Nach Jahren mal wieder hier reingeschaut und gleich in 'ne interessante Diskussion gestolpert.
Der richtige englische Fachbegriff ist tatsächlich Battle Rifle, der nächstrichtige wäre Automatic Rifle - wobei Letztere eher eine Ergänzung zu den Battle Rifles und später Assault Rifles kleineren Kalibers (Mittelpatronen, wie in der Diskussion ja schon richtig angemerkt) waren, bevor lMG (in Teils Sturmgewehrkalibern) eingeführt wurden. Aber selbst heute noch ist das Konzept des Automatic Rifle noch nicht völlig gestorben und erfährt derzeit im IAR des USMC im kleineren Kaliber eine gewisse Wiedergeburt - zumindest was die Einsatzkonzeption angeht. In den letzten Einsätzen hat sich nämlich das Konzept des Sturmgewehrs selbst etwas überholt.
Und jein, zwar ist der Begriff Sturmgewehr zwar mal aus politischen Gründen eingeführt worden, er ist aus heutiger Sicht aber richtiger als der von Warentester in's Feld geführte Begriff Maschinenkarabiner.
Zum einen hat sich die Idee des vollautomatischen Feuers als recht sinnfrei und unzweckmässig herausgestellt, womit der "Maschinen-"Part des MKB stark in der Wichtigkeit zurückging*. Zweitens ist ein Karabiner im Allgemeinen die Kurzversion eines ausgewachsenen Gewehres - diese "grossen Ausführungen" gibt es aber bei den Sturmgewehren nicht mehr, wenn man mal von typinternen Kurzversionen (M16 -> M4) absieht (beides sind Sturmgewehre und würde damit in Warentesters Defintion des Maschinenkarabiners fallen).
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Die Möglichkeit des Vollautomatischen Feuers wurde bei den M16 aufgrund der gemachten schlechten Erfahrungen begrenzt (Feuerstossautomatik) und in der Ausbildung auf gezieltes Einzelfeuer Wert gelegt.
Als Ersatz für diese Fähigkeit wurden dann zu den GPMG zusätzliche, dedizierte Waffen eingeführt, die leichten Maschinengewehre. Höhere Munitionskapazität, längere Feuerfähgikeit, teils aufgrund der Laufwechselfähigkeit, teils durch das Verschlussprinzip. Dafür sind diese Waffen aber unhandlich und recht schwer und immer nur ein oder zweimal in der Gruppe vorhanden.
Daher erfolgt grade wieder ein neues Umdenken hin zu Waffen, die wieder in der Lage sind, bei Bedarf für kurze Zeit vollautomatisch zu schiessen, gleichzeitig aber so präzise im Einzelschuss sind, dass innerhalb des infanteristischen Halbkilometers zuverlässig und erfolgreich gekämpft werden kann - was mindestens zum gleichen Teil einen Fokus auf Ausbildung benötigt, wie es dazu geeignete Waffen braucht.
Dass es im Ostblock den Begriff "Battle Rifle" nicht gibt ist insofern nicht verwunderlich, als dass man dort quasi direkt nach dem 2. Weltkrieg ein Sturmgewehr (in der DDR dann verwirrenderweise als Maschinenpistole klassifiziert...) im Mittelkaliber eingeführt hat, basierend auf den Erfahrungen mit deutschen Entwicklungen, denen man im Krieg begegnete.
Das nächste, was an ein Battle Rifle rankommt, war dort das SVD/Dragunov - und das wurde direkt als Designated Marksman Rifle eingesetzt - eine Verwendung, in der sich heutige Nachfolger klassischer Battle Rifles "zufälligerweise" auch wiederfinden. Ein Schelm, wer da nicht an Zufall glaubt.
Zumindest lässt sich daran recht gut sehen, wozu die damaligen Battle Rifles eigentlich geeignet waren - im Gegensatz dazu, wozu sie damals tatsächlich verwendet wurden.
Zwar wurde auch im Ostblock im Laufe der Weiterentwicklung der Sturmgewehre ein Kaliberwechsel durchgeführt, dort jedoch innerhalb der Mittelpatronen (7,62x39 auf 5,45x39(,5)). Das war eine Reaktion auf den Kaliberwechsel innerhalb der NATO (bzw. primär des Wechsels der USA, dem andere dann wieder mehr oder minder freiwillig gefolgt sind) und hatte als Ziel, einen erweiteren Treffbereich zu schaffen. Damit erhöht sich in praktischen Szenarien die Trefferwahrscheinlichkeit und der Ausbildungsaufwand wird verringert. Als Nachteil erkauft man sich geringere Wund-/Zielwirkung.
Dass es im Westen erst einmal "Battle Rifles" gab, lag daran, dass die sehr konservativen Führungskreise der Army an der Funktionsweise und den Leistungsparametern ihrer althergebrachten Gewehrkaliber festhalten wollten.
Der Entwicklungsschritt zwischen einem M1 Garand in .30-06 und einem M14 in 7,62x51 ist nicht wirklich gross, vor den Entwicklungen und Erfahrungen, die zwischenzeitlich gemacht wurden (Maschinenpistolen, Sturmgewehre, Mittelpatronen) hat man dabei die Augen verschlossen und letztendlich NATO-weit ein Kaliber durchgesetzt, teilweise gegen anfängliche Widerstände der Verbündeten (insbesondere Gross Britannien - deren Vorschlag lag bereits Ende der 1940er da, wo man heute, 70 Jahre später ein Optimum für ein Gewehr sieht, das die Funktionen von Battle Rifle und Assault Rifle vereinen würde und das bietet, was man als Soldat eigentlich benötigt, sofern man nicht zwei Waffen mit sich herumschleppen will...).
Kurz nachdem die US-Army dann die 7,62x51 "durchgedrückt" hatte, stellte man im nächsten/übernächsten Konflikt fest, dass die Waffe nicht mehr für das geeignet ist, was man damit machen wollte (der Weg zum Fully Automatic Warfare) und begann, arg futuristische und letztendlich gescheiterte Ansätze zu verfolgen (SPIW). Irgendwann wurde der zeitliche Druck durch die Aktivitäten und die zum damaligen Zeitpunkt deutlich zielstrebigere und erfolgreichere Waffenentwicklung im Ostblock (weitgehend einheitliche Bewaffnung in einheitlichen Kalibern, praktikablere Waffen für die damals aktuellen Einsatzszenarien und Konflikttypen) zu gross und man führte (viel zu hektisch und daher total unüberlegt) das ein, was heute eine der weitverbreitetsten Sturmgewehrfamilien ist - incl. eines neuen "Kleinkalibers" in das nichtmal in Ansätzen tiefergehende Entwicklungs- und Forschungstätigkeit floss - in der Retrospektive und in Betracht der nichtmal 20 Jahre zurückliegenden, besseren Vorschläge der Briten ein gigantischer Fehler. Das wurde dann nach grade mal ein paar Jahren die nächste neue Standardpatrone der NATO - und mit der leben die meisten westlichen Staaten heute immer noch - und auch in mittlerer Zukunft wird sich da erstmal nicht viel tun.**
"Kurz" zusammengefasst:
Der Ostblock hat nach dem 2. Weltkrieg die besseren Entscheidungen getroffen und die besseren Entwicklungen angestossen und hat daher keinen (unnötigen) Umweg über Battle Rifles machen müssen.
Dessen Waffenkonzeption wurde (mit kleineren Ausnahmen) zentralisiert entworfen und die Bewaffnung des Warschauer Paktes erfolgte bereits von Beginn an vereinheitlicht.
"Der Westen" ist sehr stark durch die USA beeinflusst worden. Die nahmen auf NATO Standardisierungen massiven Einfluss und drückten ihre teilweise sehr unkoordinierten und zu kurzfristig gedachten Entwicklungen durch.
Der Rest der NATO eiert da mehr oder weniger verzögert hinterher. Die BW zum Beispiel hat erst in den späten 90ern ihr als Sturmgewehr geführtes "Battle Rifle" durch eine modernere Waffe abgelöst, deren Kaliber die USA bereits in den 60ern als neuen NATO-Sturmgewehrstandard begannen einzuführen. Dafür nutzte sie bis in die 90er ihr Sturmgewehr als "Scharfschützengewehr", um es dann von einem "richtigen Scharfschützengewehr" ablösen zu lassen (anstatt es zu ergänzen) und 15 Jahre später erkennt man dann, dass diese Waffe als DMR eigentlich doch ganz nützlich ist. Parallel dazu führte man erst zum Jahrtausendwechsel ein lMG ein, während andere NATO-Streitkräfte solche Waffen schon seit 20, 25 Jahren nutzten, nur um quasi direkt darauf zu beobachten, dass eine langsame Abkehr vom lMG einsetzt, da sich die Konflikte in denen man tätig werden muss verändern bzw. anders strukturiert sind als der Kalte Krieg - hier wurden also Jahrzehnte der Entwicklung verschlafen.
Mit Blick auf das eigentliche Thema Shadowrun:
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Ich würde erwarten, dass in den nächsten 40+ Jahren eine gewissen Normierung hin zu ballistisch optimierten Kalibern und eine gewissen Konsolidierung stattfindet.
Ehemalige Ostblockwaffen und deren Weiterentwicklungen werden schon heute immer mehr in westlichen Kalibern angeboten, sei es nun bei Maschinenpistolen oder bei Sturmgewehren, im Bereich GPMG gibt es eine Quasi-Normierung auf 2 recht vergleichbare Kaliber, im Bereich SD-Waffen tut sich in den USA grade einiges hin zu einem halbwegs einheitlichen Kaliber (das dem alten Ostblock-Sturmgewehrkaliber nicht allzu unähnlich ist...) während der Osten eine (IMHO bessere) Einheitslösung mit der 9x39 nutzt.
Wenn man jetzt mal weitere Konzepte wie Plastikhülsen bzw. Hülsenlos ausser Acht lässt, sehe ich da sowohl in SR als auch im RL eine gewisse Vereinheitlichung hin zu den weiter vorne diskutierten Konzepten (Schwere Pistole, Leichte Pistole, Sturmgewehr, bla...).
P.S.: Ja, es ist Sonntag, ich bin viel zu früh wach und habe Langeweile...