Leise prasselte das Feuer in der mit Steinen befestigten Feuerstelle. Dünn.
Das traf zum Glück nicht auf den Hasen zu, der auf dem schräg in den Boden
gerammten Stock leise brutzelnd vor sich hin garte. Immer wieder hatte Thomas
mal den Stock gewendet - eilig war es ja gerade nicht. Bei einem Treffen
um sechs Uhr abends stellte sich fast schon eher die Frage nach einem
Abendessen davor. Zuerst ging es allerdings Meister Lampe an den Kragen - auch
wenn noch lange nicht Mittag war, so hatte der Tag doch früh angefangen und
erst mal wollte etwas gegessen werden. Das vor-gebackene Brot aus dem Kong-Mart
war jetzt nicht unbedingt sehr sportlich, dafür umso einfacher am Stock über
dem Feuer auf eine schöne Kruste und Temperatur zu bringen.
Dünn... das waren die Informationen gerade wirklich. Unter dem Schatten der
Bäume sitzend genoss Thomas statt saftiger Informationen lieber saftigen
Hasenbraten. Natürlich konnten die Agenten ein wenig Hintergrundrecherche zu
dem Provider des digitalen Treffpunktes betreiben... auf der anderen Seite war
deren Job ja vor allem, für die Diskretion der Beteiligten zu sorgen. Und das
war auch gerade das, was ihn hauptsächlich interessiert - wie wahrscheinlich es
war, dass sie angezapft wurden. Für die Vermeidung Rückverfolgbarkeit hatte er
sich bereits ein paar Hops organisiert. Im Gegensatz zu dem Hasen, der nicht
mehr hoppelte, sollten sie für ein Gespräch ausreichen, das nicht zu lange
dauerte.
Frisch gestärkt war das nicht nur sprichwörtliche Zelt dann schnell
abgebrochen. Den Uplink eingesammelt, die Drohnen zurückgerufen und die Sachen zusammengepackt
hatte er sich auf den Fußmarsch zur Lodge gemacht. Eine gute Stunde dauerte es
schon, bis er dort aufschlug und seinen Krempel erstmal im Toyota verstaute.
Eine erfrischende Dusche später in der Lodge verabschiedete er sich im frischen
Actioneer Anzug und zugehöriger formangepassten Unteroption dankend bei dem
Pärchen der Wirte. Das Luch Pack, das er bei den beiden Zwergen erworben hatte
war angeblich traditionelle Salish-Küche - aber vor allem war es lecker und
auch kalt genießbar. Die Zahlungsformalitäten waren dank AR eine Nebensache und
der Autopilot hatte gegen Mittag aufbrechend schnell zurück auf die 101 nach
Norden gefunden. Entlang der malerischen Küste des Hood Canal ging es hinauf an
der Dabob Bay vorbei... hin zu Port Townsend.
Üblicherweise war hier der Punkt, an dem die meisten Leute auf die Fähre
warteten um überzusetzen. Diese Zeitverzögerung musste Thomas zum Glück nicht
einplanen - der Autopilot hatte den Kontakt mit GridGuide nicht nur für die
Straßen, sondern auch für die Wasserwege aufgenommen. Für einige Leute war es
vielleicht ungewohnt, zu sehen wie der Coaster die Rampe hinunterfuhr und sich
in den Sound begab - wo er auf den kleinen elektrischen Hydrojet umschaltete.
Für die meisten Leute in der Gegend war es auf der anderen Seite weniger
ungewöhnlich, amphibische Fahrzeuge zu sehen - die Gegen hatte einfach viele
Inseln, kleine und große... Man schaute nach sich selber - eigentlich
traditionell amerikanische Werte, würde man behaupten. Nur sicher nicht hier in
der Gegend. Zumindest nicht, wenn man damit die falschen Traditionen
referenzierte. Ähnlich wie der die automatisierten
Fahrzeugidentifikationswechselsysteme wie dem Spoof Chip für die Überfahrt die
eine, und den nächsten Streckenabschnitt die andere Identität wählten, war es
ratsam, da flexibel zu bleiben.
In Fort Casey wieder anlandend gönnte er dem Wagen einen kurzen Stopp in
einer automatisierten Waschstraße mit Unterbodenwäsche - immerhin war das
Salzwasser. Die 20 brachte ihn dann über Whidbey Island und Figaldo Island
zurück zu der 5 über Burlington... und ab da war es auch definitiv wieder
zurück in der Zivilisation. Genauer gesagt GridLink, was für die zahlreichen
elektrischen und hybridisierten Fahrzeuge hier im Salish einfache
Stromversorgung während der Fahrt darstellte. Und dank Override auch ganz
nebenbei völlig kostenfrei für Thomas war, der die Gelegenheit natürlich nicht
ungenutzt ließ, die Batterie des SUV wieder zur füllen. Immerhin war das eine
ganze Strecke nach Vancouver und er hatte Zeit. Zeit, ein wenig die Ergebnisse
der Recherchen zu begutachten - und natürlich die Lunch Box zu plündern. Das
Essen eher ein Nachmittagsessen denn ein Abendessen war die Frage ganz
traditionell, ob man Hunger hatte, denn ob die Uhr das diktierte.
Die Uhr zeigte dann kurz vor Fünf, als der Wagen schließlich Vancouver
erreichte. Kleiner als Seattle, deutlich organisierter... und doch nicht
weniger interessant. Auch hier gediehen der Schmuggel und die Schatten, auch
wenn alles ein wenig... dezenter war als in Seattle. Ähnlich wie in Frankfurt
war die Gute Schule angesagt. Was natürlich nicht bedeutete, dass die üblichen
Syndikate sich nicht in der Wolle lagen... aber diese Konflikte eher...
diskreter austrugen. Ganz abgesehen davon, dass Universal Omnitech hier ihren
Sitz hatte und die Stadt generell ein Mekka der Biotechnologie war. Egal ob es
um AgrarTech, BioMods oder GeneArt ging... die Stadt war einfach der Platz,
wenn man eine Idee in die Richtung verwirklichen wollte. Das war allerdings
nicht der Grund, warum Thomas sich heute hierher aufgemacht hatte. In einer
seiner Buden hatte er die Notfalloptionen deponiert, mit denen man diskret und
leise, aber dennoch notfalls vollautomatisch Panzerbrechende Munition spenden
konnte.
Der mittlerweile wunderbar geschmacklos mintgrüne SUV hielt an dem Teil des
Frachthafens, der üblicherweise von Landgängern heimgesucht wurde. Genauer
gesagt auf dem Parkplatz eines der Coffee Shops der Busta Brothers. Die Busta's
kannte er seit er hier in den Schatten von Seattle aufgeschlagen war - genauer
gesagt, den Busta. Ein schräger Job war es gewesen - und doch, gerade deshalb
erinnerungswürdig. Diese schräge Mischung aus Schieber-Netzwerk und
Schmuggler-Franchise war nicht jedermanns Geschmack. Egal wen man von dieser
Truppe antraf, das erste was einem durch den Kopf schoss war der Ausdruck
Afro-Gangster. Egal ob Dreadlocks oder Afros, Retro-Disko-Outfit war Pflicht,
und egal ob Waffen oder offensichtlicher Cyberersatz - es glänzte offen in
Silber oder Gold.
Die Umhängetasche mit der Notfalloption mitnehmend blieben die Flugdrohnen
wie der Wagen mal auf Standby, während Thomas sich einen Kaffee organisieren
ging. Der Jamaica Blue Mountain war immer wieder ein Genuss, und gar nicht so
einfach aufzutreiben... die drei Brüder hatten, dank einem in New Orleans,
einen guten Draht in die Liga. In die Ledersessel der Lounge sinkend machte er
es sich bequem, während er das AR-Fenster öffnete und begann, die abgesicherten
Hops aufzubauen. Ein wenig Zeit war ihm noch geblieben, den Kaffee zu genießen,
bevor sich seine Persona vom letzten Hop aus pünktlich in den Meetingraum
einwählte.