. Gute Arbeit! :)

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  • hhm, es liest sich gut.


    inhaltlich wäre es besser, wenn es nicht SR wäre (ok, ich bin kein so großer "wir retten die welt"-fan, besonders wenn es elfen sein müssen), aber das ist geschmackssache.


    klingt auf jeden fall nach einem ziemlich heftigen "run" (ein eigentlich run isses IMHO nicht).


    und nochmal daumen hoch für die schreibleistung!