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Genau wie Mike wird auch Simon geweckt und durch das Klinikpersonal zu einem Schließfach geführt. Darin befinden sich die Sachen, die er bei Antritt der Behandlung mitgebracht hatte. Da der Aufenthalt in der Klinik verhältnismäßig offiziell ist, war das nur die Reisetasche, mit der er bereits eingereist war. Die im Inland besorgte Ausrüstung hatte Indra in Verwahrung genommen. An dem Colt Government hatte Simon zwar Gefallen gefunden, doch er würde die Waffe sowieso nicht zurück in die UCAS mitnehmen können, daher hing er so oder so nicht sonderlich an den Sachen.
Simon öffnet die Reisetasche und prüft kurz den Inhalt. Wie erwartet sind noch alle Sachen da. Um aus der Klinikkleidung herauszukommen, zieht er sich einen schlichten und vor allem sehr leichten dunkelgrauen Anzug an. Unter dem hellblauen Kurzarmhemd trägt er noch ein Funktionsshirt sowie seine dünne Schutzweste. Wie die meisten seiner Anzüge besteht auch dieser aus einem knitterfreien Stoff, der sich mit wenigen Handbewegungen glattstreichen lässt. Auf eine Krawatte verzichtet Simon.
Stattdessen befestigt er das Holster für seinen Colt Manhunter am Gürtel der Hose. Es befindet sich auf der Innenseite des Hosenbundes und kaschiert somit die Konturen der Waffe ein wenig. auf der linken Seite des Gürtels zieht er eine Magazintasche für zwei Ersatzmagazine auf. Genau wie Mike lädt er die Waffe mit Gelmunition. Die beiden Reservemagazine sind jedoch mit ExEx-Patronen aufmunitioniert. Den Schalldämpfer für die Waffe steckt er dezent in die Innentasche des Jacketts. Anschließend macht Simon sich auf den Weg zum Ausgang aus der Klinik.
Während er durch die Gänge geht, achtet er zum ersten Mal genau auf die Effekte seiner neuer Cyberware. Es handelt sich um seltsames Gefühl. Die Informationen fließen direkt in seinen Verstand und werden dort völlig automatisch aufgenommen, doch sein Bewusstsein erinnert sich gut noch an den Zustand vor den Eingriffen, weshalb sich vieles fremd anfühlt. Simon weiß, dass es nur eine Frage von Tagen ist, bis dieser Eindruck verschwindet, doch für den Augenblick bleibt es seltsam.
Es scheint, als würde er jede neue Bewegung, jede Veränderung noch schneller registrieren. Simon glaubt, darin das Wirken des verbesserten Synapsenbeschleunigers erkennen zu können, auch wenn er dessen wahre Fähigkeiten wohl erst erleben wird, wenn er sich das erste Mal erschrickt. Genauso wird er die verbesserte Muskelstraffung wohl erst bei etwas Sport genauer beurteilen können. Der Input des Radarsensors ist ebenfalls noch fremdartig. In das zugehörige digitale Handbuch ist eine Übungssoftware eingebunden, mit der Simon sich noch näher beschäftigen möchte, um die verschiedenen Signaturen besser beurteilen zu können. Einige schnelle Versuche auf dem Weg zeigen, dass auch der aufgewertete selektive Geräuschfilter eine viel präzisere Filterung von Gesprächen und Geräuschen ermöglicht. Vor allem fällt Simon jedoch auf, dass er all diese neuen Eindrücke gleichzeitig wahrnehmen und beurteilen kann, ohne seine Umgebung völlig aus dem Auge zu verlieren. Bei Menschen mit viel sinnesverbessernder Cyberware ist meist nicht die Technik die Grenze. Vielmehr ist die Schwierigkeit, all den Input gleichzeitig auswerten zu können. Hier scheint die wahrnehmungsverbessernde Bioware ganze Arbeit zu tun, denn obwohl so vieles neu oder anders ist, hat Simon sofort genauso viel Überblick wie vor der OP. Er ist gespannt, wie dieser Effekt erst wirkt, wenn er sich an die neuen Modifikationen gewöhnt hat.
Als Simon das Foyer betritt, bemerkt er die Gruppe um Mike, Lak, Indra und die unbekannte, rothaarige Frau. Anscheinend wurde Mike zeitgleich entlassen. Zumindest scheint sich seine Kollegen ebenfalls zum ersten Mal seit längerem zu begrüßen.
Simon schlendert gemütlich zu der Gruppe hinüber, um die gerade stattfindende Begrüßung nicht zu unterbrechen. Sobald ihn jemand sieht, winkt er ihnen jedoch schon beim Näherkommen zu. Er freut sich auf das Wiedersehen. Die Erfolge und Erlebnisse der letzten Zeit wirken immer noch etwas unwirklich. Außerdem befindet er sich auf einem fremden Kontinent fernab der Heimat. Da tut es gut, bekannte und vertraute Gesichter zu sehen.