Seattle - Puyallup / Loveland - morgens:
Windböen heulen auf und wehen einem untersetzten Mann mit Regencape beinahe die Kapuze vom Kopf. Der Zigarettenstummel im Mundwinkel, ist durchnässt und erloschen. Stinkender Regen prasselt auf die zerschlissenen, verblassten Markisen der vielen Pubs und Spielhallen, und staut sich dann vor den verstopften Abflüssen in den Rinnsteinen. Eine eklige Suppe aus zerrissener Plastikverpackungen, Kippenstummeln, ausgebrannte Chips, Papierfetzen und anderer Unrat. Ab und zu fährt ein summendes Auto die Straße entlang und spritzt das braungrünliche Regenwasser an die Hosenbeine des Mannes. Dieser schlendert den, vom sauren Regen angefressenen, Bürgersteig entlang, immer bedacht darauf möglichst unter den Markisen zu verweilen. Am Ende des Straßenblocks ist ein kleines zweistöckiges Pub, das Manitou, daneben ist ein Hauseingang mit einem Bodengittern, aus dem warme Luft aufsteigt. Mit gebrechlichen Bewegungen geht der Mann zum Hauseingang und setzt sich unter Schmerzen langsam auf die kalten Steinstufen. Weitere kalte Windböen, des neuen Tages ziehen die verwaiste Partymeile entlang. Der Mann streckt die Beine aus und fröstelt. Neben ihm entdeckt er eine alte zerschlissene Zeitung.
Von heute.
==Politik==
*Republikanische Partei-Senatorin Nia Rosecrans kann auf ihre Problemliste einen weiteren Strich machen: Ihr Wahlkampfleiter Shaun Ridenhour wir vom Kabinett in Maryland in Rente geschickt – gegen dessen Willen. „Eine rechtlich unstrittige Lösung gemeinsam mit Herrn Ridenhour konnte nicht gefunden werden“, zitierte der Sprecher von Herbert Boman (RP) den Finanzminister. „Das Vertrauensverhältnis ist damit gestört.“ Daher sei keine andere Möglichkeit geblieben als die Versetzung Ridenhour in den einstweiligen Ruhestand. Boman habe Ministerpräsident Dylan Montville (Demokratische Partei) im Laufe des Tages gebeten, Ridenhour in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen, sagte der Sprecher. Ridenhour ist ein enger Vertrauter Rosecrans und war fünf Jahre lang Finanzstaatssekretär in Maryland. Im Herbst vorigen Jahres hatte er sich für Rosecrans Wahlkampf beurlauben lassen.
* Die New Century Partei (NCP) erzielte in einer Umfrage ihren besten Wert seit eineinhalb Jahren. Die Partei erreicht 17 Prozent. Den schlechtesten Wert der Parteigeschichte fährt die Technokratische-Partei (TP) ein. Sie kommt auf nur noch zwei Prozent. Während die NCP als Gewinner aus dem Horizon-UCAS-Trend hervorgehen, müssen die Demokratische Partei (DP) und die regierende Republikanische Partei (RP) Stimmverluste und Stagnation hinnehmen. Die RP gibt demnach einen Punkt ab und kommt auf 40 Prozent. Die Libertäre Partei (LP) bleibt bei vier Prozent. Die DP büßt einen Punkt ein und landet bei 26 Prozent. Neben der NCP kann auch die Erzkonservative Partei (EP) Gewinne verbuchen. Sie gewinnt einen Punkt hinzu und kommt auf sieben Prozent.
==Wirtschaft==
* Der jüngste Broker von Exchange-SmallCap hat bei den Vertragsverhandlungen seinen Arbeitsgeber lange zappeln lassen. Dies hat sich für den 19-Jährigen ausgezahlt. Er hat nun einen Mega-Vertrag mit einer Laufzeit von fünf Jahren unterschrieben. Samet Aydin wechselt in diesem Quartal zu dem Devisenmarkt-Haus Ables&Stotcher der Bank of Seattle.Das erste Jahressalär beträgt 20 Millionen Nuyen und steigert sich von Jahr zu Jahr. Der Vertrag kam in letzter Sekunde zustande. Ansonsten hätte er bei Exchange-SmallCap übrigens nur 6,37 Millionen Nuyen jährlich verdient. Aydin ist mit seinen 19 Jahren einer der erfolgreichsten Broker des Devisenmarkts. Im Handel mit Währungen und Buchgeld, die in langen Zahlenkolonnen sich lediglich an der 6ten und 7ten Nachkommastelle verändern, kommt es auf jede Mikrosekunde an. Durch sein Gespür für die Richtigen Käufe und Verkäufe, seiner Reaktion und seiner sehr feinen Algorithmen machte Samet Aydin schon mit 16 Jahren auf sich aufmerksam und brachte ihm die Anstellung bei Exchange-SmallCap ein. Auf die Frage wie er seinen Erfolg feiern wolle, antwortete er, er gehe mit seinen Freunden Pizza essen.
* Nordamerikas Wirtschaftshüter geben sich optimistisch: Noch sei die Lage in der Wirtschaftsgemeinschaft zwar fragil. Es zeichne sich aber eine Erholung ab, sagte Zürich-Orbital-Gemeinschaftsbank-Sprecher Gerald Meraczi. "Das Vertrauen in die Finanzmärkte der Nordamerikanischen-Finanz-Zone kehrt zurück." Die Gefahr, dass Turbulenzen in einzelnen Staaten auf die gesamte Wirtschaftsunion übergriffen, sei deutlich gedämpft. Das sei ein weiteres positives Signal. Allerdings müssten die Regierungen ihren Reformkurs fortsetzen. Die Zürich-Orbital-Gemeinschaftsbank (Z-OG) traut der Wirtschaft im Raum eine schnellere Erholung zu als bisher erwartet. "Die Wirtschaftsleistung sollte sich im ersten Halbjahr stabilisieren", sagte Meraczi. Alle Stimmungsindikatoren seien ermutigend. In der zweiten Jahreshälfte 2070 erwartet die Orbitalbank eine schrittweise Konjunkturerholung.Dass die Z-OG ihre Konjunkturprognosen für die 8 (bzw. 13) Länder dennoch leicht senkte, erklärte Meraczi mit dem schwachen Schlussquartal 2069. Nach der jüngsten Prognose wird die Wirtschaft 2070 in einer Spanne von minus 0,9 Prozent bis minus 0,1 Prozent schrumpfen. Bislang hatte die Z-OG ein Minus von im Mittel 0,3 Prozent genannt.
==Seattle Metroplex==
*Puyallup - Sängerin und Aktivistin Orxanne spielt am Samstag in der Legendären Musikhalle Underworld 93 in Puyallup City. Orxanne zählt zu den lautesten Stimmen der Orxploitation-Bewegung die sich vor allem für die Rechte der Homo sapiens robustus (Orks) einsetzt und viele Texte in Or’zet verfasst. Lone-Star Polizeisprecher Conrad Dillion, kündigte an die Sicherheit entsprechend anzuheben. Bei ihrer Europatournee 2063 entkam Orxanne nur knapp einem Attentat und immer noch sorgen gewalttätige Gruppierungen des rechten Randes für Störungen und Auseinandersetzungen. Obwohl alle Tickets für das Konzert nach Bekanntgabe binnen weniger Stunden verkauft wurde, kündigte ihr Management an ein Kontingent von 100 Karten an der Abendkasse zu verkaufen, um so lokalen Fans eine Möglichkeit zu bieten, Orxanne live zu erleben.
*Downtown – Großeinsatz in der Innenstadt: Auf der Suche nach einem bewaffneten Räuber haben Spezialeinheiten von Lone Star am Freitagnachmittag ein Bürogebäude am Crash2064-Gedenkplatz durchkämmt. Eine Zeugin hatte ausgesagt, ein etwa 30 bis 35 Jahre alter Mann sei nach einem missglückten Überfall mit einer Pistole in der Hand in das Haus gestürmt. Nach mehreren Stunden zog Lone Star ab. Den Verdächtigen fanden die Beamten nicht. Die Fahndung nach ihm läuft. „Die Ermittlungen laufen, Einzelheiten geben wir momentan nicht bekannt“, sagte ein Lone Star-Sprecher am Samstagmorgen. Eine heiße Spur gebe es aber nicht. Gegen 12.30 PM sperrte die Polizei den Platz rund um das Denkmal weiträumig ab. Hubschrauber überflogen die Innenstadt, Dutzende von Streifenwagen und Rettungsfahrzeugen rasten zum Gedenkplatz. Viele Passanten liefen verängstigt weg. Nach ersten Erkenntnissen Lone Stars hatte ein Räuber zunächst versucht, zwei Männer zu überfallen, die in einer Filiale der Bank of Seattle am Crash2064-Gedenkplatz mehrere zehntausend Nuyen abgehoben hatten. Als sie in ihr Auto stiegen, sprang der Täter auf den Rücksitz und bedrohte die Männer mit einer Pistole. Einer der beiden flüchtete – offenbar hatte er das Geld dabei. Daraufhin sprang auch der Täter aus dem Wagen und lief weg.
*Downtown - Gekapertes Taxi in Dowtown gestoppt. GridCaps bemerkte, dass ein Taxi seit einer Woche keine Gebühren verbucht hatte. Dennoch war das Taxi seit einer Woche im Betrieb war. Als es auf ein Rückrufsignal nicht reagierte, wurde ein Rechnungsprüfer misstrauisch und verständigte Lone Star. Diese konnten das Taxi, welches immer noch eigenständig durch Downtown fuhr orten und keilten es mit Streifenwagen ein. Als das Taxi auf die Anweisung anzuhalten nicht reagierte mussten Sicherheitspsezialisten, dem Taxi über GridLink den Strom abstellen um es zu deaktivieren. Als unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen eine Einheit endlich die Fahrgastzelle öffnete, fanden sie einen Theo Henriquez vor, der sich dort versteckte. Es stellte sich heraus, dass der 10-jährige Theo von seinen Eltern geflohen war und eine Woche lang im Taxi gelebt hatte. Nach Berichten von Lone Star wurde das Firmennetzwerks von GridCabs sowie die Autosoft des Taxis illegal manipuliert und habe so vorgetäuscht in der Woche regelmäßig Passagierfahrten verbucht zu haben, jedoch ohne, dass es zur Transaktionen gekommen sei. Lone Star ermittelt nun diesen Fall.
*Crash2064-Opfer demonstrieren für Nachbesserung bei Entschädigung. Verbände von Opfer des Crash 2064 haben für den Samstag zu einer Demonstration für eine Nachbesserung beim geplanten Gesetz zur Entschädigung der Opfer aufgerufen. Der Protestmarsch wird von der Vereinigung der Opfer des Crashs (UVC), dem Bund der Renraku-Shutdown-Opfer (RSV) und dem A.I.P.S-Komitee veranstaltet, wie die Organisationen in einer gemeinsamen Presseerklärung am Montag mitteilten. Die Demonstration soll vom Crash2064-Gedenkplatz in Downtown zur ehemaligen Renraku-Arkology führen. Vor der Arcology Commercial and Housing Enclave ist eine einstündige Mahnwache geplant. Am 21. April findet im Senat die erste Lesung zum geplanten Gesetz zur Entschädigung der Crash-Opfer statt. Dieses Vorhaben werde von allen Opferverbänden als vollkommen unzureichend angesehen, heißt es in der Erklärung. Grundsätzlich begrüßten es die Vorsitzenden der Opfer-Organisationen, dass es 6 Jahre nach der Katastrophe eine Anerkennung ihrer Leiden, Opfer und Langzeitschäden gäbe. Diese Würdigung müsse jedoch auf einen angemessenen Betrag angehoben und dürfe auch nicht an eine soziale Bedürftigkeitsklausel gebunden werden.
==International==
*Vor der Südküste Floridas wurden in den vergangenen Tagen Zehntausende Haie gesichtet, wie das britische Nachrichtenportal "Horion-World-News" berichtet. Mehrere Strände wurden geschlossen, Schwimmer durften nicht ins Wasser. Die Haie ziehen in solch großen Scharen wieder nach Norden, nachdem sie den Winter im Süden verbracht haben, dass Experten eine ernsthafte Gefahr für Badegäste im Gebiet von Palm Beach sehen. “Horizon-World-News" zitiert den Biologen und Haiforscher Dr. Stephen Kajiura, der berichtet, dass sich im März Zehntausende Haie in Strandnähe tummelten. Während eines einzigen Fluges von Boca Raton Inlet nach Jupiter Inlet hätten sie mehr als 15.000 Haie gezählt, die weniger als 200 Meter von der Küste entfernt vorbeigezogen wären. Der Wissenschaftler sagte weiter, er hätte Schwimmer ganz in der Nähe von Haien gesehen. Es sei aber unwahrscheinlich, dass diese zubeißen würden, da das Wasser in Palm Beach County normalerweise sehr klar sei und die Haie Menschen von Beutetieren durchaus unterscheiden könnten.
*Millionen-Entschädigung nach knapp 3 Jahren für "vergessenen Häftling". Ohne Gerichtsprozess verbringt Kai Lemrich 34 Monate in einem ADL-Gefängnis in Einzelhaft. Er zieht sich einen entzündeten Zahn selbst, hat Pilzinfektionen im Gesicht. Nun erhält er Schadenersatz. Am Ende hat er 15 Millionen Euro bekommen. Das ist eine Menge, aber die Frage ist, ob Geld für alles, was man einem Menschen antut, entschädigen kann. Kai Lemrichs Geschichte ist die eines Mannes in einem Land, das viel auf seine Verfassung hält. Auf eine Verfassung, die jedem Bürger einen fairen Gerichtsprozess zusichert. Lemrich hatte getrunken. Am 1. November 2064 war Lemrich mit dem Wagen eines Freundes unterwegs. Es passierte, was passieren musste: Die Polizei stoppte ihn. Die Beamten hielten den Wagen für gestohlen, Lemrich kam ins Gefängnis im Bundesland Hessen-Nassau. Lemrich sah gepflegt aus im November 2064, er hatte die Haare zu den Seiten gekämmt, sein Blick war wach. Im Gefängnis sollte er von da an eine lange Zeit verbringen. Ohne je einen Richter zu Gesicht zu bekommen. Dann erfolgte der Crash2064 am 2. November. Die ADL-Medien werden ihn später als "vergessenen Häftling" bezeichnen. Nach dem Crash funktionierte die Automatische Essenszuteilung für 3 Tage nicht. Nach Aktivierung dieser, sieht Kai Lemrich über 4 Monate keinen Menschen. Seine Akte ging im Crash verloren und als Wärter seine Zelle überprüften litt er offenbar unter Depressionen, er brauchte Medikamente. Im Gefängnis hielt man ihn für suizidgefährdet, schloss ihn erst in eine Gummizelle, dann wurde er in Einzelhaft verlegt. Er durfte nicht unter die Dusche, nicht in den Hof. "Täglich kamen die Wärter vorbei und sahen, wie es mir schlechter und schlechter ging", wird Lemrich später dem Sender KOB erzählen. "Tag für Tag für Tag. Aber sie taten nichts. Nichts, um mir zu helfen." Nach dem Familienangehörige in nach 2 Jahren für Tod erklären ließen, konnte der schreckliche Irrtum aufgeklärt werden.
*Mutmaßlicher Kriegsverbrecher gewinnt Kenias Wahl. Uhuru Mutamba hat laut vorläufigem Endergebnis Sabas Präsidentschaftswahl gewonnen. Sein Widersacher Limba Olatinga kündigte aber an, das Ergebnis vor Gericht anzufechten.In Saba zeichnet sich ein Streit über den Ausgang der Präsidentenwahl ab. Noch vor Bekanntgabe des offiziellen Endergebnisses durch die Wahlkommission kündigte das unterlegene Lager von Ministerpräsident Limba Olatinga an, die Auszählung vor Gericht anzufechten. "Er gibt sich nicht geschlagen", sagte Salim Lorhone, ein enger Berater von Olatinga, am Samstag. Sollte der stellvertretende Ministerpräsident Uhuru Mutamba zum Sieger erklärt werden, würde Odinga vor Gericht ziehen. Saba galt lange Zeit durch Bürgerkriege als äußerst instabil. Internationale Experten warnten vor einem aufflammen alter Konflikte.