Hoi Chummers!
Die Idee finde ich gut, erinnert mich ein wenig an "Collateral". Damit kann man seine Runner richtig schön dreckig in die ***** reiten. Ich habe also mehrere Run-Teile: Das Babysitting des "Touristen", den ersten Plot-Twist (Tourist ist Auftragskiller), dann das Herauskämpfen aus dem (bzw. tiefer Hineinreiten in den) Schlamassel, am Ende den zweiten Plot-Twist (Verarscht vom Auftragskiller).
Schön sind bei diesem Run-Konzept vor allem Chars mit bestimmten Prinzipien bzw. Ehrenkodex (kein Wetwork, Pazifist, Bushido/ehrenhafter Kampf, Semper Paratis/Bodyguard-Credo, etc.). Das kann nochmal eine spezielle Würze reinbringen, wenn die Plot-Twists zuschlagen und die Chars in ein persönliches Dilemma gestürzt werden.
Babysitting:
Der Trick wird erstmal sein, dass der Auftragskiller die Zielpersonen unbemerkt umbringt und die Runner das so spät wie möglich mitbekommen, wenn es schon längst zu spät ist und sie mitten im Schlamassel drinstecken. Das bedeutet, dass der Auftragskiller Zielpersonen ohne Anwesenheit der Runner in isolierten Räumen leise und ungesehen umbringen muss (z.B. auf dem WC in einem Club, oder in einem Hotelzimmer) mit jeweils plausiblen Begründungen, in zweiterem Fall z.B. "Ich will mit dieser heißen Frau hier mal eine Stunde im Hotel alleine sein, Jungs!", und dann mit den Runnern bald den Ort wechselt bevor es auffällt. Oder dass er in Anwesenheit der Runner direkt unter ihren Augen subtil und langsam tötet (mit tödlichen und langsam wirkenden Kontakt- oder Injektionsgiften, z.B. Nova Scorpion Venom - Arsenal, V: 16F, P: 1000). Die zweite Variante hätte als SL den Vorteil, dass die Runner wahrscheinlich nicht so schnell Verdacht schöpfen. Ob man seine Runner allerdings der Gefahr aussetzen will, selbst mit so einem starken Gift in Kontakt zu kommen, sollte man sich vorher gut überlegen.
Optional - Vorarbeit:
Um diese Gefahr etwas abzuschwächen, könnte man irgendwann vorher mal einen scheinbar unabhängigen Run machen, um dieses Gift zu organisieren. Das liefe in diesem speziellen Fall dann unter dem Stichwort "Critterjagd". Dabei kann man ihnen einerseits schonmal das passende Gegengift zuspielen, andererseits kennen sie so in etwa die Auswirkungen des Gifts, um es später besser (wieder)erkennen zu können. Je nachdem wie schwer man es den Spielern machen möchte, sollte man den Run nicht direkt vor dem eigentlich geplanten Run stattfinden lassen, da das unter Umständen zu offensichtlich ist. Andererseits sollte diese Critterjagd je nach Ausgestaltung durchaus als "harter Run" durchgehen, nach dem man den vermeintlich "leichten Job" gerne annimmt.
Herauskämpfen/Hineinreiten:
Sobald die Runner Verdacht schöpfen (oder die Gewissheit haben), dass der "Tourist" in Wirklichkeit ein Auftragskiller ist, kommt der eigentlich interessante Teil. Der Killer muss den Verdacht auf jemand anderen lenken.
Wenn der Schieber der Schuldige sein soll, sollte der Auftragskiller ihn nicht umbringen, das könnte die Glaubwürdigkeit der "Geschichte" zunichte machen. Wenn die Runner die Schuldigen sein sollen gilt das Gleiche. In letzterm Fall hat man zudem das Problem, dass bei eigenhändiger Beseitigung der Runner durch den Killer die "Ausfallquote" unter den Runnern recht hoch werden könnte.
Falls der Schieber (und evtl. später auch die Runner) aus dem Weg geräumt werden soll, wäre es eleganter, Runner und Schieber gegeneinander auszuspielen und aufzuhetzen ("Was schaut ihr denn so erschrocken? Ihr wusstet nicht, dass ich für euren Auftraggeber die Leute hier geeken soll? Tourist? Das hat er euch erzählt? Und ihr habt ihm das geglaubt? Mal ehrlich, wie naiv seid ihr eigentlich?"), sodass die Runner denken, der Schieber hätte sie gelinkt und ihn am besten erledigen, womit die Runner später als Schuldige dastehen, weiterer Ärger mit der Organisation (womöglich forciert durch den Killer, der Beweismaterial liefert) inklusive.
Alternativ könnte der Killer parallel zu seinem Wetwork-Auftrag (z.B. mittels Video-Beweismaterial) bei den höheren Tieren der Organisation den Verdacht auf den Schieber lenken, der sich scheinbar in der Organisation "hocharbeiten" will oder sogar für die Konkurrenz arbeitet und dafür sowohl den Killer als auch die Runner als Begleitschutz angeheuert hat. Damit hätte dann in erster Linie der Schieber ein Problem, je nach Videomaterial aber auch die Runner.
In beiden Fällen könnte man den Run mit der Auflösung beenden, dass die Runner (und der Schieber) vom Killer gelinkt wurden und nun sehen müssen, wie sie damit klarkommen, falls nicht schon alles zu spät ist.
Optional - Konsequenzen:
Falls die Runner den Schieber noch nicht erledigt haben und vorher herausfinden, dass er genauso Opfer der Intrige des Killers ist wie sie, könnten sie ihm helfen und versuchen, den Ärger mit der Organisation geradezubiegen, indem sie den "wahren Schuldigen" finden.
Falls sie den Schieber erledigt haben und danach herausfinden, dass der Killer sie gelinkt hat, könnten sie versuchen, ihren Ärger mit der Organisation geradezubiegen, indem sie den "wahren Schuldigen" zu finden.
Falls sie gar nicht herausfinden, dass der Killer sie gelinkt haben, müssen sie wahrscheinlich vor der Rache der Organisation fliehen.
Fazit:
Ein Run-Konzept mit viel Potential, aus dem man einiges herausholen kann. Wichtig ist dabei, dass man die Dinge, die "im Hintergrund" passieren, plausibel erklären kann. Auch der Auftragskiller sollte gut ausgearbeitet sein, da er neben guten Heimlichkeits- und Tötungsqualitäten auch gute Manipulationsfähigkeiten benötigt, damit die Story glaubhaft ist. Und die Spieler dürfen nicht das Gefühl haben, der Situation machtlos ausgeliefert zu sein. Sie müssen eine Chance haben zu bemerken, dass etwas nicht stimmt - aber nur, wenn sie sich dafür geschickt genug anstellen.
Eine gute Vorbereitung für den Überblick über den Run wäre z.B., ein Flussdiagramm mit bestimmten Stationen (Zielpersonen), Weggabelungen (Falls nicht vorher festgelegt: Erfolg des Mordes? Ja - Nein; Entdecken des Mordes durch die Runner? Ja - Nein) und "Aktionen im Hintergrund" (Auffinden der bisherigen Opfer - z.B. Wahrscheinlichkeit pro Opfer/Stunde +1 auf 1W6, Aktionen der verbliebenen Zielpersonen (Vorwarnung?), Aktionen des Killers (Verschicken des Beweismaterials), Aktionen des Schiebers, Aktionen der Organisation) zu erstellen. Damit kann man relativ flexibel auf Spieleraktionen reagieren und das (Nicht-)Gelingen von bestimmten Proben bzw. das (Nicht-)Eintreten bestimmter Ereignisse ist nicht mehr zwingend, um den Plot weiterzuführen. Du weißt damit immer, wie die Umwelt auf bestimmte Ereignisse reagiert und wie sie agiert, wenn die Runner sich heraushalten, und die Geschichte wird glaubhaft.
Natürlich halten sich die wenigsten Spieler an den schön ausgedachten Plan des Spielleiters. Daher werden bestimmte Plot-Twists und Hintergrund-Aktionen möglicherweise gar nicht relevant. So könnten die Chars den Schieber auch gleich nach den Enthüllungen des Auftragskillers damit konfrontieren und so die Sache schnell auflösen. Dann liefe es eher darauf hinaus, den Killer zu erledigen und zu versuchen, die bisherigen Morde irgendwie der Organisation als "Unfall" zu verkaufen bzw. einen anderen Schuldigen dafür zu präsentieren.
Sollte es jedoch in etwa so laufen wie hier dargestellt, dann wird es deine Spieler sicherlich ziemlich nerven, weil es richtig schön hart und dreckig ist und die Chars in einer Tour verarscht werden. Allerdings sollte man solche Runs nicht allzu oft durchziehen, da die Chars bzw. Spieler ansonsten sehr schnell hyper-paranoid werden. Ob deine Runde so einen "Grim & Dirty"-Run spielen möchte, musst du entscheiden. Ich persönlich mag solche Runs, wo die Chars á la "Running Scared" aus einer "harmlosen" Situation immer tiefer in die ***** geraten. Die Erkenntnis am Ende, so geschickt manipuliert worden zu sein, dass man quasi selbst seine aktuelle Situation herbeigeführt hat, ist auch eine gute Schlusspointe.
Falls du den Run so durchziehst, würde mich ein Erfahrungsbericht dazu interessieren. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr Lust habe ich darauf, die Story selbst mal zu leiten.