Auf Nathalies Order hin werden bald große Platten aufgetischt, die mit allerlei Köstlichkeiten und Spezialitäten Taiwans beladen sind. Das ist eine geradezu opulente Menge an Dingen, vieles vertraut, einiges hingegen für westliche Gewohnheiten exotisch, zumal es kein im Bereiter 3D-gedrucktes und mit E 104 bis einschließlich E495 gefärbtes und aromatisiertes Soy ist, kein Press-Synthfleisch aus Tank-Granulat, zusammengehalten von Dextrose und versetzt mit Sojaöl, Traubenzucker und Wasser für eine gewisse Saftigkeit, sondern echte Teile echter Tiere. Und in Taiwan scheint man wenig bemüht, das zu verbergen, man scheint es geradezu zu zelebrieren. Zumindest in diesem Restaurant.
Die erste Platte ist eine große Entenplatte, auf der sicher das Fleisch von fünf Enten liegt. Entenbrust, gefüllt mit Keulenfleisch, Pilzen und Kräutern, mariniert und kross in Entenfett frittiert, liegt zentral. Darum angeordnet sind, beginnend von einem Ende: fünf Entenköpfe, gekocht und überfrittiert, 10 Entenflügel an den Seiten, die in dunkler Sojamarinade gekocht und dann knusprig gegrillt wurden, dass die Haut angemessen knusprig karamellisiert, dann zehn Entenfüße, gross gebraten und mit kleinen angebackenen Chillis und offenbar einer Honigglasur, und zentral am anderen Ende pochierte, eingelegte Enteneier (fünf) in einer süß-sauren Sauce.
Die zweite Platte folgt einem ähnlichen Thema, verzichtet aber auf den Kopf des Schweins. Dafür beginnt sie mit dunklen, fast wie Brownies anmutenden Kuchen, in denen hell Zwiebeln oder etwas ähnliches, vielleicht auch Wasserkastanienstückchen zu erkennen sind, dahinter türmt sich einiges an Schweinebauch, gegrillt mit Zwiebeln, in süß-sauer-scharfer Sauce gebraten, sowie eingelegt und mit blanchierter Wasserkresse garniert. Darum gruppieren sich feine, fast wie krause Blätter anmutende Lappen in einer augenscheinlich klebrig-Süßsauren Sauce, in der Ananasstückchen und grüne Sprenkel von Frühlingszwiebeln zu erkennen sind. Hingucker sind die fünf Schweinefüße, die in gleichen Abständen am Rand der Platte über diesen etwas hinwegragen. Sie sind wohl sauer eingelegt und dann übergebraten und vorgeschnitten, so dass man das zarte Fleisch einfach mit Stäbchen entnehmen kann, ohne sich den Fuß in Gänze vorzunehmen (außer, man will das).
Die dritte Platte richtet sich an die Nicht-Fleischfreunde, würde aber, wie die anderen beiden, auch alleine für die Gesellschaft ausreichen.
Hier ist das Essen jeweils in einem Nest aus Salatblättern angerichtet, die sich um ein Zentrales Nest gruppieren, in dem sich mehrere Tofuzubereitungen finden. Es gibt mariniertes Bean Curd Tofu mit Chilli und zuckeriger Sauce; Tofutaschen, gefüllt mit Gemüsepasten (verschiedene Sorten wie Lotus, Honig-Wasserkastanie, Apfel-Rote-Bohnen); Mariniertes Seidentofu in Suppe und in kross gegrillte Auberginenscheiben gerolltes, doppelt frittiertes Tofu mit viel Knoblauch. Darum gruppieren sich ein scharfer und ein milder Gurkensalat, ein Gericht aus Essbananen, und mehrere Formen zubereiteter Sprossen und in Kuchen gebackener Pilz-Gemüse-Mischungen.
Eine vierte Platte schließlich hat Meeresfrüchte zum Thema. Das Zentrum dieser ist eine große Kamschatka-Krabbe, deren Schale als Gefäß für ein Fischragout fungiert, während die darum angeordneten Beine angeschnitten sind, so dass man einfach an das darin enthaltene Fleisch kommt. Darum sind kleine und größere Tintenfische, einmal in roter Marinade, einmal eher dunkelviolett, angeordnet, mehrere bereits ausgelöste Fische (eine Dorade mit riesig wirkenden Augen, eine kleinere Makrele und ein Hexenfisch), von denen das Skelett als kleine Platte für die mundgerecht geschnittenen Teile des Fischfleischs dient, und Muscheln und kleinere Garnelen als Bett. Dass neben der Krabbe noch die Hälften einer halbierten und gebraten Languste sind, deren vorderer Schalenteil mit Mango und anderen Fruchtstücken in einer dicken Sauce belegt ist, fällt in der Opulenz fast nicht auf.
Kleinere Schalen folgen und enthalten frittierte Fischkuchen, entbeinte Teile Fried Chicken in fluffiger Panade in zwei Sorten - Golden (moderat scharf) und Red (wirklich brutal scharf), Tintenfischklößchen in süß-saurer Sojasauce, und Kartoffel- und Süßkartoffel-Fries aus echten Süßkartoffeln, zum Beweis an jedem Ende mit einem kleinen Stück Schale. Auch ein Pilzgericht aus in Mirin gebratenen und ankaramellisierten Pilzen mehrerer Art und blanchiertes Bok Choi mit Sesamöl findet sich noch ein, vielleicht hat es nicht mehr auf die vegetarische Platte gepasst. Dazu gibt es in zwei Saucenständern Okonomiyakisauce, Kewpie-Mayo und Honey-Mustard-Ketchup von Lightning. Es gibt auch eine Alibischüssel Reis, die etwas am Rand steht und vor sich hin dampft.
Für John und Jane gibt es zudem die bestellten Gerichte - einmal für Jane ein Plättchen mit mehreren Langustinos, gebraten und auf verschiedene Gemüse gebettet, mit verschiedenen Saucen angemacht und auch hier so angeschnitten dass man das Fleisch einfach aus der dekorativen Schale nehmen kann, sowie Krabbenklößchen und einer scharfen und einer süßen Sauce für diese, zum Dippen. John bekommt eine kleinere frittierte Entenbrust wie die, die auf der Entenplatte liegt, nur ohne die Füllung, in Scheiben geschnitten, und dafür mit einem Bett aus Glasnudeln, Bambus, Pilzen und dunkler Sauce auf Sojabasis, die am Rand mit zu kleinen Kronen geschnittenen Wasserkastanien dekoriert ist.
Die beiden Elfen, die Blonde und Nathalie, bekommen ebenfalls vier thematisch ähnliche Platten hingestellt, aber viel kleinere. Dazu bekommt jeder eine große und eine kleine Schüssel und wahlweise koreanische, japanische oder chinesische Stäbchen, einen koreanischen oder chinesischen Löffel, oder Löffel, Messer und Gabel in westlichem Stil. All das sowie Gerichtsbeschreibungen mit Kalorien- und Nährstoffangaben und Herkunftsnachweisen, wenn das jemand wissen will, sind in der diskret-geschmackvollen Laden-AR bestell- und abrufbar. Die Bedienungen haben ihrem offenen Profil zufolge Diskretionsfilter-Software aktiv, die stimmen herausfiltert.
Die blonde Elfe lächelt Nathalie zu und tut ihr gleich ein bisschen Ente (ihre Entenplatte hat nur einen Kopf, zwei Flügel, zwei Eier und zwei Füße) in eine Schüssel. Etwas gefüllte Brust, einen Flügel und mit zartem Lächeln einen Fuß. Sie hat japanische Stäbchen und einen koreanischen Löffel und ist damit ziemlich geschickt.
Am Gespräch beteiligt sie sich weiter nicht, folgt aber mit den blauen Augen immer mal einem oder anderen der versammelten Kontrakteure, jedoch nie einem für längere Zeit. Meist, aber nicht immer, denen die gerade Fragen an Nathalie richten.