Kurzgeschichte: Blutsbande

  • Zitat

    Ich habe zur besseren Lesbarkeit den Text anders formatiert und es sind noch einige Patzer in Orthographie und Grammatik entfernt. Ihr könnt das Ganze auch als PDF runterladen. Kommentare und konstruktive Kritik sind immer willkommen, schreibt mir eure Meinung!


    letztes Update: 08.05.2009 (Teil 5)


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    Teil 1


    „Einen wunderschönen guten Morgen Seattle! Der Smog hält sich heute in Grenzen und man könnte fast die Sonne sehen. Die Tagestemperaturen werden vorraussichtl…“ Minions Faust lässt den altersschwachen Radiowecker verstummen und das bereits geborstene Plastikgehäuse knirschen. „Jaja, du mich auch.“ murmelt er und wälzt sich auf die Bettkante. Sein Blick wandert zu der halbleeren Flasche Soyfusel vom Vorabend neben dem wackeligen Nachttisch. Doch auch der Synthahol würde nicht gegen die Schmerzen helfen. Morgens sind sie am schlimmsten, nicht weil er mit seinen 36 Jahren schon zu alt wäre oder körperlich schwer gearbeitet hätte. Nein, die Kevlarknochen vom billigen Hinterhofchirurgen lassen vor allem morgens seinen ganzen Körper schmerzen. Damals wollte er härter werden, sich abstumpfen, auch gegen seine unbezwingbare Flut von Gefühlen. Damals, bevor auch noch der Rest seines Lebens den Bach runterging. Alles was ihm von damals geblieben ist, ist seine geliebte und zu teure Wohnung, ein Mausoleum der Erinnerungen, in dem Staubflocken tanzen im gedämpften und jalousiengesiebten Licht. Sie wirbeln und tanzen und legen sich auf die Holobilder seiner Tochter. Wie sie wohl jetzt aussehen mag?


    Ächzend hievt er sich vom Futon, lässt die Gelenke knacken und kratzt sich am Sack. Er steigt in die altertümliche Duschwanne und säubert sich schnell. Schnell, weil sonst das lauwarme Wasser wegbleibt. Heute hat er Glück, dafür fällt beim Rasieren auf einmal der Strom aus. Verfluchte Grundversorgung. Ein prüfender Blick in den fast blinden Spiegel enthüllt ein asymmetrisches Gesicht („Ausdrucksstark“ hatte Muriel früher gesagt, „Hässlich“ wenn sie sich stritten) mit einem struppigen Dreitagebart. „Naja, geht noch so… Den Burgern wird es wohl egal sein.“


    Pünktlich um 9 Uhr beginnt er seinen Dienst im McHugh’s, zieht seine Arbeitsuniform mit dem lächerlichen Hütchen an und verbringt 4 arbeitsreiche Stunden in Dunstschwaden von ranzigem Fett, eingepfercht zwischen standardisierten Geräten, standardisierter Nahrung und standardisiertem Lächeln. Ginge es nach den Konzernen würde das ganze Leben nach einer Gebrauchsanweisung im Aktenordner laufen. Genormte Brötchenhälfte, ein rund gezüchtetes Salatblatt (32,17cm²), SoyPattie, rote Soße, gelbe Soße (werden beide aus gleichem Container abgefüllt), exakt 5 Zwiebelkrümel, 2 plastifizierte Gurkenscheiben, Brötchenhälfte mit McHugh’s-Logo aus imitierten Sesamkörnern. Blinkende Sekundenanzeigen, fiepende Friteusen, quengelnde Kinder; der ganze Laden kotzt ihn an.


    „Robert, auch wenn sie im produktorientierten Teil unserer gastronomischen Einrichtung tätig sind, der Kunde erwartet einen freundlichen und motivierten Service. Und sie möchten den Kunden doch nicht enttäuschen, oder?“ Speichellecker mit festgefrorenem Grinsen wie Greg Huang wurden für einen Job als Filialleiter geboren. Vor ihrem langweiligen, biederen Leben flüchten sie sich immer tiefer in ihre langweilige, biedere Arbeit. „Lasses gut sein, Greg. Wir sin’ hier alle am Limit, das weissu.“ Minion nickt Luisa Sanchez dankend zu. Die orkische Schichtleiterin ist der einzige vernünftige Mensch in dem ganzen Laden und irgendwie mag sie den hageren Ex-Knacki.


    Als Bewährungsauflage wurde Minion zur „Resozialisierung“ ein Halbtagsjob verpasst, welchen genau durfte er sich aussuchen; willkommen in der freien Marktwirtschaft. Doch wer stellt schon einen ehemaligen Häftling ein, der sich von jeglicher Elektronik fernhalten muss. Besitz illegaler und nicht registrierter Hard- und Software, Datendiebstahl, Verletzung extraterritorialer Rechte und so weiter. Den Rest der Anklageschrift hatte er nicht mehr mitbekommen im Nebel des kalten BTL-Entzugs. So tief war er gesunken, hatte seinen gesamten Konzern-Lebensstil versetzt um sich in der elektronischen Glückseligkeit zu wahren. Schlotternd hatte er vor dem Richter gestanden und alles über sich geschehen lassen. Die Jahre in Queensboro haben ihn noch verbitterter gemacht. Nie wieder wollte er sich unterkriegen lassen. Und ist dann an Redfoot geraten. Charles Redding ist Bewährungshelfer mit guten Kontakten zu Richtern und Unterwelt, außerdem lässt er seine „Schutzbefohlenen“ für einen Hungerlohn auf Runs gehen. Natürlich gibt es genug Geschichten was mit Runnern geschehen sei, die nicht mehr für ihn arbeiten wollten. Robert ist erneut zu einem Schergen der Mächtigen geworden.

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    3 Mal editiert, zuletzt von DaRapha ()

  • Teil 2


    Der Bus ist fast leer als Minion nach Hause fährt. Gedankenverloren schaut er aus dem Fenster und lässt den weniger verfallenen Teil Redmonds an sich vorbeiziehen, den Schatten der Renraku-Arkologie weit im Smog verborgen. Auch wenn es „Touristville“ genannt wird, es bleibt Redmond. Die Häuser bleiben grau mit leeren Fenstern, so wie die grauen Menschen mit leeren Augen die in ihnen wohnen; auch wenn ab und zu Farbkleckse des „StufferShack“-Logos oder die bunten Tags der diversen Gangs die Eintönigkeit unterbrechen.


    Mehr um ein vages Gefühl der Sicherheit zu haben trägt Robert eine kleine Pistole bei sich. Zwar muss er jedes Mal, wenn er eine Waffe in der Hand hält, an King Bobs Tod denken und er kann mit der Ceska nicht besonders gut umgehen, doch bietet sie wenigstens etwas Schutz gegen einen messerzückenden Ganger. Robert kennt die Reviere einigermaßen und meidet die schlimmsten Gebiete; mal davon abgesehen, dass ihn die größeren menschlichen Raubtiere sowieso nicht beachten. Seine Resignation und Verzweiflung trägt er wie einen unsichtbaren Schutzschild mit sich und im vorderen Teil des Busses, nahe dem Ausgang, sind fast immer noch freie Sitzplätze um ihn herum. Er wirkt so nichtssagend, dass die meisten Menschen ihn einfach ignorieren, als hätte ihr Gehirn ihn ausgeblendet. So hat Robert seine Ruhe und er lässt im Bus die Gedanken schweifen, so wie er es den größten Teil des Tages tut. Er hängt sehr an der Vergangenheit, zu sehr, und sein jetziges Leben besteht daraus ihr nachzutrauern; insbesondere seiner Tochter Kim-Sophie, die seiner Exfrau zugesprochen wurde.


    Manchmal, wenn ihn die Niedergeschlagenheit zu sehr peinigt und sich die Gedanken jagen, bis er fast wahnsinnig wird, dann geht er ins „Snookers“, gleich um die Ecke seiner Wohnung. Der indischstämmige Inhaber Bandaru hat schon ab mittags geöffnet um den gescheiterten Existenzen Redmonds eine Zuflucht zu bieten. Eigentlich trinkt Robert nur am Wochenende aber manchmal, da siegt in ihm der Drang alles zu betäuben: seine Gedanken, seine Gefühle, sein Leben, einfach alles.


    Im „Snookers“ hat er auch vor fast einem Jahr Slick kennengelernt, den Pfandleiher aus dem Nachbarhaus. Mittlerweile sind die beiden gute Freunde geworden, vor allem weil Slick früher selber ein Shadowrunner war und Roberts Verdruss somit umso besser versteht. Oft ist Slick bereits nachmittags auf seinem Stammplatz am Tresen, doch diesen Tag nicht. Dafür wird Robert eine andere interessante Bekanntschaft machen. Er hat seinen Stammplatz mit Bedacht gewählt: an der Theke, gleich auf der Ecke; zwar mit dem Rücken zu den anderen Gästen, aber er kann von hier aus einen schnellen und unauffälligen Seitenblick am Zapfhahn vorbei auf den Eingang werfen. Das „Snookers“ gehört zu jener Art von Kneipen, in denen neue und vor allem unbekannte Gäste ausgiebig und misstrauisch beäugt werden.


    Der lädierte Aschenbecher vor Robert hat sich schon mit einer halben Schachtel Marlboro Stix gefüllt als ihm der schnäuzbärtige Wirt der vierte Glas Importbier auf Sojabasis zapft. Mit den schnellen, großen Schlucken des gewohnheitsmäßigen Trinkers leert Robert auch dieses Glas, ähnlich dem ältlichen Pärchen an Tisch 4. Susan und Herbert in der Sitznische sorgen für einen konstanten Rauchgehalt der Luft im „Snookers“ und sind wie das restliche Inventar mit einer Patina aus Nikotin und billigem Alkohol überzogen. Still hält sich jeder an seinem Glas fest, nur Bandaru schaut gelangweilt auf den betagten 2D-Fernseher in der Ecke; es läuft irgendein langweiliger Sportsender, der einzige Kanal, den das Gerät noch empfängt.


    Die Gewohnheit wird unterbrochen als sich die Tür öffnet und im Schein des Tageslichts eine junge menschliche Frau in einem Straßenchic-Overall selbstsicher ins „Snookers“ stolziert. Hätte sich irgendjemand gerade unterhalten, wären alle Gespräche abrupt beendet gewesen, aber so scheint das Schweigen nur noch lauter zu werden. Die Frau ist mittelgroß, schlank und hat halblanges nussbraunes Haar. Sie winkt dem Barkeeper lässig zu und bestellt ein Bier als würde sie jeden Tag Kunde hier sein. Sie geht zum Tresen und setzt sich direkt neben Robert während vier ungläubige Augenpaare ihr folgen. Robert mustert sie aufmerksam und korrigiert ihr Alter auf 18, höchstens.


    „Du bist Minion, richtig?“ spricht sie ihn keck an. „Wie kommst du denn darauf?“ gibt er barsch zurück und nimmt einen tiefen Schluck um seine Unsicherheit zu verbergen. Er hätte nicht bis dato überlebt wenn er jedesmal sofort auf seinen Straßennamen anspringen würde, außerdem kennt er die Kleine nicht. Ihre Augenfarbe ist rosa, entweder vercybert oder Kontaktlinsen. Ihre Stimme ist eher kindlich mit einem rauchigen Unterton, der sehr angenehm ist. Ihre Gesichtzüge sind eher plump aber mit kleinen Grübchen in den Wangen wenn sie spricht. „Naja, Destiny hat dich ziemlich genau beschrieben.“ Roberts Augen werden schmal, dazwischen eine steile Zornesfalte. „Destiny.“ So gepresst wie er den Namen ausspricht, ist es keine Frage sondern eine Anklage.


    Roberts Miene verfinstert sich bedrohlich, denn ein Stück Vergangenheit holt ihn ein. Und das wollte er unbedingt vermeiden, aus diesem Grund war er ursprünglich ins „Snookers“ gekommen, um sich mittels Synthahol in ein dermaßen debilen Zustand zu trinken dass seine stigmatische Vergangenheit, ewig verfolgend, ihn auf den verschlungenen Pfaden des Schicksal schlicht übersieht. Er hat es wieder nicht geschafft.

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  • Teil 3


    King Bob, Sneaker und Destiny kannten sich mit Konzernen aus, schließlich hatten sie sich auf Extraktionen spezialisiert, also heuerte Robert die Gruppe an um Jeff Takamoto zu überwachen. Er war nicht neidisch auf Takamoto weil Muriel jetzt ihren Abteilungsleiter liebte. Nein, er wollte einfach nur sein Leben und seine Tochter zurück. Dann wurde ihm alles endgültig genommen.


    Die Gruppe brachte ihm viel bei und King Bob wurde sein Mentor, beschützte ihn vor den Sticheleien der streitsüchtigen Destiny. King Bob war so etwas wie der Anführer der Gruppe und Waffenexperte, zumindest kam es dem damals noch unbescholtenen Robert so vor. Mit seinem Tod fiel die Gruppe nicht nur auseinander sondern auch LoneStar zum Opfer.


    Es war ein klassisches Patt: drei Männer, drei Pistolen, eine Entscheidung. Robert konnte sie nicht fällen, konnte dem Wachmann nicht in das Gesicht schießen, konnte nicht durch eine einzige Fingerbewegung ein Menschenleben, Alberto Mendez stand auf dem Namensschild, auslöschen. Der junge Wachmann zögerte nicht.
    Noch während sein blutender Körper zu Boden sackte, schoß King Bob zweimal und tötete den Wachmann. Sein Blick war klar als er Robert in die Augen sah, erschrocken über den nahenden Beweis der eigenen Sterblichkeit; bleich und röchelnd schnappte er nach Luft mit blutigem Schaum vor dem Mund. Im Trideo mag es heroisch aussehen, in der Realität war es eine beschissene Art abzutreten indem man am eigenen Blut in den Lungenflügeln erstickt. Robert erstarrt so wie damals sobald er eine Waffe in der Hand hat. Es gibt Dinge, die sich so tief im Gehirn festgebrannt haben, dass man sie immer noch sieht; selbst wenn man versucht auch noch den Rest niederzubrennen.


    Der wortkarge Sneaker trauerte um den Verlust des langjährigen Kollegen, sah es aber als „Berufsunfall“, Destiny hingegen ließ ihrer schneidenden Häme freien Lauf. Wochen danach, während Robert in Queensboro einsaß, immer noch. Sie wußte relativ viel über ihn und versucht ihn permanent zu diskreditieren. Doch während Robert und Sneaker im Knast waren, kehrte sie zu ihrer Gang zurück und verlor nach und nach den Kontakt zur Schattengemeinde, welche bereits nach kurzer Zeit das Interesse an der lamentierenden Destiny verlor.
    Destiny weiß viel über ihn, er sieht bis auf das fahler werdende Haar am Hinterkopf genauso unattraktiv wie damals aus, wohnt immer noch in der gleichen Wohnung, ist immer noch ein Verlierer. Was zur Hölle will sie immer noch vom ihm und warum schickt sie dieses Mädchen?


    „Klar chummer, Destiny. Sie hat total viel über dich erzählt und als ich ihr sagte ich will zu dir, hat sie mir genau erzählt wo ich dich finden kann.“ plappert die Unbekannte. Robert könnte einfach abwiegeln, das Gespräch beenden und die junge Frau wegschicken. Aber er will wissen aus welchem Grund er mit ihrer Dreistigkeit überfallen wird, das „Snookers“ ist Teil seiner Intimsphäre und sie ist darin eingedrungen. Das geht zu weit, er läuft nicht mehr davon. Schwungvoll knallt er das Bierglas auf den Tresen und wendet sich ihr zu. Mit dem rechten Ellbogen stützt Robert sich am Tresen ab, zum einen weil das Bier langsam anfängt seine Wirkung zu zeigen, zum anderen weil er so zur Not schnell die Waffe ziehen kann, falls die Kleine auf ihn angesetzt wurde. Er ist nicht auf Ärger aus, doch er will sich nichts mehr gefallen lassen, zu lange wurde er vom allmächtigen Schicksal herumgeschubst. Sein linker Zeigefinger deutet wie ein strafendes Schwert auf das Mädchen.


    „Jetzt hör mir mal zu.“ Robert ist wütend aber noch beherrscht. „Ich weiß nicht wer du bist oder was du willst. Ich weiß nur, dass du mich störst und dass ich keine Lust auf Störungen habe. Ich hab’ schon genug am Hals, auch ohne dich…“ Sein Zorn verfliegt zu schnell, als dass er jetzt noch bedrohlich wirken würde. Er hätte sie gleich zurechtweisen sollen; jetzt hat er so lange nach den ihm angemessen zu scheinenden Worten gesucht, dass ihm der ursprüngliche Grund seiner Anwesenheit im „Snookers“ wieder eingefallen ist. „Sag mir was du willst und verschwinde. Ich will meine Ruhe haben, so ka?“ resigniert er. Er zeigt überflüssigerweise immer noch mit dem Finger auf sie. Als er es bemerkt, zieht er hastig die Hand zurück, weiß nicht was er damit machen soll und nestelt aus Verlegenheit eine Zigarette aus der Schachtel.
    Sie schaut ihm ungerührt in die Augen und neigt den Kopf leicht zur Seite. „Sorry chummer. Nochmal von Anfang.“ Sie hält ihm freundlich die Hand hin. „Ich bin Thorne und brauche deine Hilfe.“


    Nur einen Zentimeter von dem Beruhigung verheißenden Ende des Glimmstengels entfernt verharrt die Flamme des billigen Feuerzeugs, ihre Stetigkeit beweist den Mangel an Luftzirkulation im „Snookers“. „Meine Hilfe?“ nuschelt Robert ungläubig. „Wie soll ich dir helfen?“ Seine Verwirrung scheint nicht größer werden zu können. „Ich will Shadowrunner werden!“ erwidert sie. Seine Verwunderung kann doch noch größer werden. „Ich bin schon seit ’n paar Jahren in ’ner Gang und hab’s echt drauf, chummer. Und … naja … du bist der einzige richtige Runner den ich kenne.“


    Manchmal wünscht sich Robert das Leben hätte eine Pause-Taste wie sein schrottiges Trid. Bei Gefahr kann man in Ruhe den nächsten Schritt überlegen, man kann die spärlichen glücklichen Momente des Lebens auskosten und überraschende Situationen besser überdenken. Doch das Leben hat keine Pause-Taste, auch keine Zeitlupe und keinen bombastischen Soundtrack. In seinem Fall besteht es aus einem sich ewig wiederholenden Reigen der Schmach und des Misserfolgs.


    Robert ist sprachlos, das Feuerzeug erlischt und das Mädchen lächelt ihn weiterhin unbedarft an. „Also gut“, findet er seine Worte wieder, „ich gebe dir einen einzigen und kostenlosen Rat: Halte dich fern von mir!“ Seine Stimme ist ernst und bedeutungsvoll. Dieses Gespräch ist bereits nach wenigen Sekunden zu viel für ihn gewesen, vollkommen aus dem Ruder gelaufen und fordert Robert mehr als der alltägliche Überlebenskampf. Er wollte lediglich seinen Kummer ertränken der Tag hätte so schön sein können… „Erstens solltest du nicht alles glauben was Destiny erzählt, zweitens bezweifle ich ernsthaft dass du weißt wovon du redest. Und drittens: Ich. Bin. Kein. Shadowrunner!“ Ihm ist schwindelig vor Verwirrung. Erst diese überstürzte Begrüßung, dann kommt seine alte Feindin ins Spiel und jetzt soll er den Babysitter machen? Mal davon abgesehen, dass die Kleine in aller Welt seine kriminelle Vergangenheit glorifiziert. Seine geistige Kapazität war auf Vergangenheitsbewältigung ausgerichtet und ist von der Konfrontation überfordert; das „Snookers“ verspricht keine Geborgenheit mehr, er muss fliehen. Er hatte sich in dieses verrauchte Loch zurückgezogen um in höhlenmenschartiger Manier seinen Kummer und seinen Frust wenigstens für einen kurzen lallenden Moment auszuschalten. Doch die Realität hat ihn eingeholt, ist locker an ihm vorbeigejoggt und verpasst ihm jetzt höhnische Schläge mit der flachen Hand. Er muss das Mädchen loswerden, unbedingt. Da hilft nur die schmerzliche nüchterne Wahrheit.


    „Vergiss, was du über mich gehört hast, Thorne. Destiny und ich haben uns im Streit getrennt und sie lässt nach all der Zeit immer noch keine Gelegenheit aus, mir eins ’reinzuwürgen. Ich bin nicht der, für den du mich hälst. Ich war noch nicht mal ein halbwegs professioneller Runner, jetzt bin ich ein Niemand.“ Die schonungslose, schmerzhafte Wahrheit. Wenn sie endlich ginge, könnte Robert nicht nur seinen Kummer und Frust sondern auch noch sein Selbstmitleid ertränken.
    „Das is’ echt schlimm für dich, chummer. Aber ich brauch’ die Grundlagen, so ka?“ Thorne scheint unbeeindruckt von seiner Litanei. „Wie das mit den Kons läuft und so, dass musst du doch wissen; du warst doch mal einer von denen, oder?“
    „Verpiss dich einfach! Lass mich in Ruhe!“ fährt Robert sie an. Ihr Lächeln flackert für einen Moment, dann schiebt sie ihm tatsächlich eine Visitenkarte mit ihrer Komnummer über den Tresen. „Hier, falls du’s dir nochmal anders überlegst…“ Mit einem naiven Grinsen wirft sie ihm noch ein „Man sieht sich, chummer!“ über die Schulter zu und schlendert aus dem „Snookers“ als sei nichts geschehen.

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  • Teil 4


    „Und schon wieder einen Guten Morgen Seattle! Heute…“ Der Radiowecker trudelt auf einer ballistischen Bahn durch das eingestaubte Zimmer, die aus der Steckdose gerissene Schnur wie einen Kometenschweif hinter sich her ziehend, und kollidiert scheppernd mit der Wand. Mit einem bellenden Husten dreht sich Robert auf die Seite und versucht die Augen zu öffnen. Nur äußerst mühsam kann er sich auf die flache Kante hieven und versucht sich zu orientieren. Alles was weh tut, gehört schon mal zu seinem Körper, der Rest muss seine Wohnung sein und anscheinend ist es morgens, sonst hätte der Wecker nicht in ohrenbetäubender Lautstärke unerträglich gute Laune in den Raum geschleudert.


    Entgegen seinen alkoholischen Prinzipien hatte er nach dem verwirrenden Gespräch mit dem unbekannten Mädchen, wie war noch gleich ihr Name, schnell das Bier geleert und dann Burn geordert. Dank des hochprozentigen Synthahols hatte Robert den Rest des Abends nur noch in vagen Bruchstücken mitbekommen, aber es offensichtlich doch nach Hause geschafft. Seine Kleidung liegt von der Haustür bis zum Futon verstreut und irgendwer hat in die Zimmerecke uriniert. Die zurückliegenden Ereignisse kommen ihm wie eine verschwommene Diashow vor. Im „Snookers“ war es trotz Wochenmitte voll gewesen, ein paar Typen hatten sich übelst geprügelt während die anderen Volltrunkenen sie angefeuert haben. In den frühen Morgenstunden hatte die siebzigjährige Mutter des Inhabers halbnackt auf der Theke getanzt, aber Robert ist sich nicht sicher ob es vielleicht nur eine Wahnvorstellung gewesen sei. Auf dem Heimweg dämmerte es jedenfalls schon und er muss einen ziemlichen Lärm im Treppenhaus verursacht haben, denn er erinnert sich vage daran, dass seine Vermieterin ihn angeschrieen hatte. Er hatte ihr wortlos vor die Füße gekotzt und danach war alles schwarz.


    Irgendwie ist er im Sitzen eingenickt, schüttelt sich und kriecht in die Küche um sich ein koffeinhaltiges Sojagetränk zu brauen. Während die Maschine vor sich hin gluckert muss ihn wieder die Erschöpfung übermannt haben, denn als er mit dem Kopf gegen den dreckigen Fliesenspiegel knallt, ist er hellwach.
    Für die Kaffeemaschine ist nicht mehr genug Wasser auf der Leitung, also muss Robert den Rest brauner Plörre vom Vortag in den schmierigen Apparat schütten. Den Gang unter die Dusche kann er somit dank Wassermangel auch vergessen, außerdem traut er sich nicht in den Spiegel zu schauen.


    Noch vor wenigen Jahren war Robert stolz auf sich; er hatte endlich ausreichend Bestätigung gefunden. Seine Schulzeit war geprägt von Versagensängsten, dem Leistungsdruck der Renraku-Managementkurse hielt er nicht stand. Umso mehr baute ihn das Design von Sicherheitshosts in der technischen Abteilung der Arkologie auf; er war glücklich mit seiner Frau Muriel und enthusiastischer Vater eines süßen Mädchens. Er konnte seine Träume verwirklichen, sich in der Matrix ausleben und hatte zum ersten Mal in seinem Leben ein funktionierendes soziales Netz. Er fing sogar an regelmäßig Sport zu treiben und gab Gartenpartys in seinem schnieken Konzernkondo. Der Höhenflug war berauschend, aber nur von kurzer Dauer, die Ehe kriselte, der Arbeitsdruck stieg immer mehr; es schien als ob Robert in seiner eigenen Zeit leben würde, dumm nur, dass die Uhren der Realität schneller liefen.


    Der verkrustete Becher entgleitet seiner zitternden Hand und hinterlässt einen Riss in der schimmeligen Bodenfliese. Apropos Uhr, da war doch noch was…


    „Mister Barnes, was fällt ihnen ein?! In einem derartigen…“ Greg Huang fehlen die Worte. „…Zustand in dieser vorbildlichen Filiale zu erscheinen! Auch wenn sie nur in der Küche arbeiten“, macht Huang seine wirkliche Meinung über Robert deutlich, „sie haben pünktlich den Dienst anzutreten und zwar in einer familienfreundlichen Optik; sie tragen nicht die vorgeschriebene Dienstkleidung und stinken erbärmlich nach Alkohol! Hören sie mir überhaupt zu? Und machen sie endlich ihre Zigarette aus!!!“ Robert sieht aus wie ausgekotzt, riecht auch so und fühlt sich noch schlimmer. Dank des entsetzlichen Katers fällt es ihm allerdings leichter den Anschiss hinzunehmen. „…wird das Konsequenzen für sie haben, ist das klar?“ Robert wirft dem hochroten Filialleiter einen mitleidigen Blick zu und begibt sich wieder an den brutzelnden Kontaktgrill. Eigentlich wollte er sich sowieso einen neuen Job suchen; sollen die ihn doch rausschmeißen. Heute kann ihn die ganze Welt am Arsch lecken, vor allem dieser eingebildete Fastfood-Flachwichser; sogar Luisa ist ihm gleichgültig.


    „Hömma chumma, du machs dich ech kapudd. Is dein Leben, abba wennu dich geeken lassn wills dann machdas woanners, so ka? Ich kann dich ech leiden du Weißbrot, abba du siehs in letzta Zeit ech scheiße aus.“ Seit er im McHugh’s arbeitet, hat die beleibte Orkin ihre mütterliche Hand über Robert gelegt und ihn vor Huang geschützt soweit sie konnte. Wahrscheinlich macht seine Hilflosigkeit ihn so sympathisch; die wenigsten Aushilfskräfte, die sie eingearbeitet hat, waren für den Job wirklich geeignet, geschweige denn, dass sie ihn mit der gleichen Freude machen würden wie Luisa. Das Überleben der Sanchez-Sippe, immerhin hat sie sieben orkische Mäuler zu stopfen, hängt zum guten Teil von ihrem schmalen Einkommen ab. Außerdem kann sie so für ein paar Stunden dem Lärm der Wohnhalle entfliehen.


    Doch Robert ist so antriebsarm, dass ihn gar nichts mehr aus seiner Lethargie reißen kann. Das fleckige Diensthemd halb in den Hosenbund über den knochigen Hüften gestopft, wischt er sich das beißende Desinfektionsmittel von den Händen, inhaliert den hochprozentigen Gestank, und schiebt sich die strähnigen Reste seiner unvorteilhaften Frisur unter das alberne Haarnetz. Lustlos schichtet er unter den wachsamen Augen des cholerischen Filialleiters die vorgefertigten Zutaten zu unansehnlichen Haufen, die nur entfernt Ähnlichkeit mit der plakativen Konzernideologie haben.


    Als hätte ihm jemand ein Bein gestellt, fällt er auf das verblichene blau-gelbe Sitzpolster, Staub quillt empor, verkrustete Brandflecken im Kunststoffbezug. Jegliche Energie ist aus ihm entwichen, noch nicht einmal der beständige Muskelschmerz nach einer sportlichen Höchstleistung quält ihn, wäre nicht seine schlaffe Haut würde er auseinander fließen. Kraftlos lässt er seinen Kopf gegen die Scheibe sinken und schließt die Augen, das kalte Glas spendet kurzen Trost. Etwas ist von seinem Kopf gerutscht, als er die Augen öffnet liegt das dämliche Papierhütchen mit dem motivierenden McHugh’s-Smiley in seinem Schoß. Er hatte vergessenm, dass er es noch auf hat. Wütend knüllt er das ranzig riechende Relikt zusammen und kickt es unter die Sitzreihen.


    „Der Boss will dich sprechen.“ Loup Garou enthüllt lächelnd seine markanten Implantat-Fangzähne und nickt in Richtung der von ihm eingetretenen Tür. Robert hatte sich eben erst erschöpft auf dem Sofa nieder gelassen als der Straßensamurai mit dem Werwolf-Tick bei ihm auftauchte. Die letzten Stunden im McHugh’s waren eine absolute Qual. Jetzt soll er auch noch zu Redfoot. Dessen „Büro“ ist im ersten Stock einer ehemaligen kleinen Mall; schon lange haben windige Hinterhof-Bodyshops und Third-Hand-Läden die schicken Boutiquen vertrieben, der Parkplatz nebenan wird von der wackeligen Stahlkonstruktion eines Sarghotels überdacht, Kondenswasser tropft von den Laufstegen auf den rissigen Asphalt. Im Inneren des alten Einkaufszentrums wehen vergilbte Zeitungen im Mikroklima, die Rolltreppe geht schon lange nicht mehr, Skaterkids grinden unbehelligt in verwaisten Gängen. Fast die gesamte Etage gehört Redfoot.


    „Robert, wie geht’s dir?“ Seine Worte triefen vor Hohn. „Siehst wirklich scheiße aus, ehrlich. War die Arbeit so anstrengend?“ „Hm… geht so.“ murmelt Robert und reibt sich erschöpft die Augen. „Hab’ schon lange nix mehr von dir gehört, da dachte ich mir, schau doch mal, wie’s dem Robert geht. Vielleicht wieder kriminell geworden oder vielleicht abgehau’n? Hab’ mir Sorgen gemacht, ehrlich.“ Sicherlich. „Nein, alles okay, omae. Kann ich jetzt wieder gehen?“ In seiner Stimme schwang eine gehörige Portion Trotz. In Redfoots Stimme schwingt jetzt Zorn. „Nein, kann’ste nicht, du Arschloch!“ Es klimpert als er hinter seinem Nussbaumimitat-Schreibtisch emporsteigt. Adidas und Goldketten sind anscheinend zeitlos, spannen sich über seinen feisten Wanst. Der modisch ausrasierte Bart lenkt trotzdem nicht genug von der hässlichen Visage ab. Redfoot beugt sich über den im Sessel versunkenen Robert, die Stimme wird schneidend wie Dikote. „Ich will wissen, wo du gesteckt hast, du kleiner Pisser! Sonst gehst du wieder in den Bau, so ka?“


    Roberts Magen zieht sich zusammen und es dämmert ihm was Redfoot von ihm will. Er hat seinen Bewährungshelfer nicht angerufen. Verdammt.


    Er war geliefert, dass ist ihm klar. Redfoot hat in sowieso in der Hand, doch jetzt kann er mit ihm machen, was er will, jede beliebige Drecksarbeit, ganz nach seinem Gutdünken. Robert hat sich immer vor diesem Tag gefürchtet, an dem Redfoot einen Grund hat ihn fertig zu machen. Wenn er ihn ordnungsgemäß als säumigen Bewährungshäftling gemeldet hätte, wären schon lange LoneStar oder ein Kopfgeldjäger an seiner Tür gewesen. Dass ihn der weiterhin hämisch grinsende Loup Garou, der mit verschränkten Armen an den Türrahmen lehnt, abgeholt hat, beweist dass Redfoot Pläne mit ihm hat. „Wie willste das wieder gutmachen, huh?“ Statt Zorn ist es jetzt Verachtung mit der er gestraft wird. Refoot weiß, dass Robert weiß, dass er alles von ihm verlangen kann. Elend ist ihm, die Scham und Erniedrigung brechen ihn, Tränen bahnen ihren Weg. Loup Garou kichert schadenfroh.

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  • Teil 5


    Mit hängenden Schultern trabt er durch die Straße, Styroporflocken werden von dem Wind durch die enge Backsteinschlucht getrieben wie grobkörniger Schnee. Im Schatten eines Müllcontainers lungert ein Squatter; streckt seine mit Furunkeln übersäte Hand aus, sieht in Roberts Gesicht und winkt ab. Kopfschüttelnd lässt sich die verlotterte Gestalt wieder auf seine Pappen sinken. Es ist offensichtlich, dass Robert unnahbar ist, versunken in seinem Elend.

    Er braucht jetzt dringend Alkohol. Seine Hände zittern, er fliegt am ganzen Körper, könnte platzen, laut schreien vor Wut. Wäre er ein richtiger Shadowrunner, dann hätte er Redfoot ein paar Kugeln in die Wampe gejagt, Loup Garou das Grinsen aus dem Gesicht geprügelt und wäre dann auf seiner BMW Blitzen in den Sonnenuntergang gefahren. Aber er ist ein Verlierer. Schon immer gewesen und wird es immer sein. Er weiß es genau.


    Vor ihm gähnt ein tiefer Abgrund, bodenlose Schwärze, das Ende allen Seins. Er setzt einen Fuß vor den anderen, kommt der bröckelnden Kante näher, Schritt für Schritt. Würde er stehen bleiben, würde er nur das Unvermeidliche verzögern, eine Umkehr ist nicht möglich. Der Staub seiner Erinnerungen weht unter seinen schlurfenden Füßen. Er hat nichts mehr, alles verloren was ihm einst lieb war. Seine Familie – verloren, seine Computer – verbannt, seine Freunde – er hatte nie welche. Ohne sich umzudrehen weiß er, dass niemand da ist der ihn aufhält; langsam schlurft er seinem Schicksal, dem Untergang, entgegen.


    Geld soll er eintreiben, hatte Redfoot gesagt, einen kleinen Gefallen für seinen großen Fehler. Es war eine Bestrafung, nichts weiter. Er sieht bei weitem nicht nach dem Berufskriminellen aus, den seine SIN beschreibt. Hager und ausgezehrt, die flachsblonden Haare strähnig über dem kahl werdenen Hinterkopf. Eine zu große Nase im schiefen Gesicht, wässrig-blaue Augen unter einer fliehenden Stirn. Er verachtet Gewalt, und soll nun für seinen schmierigen Bewährungshelfer 10.000 Nuyen von einem Ganger fordern. Wenn er es nicht schaffen könnte, so würden es Roberts eigene Schulden werden. Gut möglich, dass der Ganger ihn erschlägt.

    Er kann nichts dagegen tun, muss sich beugen. Was soll er tun, sich beim Richter beschweren? Mal davon abgesehen, dass der ein guter Freund von Redfoot ist, in seiner Bewährungszeit musste er einige kleine Runs erledigen und ist sich sicher, dass Redfoot sich Beweise aufgehoben hat. Wer in seine Fänge geriet, war verloren; wer sich beschwerte, wurde nicht wieder gesehen. Redfoot hat gegen jeden der Runner etwas in der Hand, bestraft und belohnt, sitzt wie eine dicke braune Kellerspinne in ihrem Netz. Und kassiert 10 Prozent von jedem vermitteltem Job.


    Der Abgrund kommt immer näher, es gibt keine andere Seite, keine rettende Klippe. Tiefer kann er nicht sinken, das Ende ist unausweichlich; wenn er das Haus des Gangers betritt, ist er tot. Seine Hand verharrt auf der Klinke. Wortlos hatte er im StufferShack billigen Wodka gekauft, die Plastikmünzen im Vorbeigehen auf den abgewetzten Tresen geworfen. Er war erst einen Block weit gegangen, da war die Flasche bereits leer. Die Angst in seinen Eingeweiden wurde nur kurz von der stechenden Wärme vertrieben; er weiß nicht ob es der Synthahol oder die Gewissheit des nahen Todes ist, die ihn schwindelig werden lässt.


    Tiefe Trauer überkommt ihn, lässt ihn straucheln auf der Treppenstufe. Wie gerne hätte er seine Tochter noch einmal gesehen, sein innigster Wunsch seit langem. Er wird sie nie wieder sehen können, sein einziger Lichtblick, stets ein Hoffnungsschimmer an dunklem Horizont. Robert steht schwankend in der Mitte des alten Diners, Ganger in Schwarz und Gold verstummen. Sein tränenverschwommener Blick irrt durch den Raum. Nur mit größter Mühe kann er den Kopf aufrecht halten.

    Gleich, gleich wird es losgehen, gleich wird er sterben. Der Abgrund ist erreicht. Eine kleine Klippe umgeben vom Nichts. Die letzte Überwindung, dann hat er es geschafft. Er braucht nur noch die Arme ausbreiten und den letzten Schritt wagen. Füße scharren, mehrere Ganger erheben sich lässig, schlendern zu ihm. Wie Hyänen, die mitten in der Savanne ein junges Gnu taxieren. Unerwartet, aber nicht unwillkommen. Bösartiges Grinsen in ihren Gesichtern.


    Die Zeit ist gekommen, er atmet tief und langsam durch, wie vor einem Tauchgang ohne Atemgerät in die blaue Schwärze. Robert ist übel, sein Magen ein verkrampfter Knoten, sein Herz schlägt so heftig, dass seine Adern fast platzen. Er weiß, was geschieht wenn jemand unbewaffnet zu einer Gang spaziert. Bislang ist es immer nur anderen passiert. Jetzt ist er an der Reihe.


    Er kratzt die letzten Fitzel von Mutes und Würde zusammen. Es ist das Letzte, was er tun kann. Er macht einen großen Schritt und lässt sich bebend in den Abgrund fallen, es gibt kein Zurück, kein Zögern. Er muss nur loslassen, einfach loslassen. Keinen Gedanken mehr verschwenden an das Warum und das Wieso, alles beiseite wischen. Einfach loslassen. Nicht an die Vergangenheit und die Zukunft denken, sich frei machen, es gibt nur das Hier und Jetzt. Einfach loslassen. „Wer von euch ist Judge Messiah?“ fragt er.

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