-9-
21.11.2070 21:42 Uhr
Jett steuerte den Vulkan Electronaut geschickt durch die Straßen von Jork .Jork war mal ein hübscher Ort gewesen. Zumindest vor der Schwarzen Flut 2011. Jetzt im Licht der Suchscheinwerfer wirkten die algenbesetzten Häuser die allesamt unter der Wasseroberfläche lagen wie Relikte einer längst vergessenen Zeit. Auf den Straßen standen immer noch VW Golf’s, Opel Astra’s oder Ford Ka. Zumindest die nichtmetallischen Teile ihrer Karosserien.
Die Geschäfte zierten klangvolle Namen wie Mc Donalds (war das mal ne Schottische Bank?), Media Markt oder Karstadt...
Halt Karstadt war sein Ziel! Zumindest wenn er den Aussagen der Hovergang trauen konnte, hatten sich die Ghule in den oberen Stockwerken die sogar noch über der Wasseroberfläche lagen, eingenistet.
Auf dem Dach hatten sie Wachposten. Aber mit einem Angriff von unten würden sie nicht rechnen. Jett's Grinsen ging fast von einem spitzen Ohr zum anderen. Die Hansestadt Hamburg zahlte immer noch ein hübsches Kopfgeld für jeden erlegten Ghul. Auch wenn unter dem Metamenschenrechtlern immer mehr Stimmen laut wurden, dass Ghule auch Menschenrechte bekommen sollte. Jett hielt dies für Blödsinn. Drachen fraßen nur gelegentlich Menschen. Ghule fraßen immer Menschen! Warum wollte einen Schafherde den Wölfen Bürgerrechte verleihen? Ja solange sie sich noch nicht durchsetzten konnten war es ihm recht. Wenn er sich beeilte konnte er auch noch Atina retten. Die 12 jährige Tochter griechischer Flüchtlinge war spurlos verschwunden. Nur ihr leere Schlauchboot wurde treibend in Jork gefunden. Jett zählte nur 1 und 1 zusammen.
Als er das Mini-U-Boot vorsichtig durch die zerstörten Eingangsdoppeltüren steuert erfassen die Scheinwerfer kurz eine Bewegung. Drek, ein über 2 Meter langer Abramshummer!
Was macht so ein Critter hier? Zum Glück scheint der Riesenhummer kein Interesse an dem U-Boot zu haben und zieht sich in die Dunkelheit zurück.
Wahrscheinlich steht er nicht auf Dosenfutter. Obwohl auch der Hummer selbst in Knoblauchsauce ziemlich lecker wäre.
Jett stoppt das U-Boot in der großen Eingangshalle neben den Rolltreppen die aus dem Wasser ins trockene in die oberen Stockwerke führen. Er löscht die Scheinwerfer und lässt das Wasser aus den Tanks damit der Electronaut auftauchen kann. Kurz bevor die Lichter verlöschen sieht er einen Haufen metamenschlicher Knochen auf dem Grund liegen. Wahrscheinlich entsorgen die Ghule hier ihre Opfer.
Jett öffnet die Versielung der Doppelkanzel und atmet die moderige Luft ein. Schnell setzt er seinen Ultraschall-Helm auf, der mit dem schwarzen T-Visir ihm den Straßennamen „Boba Jett“ eingebracht hat. Zusätzlich schaltet er Restlicht und Infrarotsich hinzu.
Jett erklimmt die Rolltreppe zum ersten Stock. Keine Sekunde zu spät! Dank der Audioverstärkung seiner Cyberohren hört er schon den ersten Ghul heranschlurfen. Vermutlich hat er das Auftauchen des U-Boots gehört.
Da biegt die dürre Gestalt mit den Pupillenlosen Augen auch schon um die Ecke. Überrascht lässt der Ghul einen Abfallsack fallen (in dem schon weitere Knochen scheppern).
Jett schießt blitzschnell einen Elektropfeil aus seinem Taser ab. Der Ghul geht getroffen zu Boden und seine Muskeln zucken unter dem Elektroschock unkontrolliert.
Jett läuft schnell zu ihm und wirft den zuckenden Körper über das Geländer ins Wasser.
Na da wird sich der Riesenhummer aber freuen. Sonst bekommt der ja nur die Knochen!
Jett überprüft noch mal die über AR eingeblendete Munianzeige seiner AK-97 die er aus vor 2 Monaten aus Sibirien mitgebracht hat. Er folgt dem Gang aus dem der Ghul gekommen ist und steigt eine weitere funktionsuntüchtige Rolltreppe nach oben.
Von fern schon hört er die laute Popmusik die aus einem Trid in der Mitte einer großen Damenmodeabteilung dröhnt. Zwischen den gespenstisch wirkenden Schaufensterpuppen sitzen ein halbes Dutzend Ghule um ein Tridgerät auf dem Boden und lassen sich von den ADL-Charts eines Teeny-Senders begeistern. Gerade wird das Programm durch die Werbung für Komlink-Klingeltöne unterbrochen.
„Hey ihr Menschenfresser. Kennt ihr schon den AK-97-Klingelton im Monatsabo?“ ruft Jett und lässt einen Kugelhagel auf die Ghule niedergehen. Einige versuchen nach ihren rostigen Schrotflinten zu greifen doch die meisten sterben ohne zu wissen was sie eigentlich getroffen hat.
Als alle tot am Boden liegen wartet Jett noch kurz in seinem Versteck als auch schon die beiden Wachen vom Dach auftauchen und ebefalls ahnungslos in Jetts Sperrfeuer laufen.
Als sich niemand mehr bewegt erhebt sich Jett und nährt sich vorsichtig dem Trid. Hinter einem vermoderten Sessel hört er das wimmern eines Mädchens. Alina? Ist sie noch am leben?
Da bemerkt er aus dem Augenwinkel einen Bewegung. Jett kann seinen Kopf gerade noch zur Seite bewegen als die große Axt wenige Zentimeter von seinem Helm vorbeischwingt.
Der große und kräftige Ghul (war wohl vor der Verwandlung ein Ork) hatte sich im absolut lautlos genährt. Zu allem Überfluss ist er schnell! Seine Reflexe können mühelos mit Jetts Reflexbooster mithalten. Ein Ghul-Adept?! Jett hat keine Zeit zu überlegen!
Er pariert den nächsten Axtschlag seines Gegners mit der AK-97. Schlechte Idee. Das robuste russische Sturmgewehr wird in der Mitte durchgeschlagen. Unglaublich! Jett lässt die beiden Teile fallen und weicht zurück. Der Super-Ghul holt mit der Axt zum alles entscheidenden Schlag aus!
Jett richtet seinen rechten Arm auf den Super-Ghul und wie Zauberei springt seine Hammerli 620S per WiFi-Skinlink-Verbindung aus der versteckten Armhalterung aus dem Ärmel der Panzerjacke in seine Hand!
Ehe der Ghul zuschlagen kann feuert Jett blitzschnell zwei Kugeln in den Kopf des überraschten Gegners.
Der Ghul taumelt und kippt vom Gewicht der Axt gezogen nach hinten. Nachdem Jett sich von dem Kampf erholt und sich vom Tod des Super-Ghuls überzeugt hat, wendet er sich dem Sessel zu.
Tatsächlich sitzt dort Atina. Unverletzt!
„Ganz ruhig, Atina. Du bist in Sicherheit. Mein Name ist Jett, ich bringe dich zu deinen Eltern.“
Er will ihr vorsichtig über die schwarzen Haare streichen – und hat plötzlich ein ganzes Büschel Haare in der Hand. Atina hebt ihren Kopf uns blickt ihn mit noch nicht ganz irislosen weissen Augen an.
„Ich habe Hunger. Ich ... ich darf nicht zu meinen Eltern,“ schnieft sie.
„Ja da hast du recht. Tut mir leid. Der Krieger-MMVV Virus ist unheilbar.“
„Wirst du mich jetzt töten?“Jett senkt seine Waffe die er unbewusst auf Atina gerichtet hatte.
„Nein. Ich bin ein Jäger. Und ich jage keine junge, wehrlose Beute. Gib mir deine Halskette mit dem Kreuz. Ich werde es deinen Eltern geben und sagen, dass du tot bist. Am besten gehst du nach Ohlsdorf. Da sind viele von deiner ...äh ...da findest du neue Freunde.“
Atina blickt zu Boden.
„Ich danke dir Jett.“
Jett weiß nicht was er dem Mädchen an tröstenden Worten mit auf den Weg geben soll. Also sagt er gar nix, nimmt die Axt und geht zur nächstliegenden Ghulleiche hinüber.
Als das Mädchen den Kopf hebt und ihn fragen ansieht sagt er entschuldigend:
„Um das Kopfgeld vom Senat zu kassieren brauche ich ein ... Beweisstück von jedem Ghul. Leb wohl Atina. Ich wünsche dir viel Glück.
Und sollten wir beide und jemals wiedersehen....werde ich dich töten müssen.“