[IP] Sinar Temaram / Zwielicht

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@Raka:

Der Morgen kommt rasch und unvermittelt. Eine kurze Dämmerung hüllt den Himmel über Jakarta ein, bevor die Sonne schnell ihre den Tag dominierende Stellung am Horizont einnimmt. Bambang ist wie jeden Morgen bereits früh auf den Beinen. Das Schulsystem Jakartas, ein Überbleibsel des alten Bildungsapparats der Republik, ist straff organisiert und verlangt den Kindern und Jugendlichen einiges ab. Sechs Jahre lang besuchen die Heranwachsenden die SD, die staatliche Grundschule, in deren letztem Jahrgang sich Bambang zur Zeit befindet. Gelernt wird an sechs Tagen in der Woche, und der Unterricht beginnt bereits um sieben Uhr in der Früh mit dem alltäglichen Morgenappell unter dem wehenden Banner der Javanischen Republik und den goldenen Schwingen des Garuda.

Doch das Leben beginnt für viele bereits einige Stunden früher. In der relativen Stille der Gassen und Hinterhöfe erschallt der Ruf des Muezzin von den schlanken Minaretten, die aus dem Meer roter Ziegeldächer hervorstechen. Durch die sich schnell erhitzende Luft hallend wird zum Morgengebet gerufen noch ehe die Strahlen der Sonne den Asphalt berühren.

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@Ban:

Ein für Jakarta typisches Gassenlabyrinth erstreckt sich vor Ban, als dieser eine scharfe Wendung einlegt und den Duri-Bezirk betritt. Die Häuser stehen dicht an dicht, die Gassen sind tükisch, auch wegen der Abwasserrinnen, die sich zumeist entlang ihrer Ränder ziehen und die often tief, selten aber überbaut sind. Hin und wieder ist mit Hindernissen zu rechnen, entweder direkt auf Bodenhöhe oder aber entstehend durch zu niedrig hängende Stromkabel oder Wäscheleinen. Das Durchfahren bei hoher Geschwindigkeit stellt ein Kunststück für sich dar. Obwohl die Red Suns ebenbürtige Fahrer zu sein scheinen, ist Ban den größeren Maschinen seiner Verfolger gegenüber im Vorteil.

An einer der vielen tükischen Ecken bricht die Maschine eines Red Suns aus, schlittert über den Boden und kollidiert mit einem Krachen mit einem alten Pfeiler, der die schmale Gasseneinfahrt noch einmal ein Stück enger gemacht hat. Der Japaner wird von seinem Bike gerissen und segelt durch die Luft - dann ist er auch schon aus Bans Blickfeld. Doch die anderen beiden Red Suns bleiben hartnäckig und schaffen es, die Distanz zu halten.

@Rico und Li:

Rico und Li überqueren im hohen Tempo eine Hauptverkehrsstraße und tauchen dann in die Gassen des Duri-Bezirks ein. Zuerst einmal halten sie sich auf gerader Linie, um die hohe Geschwindigkeit so lange wie möglich halten zu können. An den Ecken springen Straßenwächter, die Autos in den beengten Straßenverhältnissen helfen, aneinander vorbei zu kommen, rechtzeitig zur Seite, als sie die heranrasenden Bikes kommen sehen. Dann treffen sie auf Ban und seine Verfolger. Der Jade Blade rauscht weiter vorne von Rechts nach Links an ihnen vorbei, kurz gefolgt von zwei verbliebenen Red Suns.

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@Raka:

Händler schieben ihre Karren mit stoischer Ruhe durch die morgendlichen Gassen und Seitenstraßen, verharren immer wieder vor den Toren der Anwesen oder den Türen der einfacheren Gebäude, um abzuwarten, ob die Bewohner etwas erwerben möchten. Einmal erblickt Raka einen Händler, einen hageren Mann mit abgewetzten Sandalen und einem Bali-Shirt, der viele verschiedene Backwaren verkauft, nach denen - wie Raka weiß - die meisten Indonesier unglaublich verrückt sind. In bunten Plastikverpackungen hängen an Girlanden unzählige Brote, die mit den verschiedensten Beilagen gefüllt sind.

Kurze Zeit später erreicht Raka den Schrottplatz. Die Sonnenstrahlen tanzen verspielt auf dem blanken Metall unzähliger Wracks. Als Raka die alte Feuerwache betritt trifft er auf Del, die sorgsam den Gemeinschaftsraum putzt.

"Selamat pagi, Rak."

Begrüßt sie ihn mit leiser Stimme und einem freundlichen Nicken. Dann, noch etwas leiser als ohnehin schon, fügt sie noch hinzu:

"Deine Freundin sitzt in der Küche. Ich habe ihr alles gezeigt."

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@Li und Rico:

Die beiden Jade Blades beschleunigen noch einmal, was in der Enge der Gasse alles andere als ein Kinderspiel ist. Fast bedrohlich schlängeln sich entlang der abblätternden Fassade aneinander gepresster Grundstücksmauern die tiefen Kanalrinnen, hin und wieder mit groben Betonblöcken überwuchert, damit Fahrzeuge die Anwesen betreten und verlassen können.

Li ist sich nicht sicher, wie gut er bei diesem Tempo überhaupt zielen kann. Irgendetwas wird er schon treffen, geht es ihm durch den Kopf, als sie in schneller Folge eine Reihe alter Zufahrtstore passieren. Über ihnen rankt sich ein Gewirr schwarzer Kabel, während Li die Distanz zum hinteren Red Sun weiter verringert und Rico ebenfalls aufschließt. Bestimmt haben sie uns bemerkt, kommt ihm ein zweiter Gedanke geschossen, sind die Bikes der Japaner doch meist ebenso technisch frisiert wie die der Jade Blades. Dann, so als wäre durch ein kurzes Blinzeln ein Gemälde plötzlich in sein Gegenteil verkehrt worden, bemerkt Li die Granate, die der Red Suns auf einmal in seiner Faust hält.

Jetzt oder nie! Li zieht den Abzug durch, und Salven aus Schockermunition fluten die Gasse. Ein Volltreffer! Und keine Sekunde zu spät. Der Red Sun verliert die Kontrolle über seine Maschine - eine tödliche Angelegenheit im Gassenlabyrinth des Duri-Bezirks. Das Motorrad bricht nach rechts aus und verfängt sich quer in der Abwasserrinne. Die Maschine wird samt Fahrer nach oben gerissen, kurz bevor in der Gasse die Granate detoniert. Ob der Mann die Granate noch in er Hand gehabt hat oder sie ihm - zum Werfen bereit - bereits entglitten ist, kann Li im Nachhinein nicht mehr beschwören, was an dem Ergebnis allerdings sowieso nichts mehr ändert. Die Explosion reißt förmlich ein Loch in die schwüle Realität der urbanen Nacht. Die Druckwelle wird von der rechten Grundstücksmauer reflektiert und fegt einem nächtlichen Sturm gleich über den Asphalt.

Instinktiv legt Li eine Vollbremsung hin - oder zumindest kommt es ihm wie eine vor. Die Detonationsgewalt reißt einen Holzmast entzwei, der als Knotenpunkt dicker Bündel an Stromkabeln gedient hat. Der massive Holzpfahl bricht in die Gasse, sein Gewirr an Kabeln mit sich nach unten reißend. Schlingernd, mit Schmerzen in der Brust, kommen Li und Rico zum Halten, bevor sie gegen das tödliche Hindernis, das nun die Gasse versperrt, prallen und damit dem verunglückten Red Sun mit Sicherheit ins Jenseits gefolgt wären.

Auch an Ban ist die Explosion nicht spurlos vorübergegangen. Für einen kurzen Moment spürt er einen brennenden Druck auf sich lasten und muss all sein Können aufbieten, um seine Maschine unter Kontrolle zu halten. Dann versinkt die Gasse in Schweigen. Als Ban die Orientierung zurückgewinnt, bemerkt er, dass der überlebende Red Sun sich an der vorigen Kreuzung in eine andere Gasse abgesetzt hat. Die Verfolgung scheint zu Ende. Vorerst.

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@Raka:

Del hält in ihrer Bewegung inne. Anscheinend hat sie nicht mit Rakas Frage gerechnet. Ein Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus - ein Lächeln, das selbst javanische Kinder bereits beherrschen, und das fast jede Situation, in der Unstimmigkeit herrscht, zu tilgen vermag. Dann hat sich Del wieder gefasst.

"Nun, sie schien sich wohl zu fühlen... ."

Antwortet Ies' Schwester so vage wie möglich, um sich nicht festlegen zu müssen.

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@Raka:

Als Raka in die Küche kommt, die Dank Dels Pflichtbewusstsein einen relativ ordentlichen Eindruck macht, steht Sai sofort von dem einfachen Hocker auf, der bei einem der Tische steht. Sie lächelt und neigt den Kopf, die Hände aber ein wenig verunsichert vor sich gefaltet. Auf dem Tisch stehen eine Schale mit Sambal und ein Plastikteller gefüllt mit Reis und zerkleinertem Krupuk. Das einfache Plastikbesteck, das zu den selbsterhitzenden Mi- oder Nasi-Rationen, die man an jeder Straßenecke erwerben kann, stets dazu gehört, liegt aus seiner separaten Hülle gelöst neben dem Teller. Es ist unversehrt - Sai hat noch nicht damit begonnen, zu essen.

"Selamant pagi, Mas. Sorry, ich hatte solchen Hunger. Ich wollte eigentlich im Zimmer warten, aber dann habe ich es nicht länger ausgehalten... Dik Del war so nett und hat mir alles gezeigt. Hast du schon gegessen?"

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@Li und Rico:

Die beiden Jade Blades sind kurz vor der neu entstandenen Barrikade zum Stehen gekommen. In der Dunkelheit der Gasse breitet sich zunächst Stille aus, dann sind Geräusche zu vernehmen. Hinter dem nächsten Zufahrtstor sind Schritte zu hören, doch bleibt das Tor geschlossen. Stattdessen versucht man vermutlich auf dem Anwesen, herauszufinden, was in der Gasse geschehen ist. Li versucht, über den Pfahl und die Kabelwirrungen hinweg zu blicken, um den Verbleib des Red Suns zu klären. Das Bike ist nach dem verhängnisvollen Stopp in der Abwasserrinne gegen die Mauer geschleudert worden, doch von dem Ganger fehlt jede Spur.

Dann ist ein metallisches Scheppern zu vernehmen. Ein altersschwacher Motor zieht das Tor auf einer Schiene hinter die Mauer zurück und enthüllt somit den in Zwielicht liegenden Innenhof des Anwesens. Schon als das Tor nur einen Spalt breit geöffnet ist, erkennen Li und Rico die Umrisse eines Mannes, der eine Maschinenpistole im Anschlag hält. Und sicherlich ist er nicht der Einzige...

@Raka:

Sai setzt sich auf ihren Hocker zurück. Ihre Lippen wölben sich leicht, als sie freundlich lächelt, was Raka für einen Moment lang all die Schäbigkeit der ganzen Umgebung vergessen lässt, in der er lebt.

"Danke."

Sai nimmt das Plastikbesteck in die Hand und faltet es auseinander. Nachdem sie Sambal aufgetragen hat, beginnt sie zu essen. Das Mädchen speist sichtlich mit Genuss, doch der Blick ihrer Augen schielt immer wieder zu Raka hinüber - vorsichtig, aber forschend.