#12
Montag, 17. August 2071, 02:48 Uhr
Seattle, Southern Downtown, „Claptons Corner“
Die letzten Akkorde verklangen und die kleine Band genoß den Applaus der wenigen Gäste im "Claptons Corner", einer kleinen Blueskneipe in Southern Downtown, Seattle, in der regelmäßig Livekonzerte stattfanden. Teilweise kamen wirkliche Größen der aktuelle Blues- und Jazzwelt in die Kneipe - so z.B. das "Garners Sixtett" oder auch Johny Parker. Das Quartet, mit dem Al aktuell ab und an unterwegs war, war bestenfalls 3. Klasse. Davis, ihr Schlagzeuger, hatte früher auf großen Bühnen gespielt, aber dann hatte ihn das Leben eingeholt - ein Autounfall warf ihn für einige Zeit aus dem Rennen, danach kamen dann Alkohol und Drogen - den Anschluß an die Topgruppen hatte er verloren. Andrew, ihr Gittarist, war nur ab und an dabei und hielt sich mit verschiedensten Jobs über Wasser. Er war gut, aber er hatte keinen Drive, keinen Ehrgeiz und deshalb würde er auch weiterhin nur in solchen Kneipen und ähnlichen Läden spielen. Lily, ihre Sängerin, hatte echt Talent - und obendrein sah sie super aus. Al hätte einiges gegeben, wenn sie endlich mal mehr werden würden als nur gute Freunde - aber bisher hatte es nicht sein sollen.
"Ok, Jungs, ich muss dann" entschuldigte sich Davis, der mittlerweile wieder ein halbwegs geregeltes Leben führte und nach den Auftritten meist schnell nach Hause zu seiner Frau und seinen zwei Kindern fuhr. "Jau, hau rein - ich verabschiede mich auch" entgegnete Andrew, während er den Deckel seines Gitarrenkoffers schloß und sich daran machte, Davis zu folgen.
Lily und Al schauten sich kurz in die Augen, nachdem sie die beiden anderen verabschiedet hatten. "Heute nicht, Al" erwiederte sie dann auf die ungestellte Frage, die trotzdem zwischen ihnen im Raum hing. Al zuckte resigniert die Schultern "Schade, Lily - ich hätte mich gefreut. Naja - dann wünsche ich Dir noch einen schönen Abend, pass gut auf Dich auf" erwiederte er. Sie umarmten sich kurz und er gab ihr einen schnellen Kuss, dann verließ auch Lily die Bar.
Al warf einen Blick auf die AR-Uhr, die er in sein Sichtfeld einblendete. Au man - schon wieder kurz vor drei dachte er bei sich, während er sein Saxophon - ein altes Canonball-Vintage Stone Series "The Raven"-Tenorsaxophon, das eines seiner wertvollsten Besitztümer darstellte - säuberte und sicher wieder im Saxophonkoffer verstaute.
Hm, fahr ich jetzt direkt oder...ach, was solls dachte er sich dann und begab sich samt dem Saxophonkoffer noch an seinen Stammplatz am Rand des Tresens, wo er den Koffer so abstellen konnte, daß er ihn nicht vergaß.
Montag, 17. August 2071, 10:37 Uhr
Seattle, Southern Downtown, Ein Appartment ein paar Blocks entfernt
Der nächste Morgen...
Seine Kehle fühlte sich an wie die Sahara, als er am nächsten Tag erwachte. Einen Augenblick hielt er die Augen noch geschlossen, dann öffnete er sie und versuchte, sich zu orientieren. Sein Kopf dröhnte und fühlte sich an, als ob er als Ambos für eine Akkordfertigung von Klingen und anderem gedient hätte.Mühsam erhob er sich von dem Sofa, auf dem er anscheinend den Rest der Nacht verbracht hatte und wankte - immernoch eher schläfrig - ins Bad, um sich kaltes Wasser durchs Gesicht zu jagen. Der Mann im Spiegel sah verknittert aus - dunkle Augenringe, ein stoppeliges Kinn, leicht fettige Haare...und verdammt, warum hatte er immernoch seine Sachen an von gestern? Er konnte sich kaum erinnern...
Dann durchfuhr es ihn wie ein Blitz: Verdammt! Hatte er...
Schnell eilte er wieder aus dem Bad in seinen Wohn- und Schlafraum und schaute sich um. Wenn...nein. Gottseidank, dort neben der Tür stand der Koffer, sein Ein und Alles. Der Schrecken wich ihm aus dem Körper und er ging in die kleine Miniküche, die ebenfalls zu seinem Appartment gehörte. Nebenbei gab er den Jalousien des Appartments den geistigen Befehl, sich ein wenig zu öffnen, um ein wenig natürliches Licht in die Wohnung zu lassen.
Lange starrte er in den Kühlschrank, der für seine Verhältnisse gut gefüllt war und entschied sich schließlich für ein einfaches Fertiggericht und dazu einige Gläser Milch. Er schnappte sich die Milchtüte, das Fertiggericht und ging zurück ins Wohnzimmer und dann auf die kleine Empore, die er hauptsächlich als Arbeits- und Schlafplatz nutzte. Es wurde Zeit, sich mal wieder ums Geld verdienen zu kümmern - er machte sich auf, um verschiedenste Foren und Onlinecommunities zu besuchen und zum einen Kontakte zu pflegen, zum anderen einen Job zu finden...
P.S.: Siehe OP-Thread!