[IP] Sinar Temaram / Zwielicht

  • -279-


    Die Gesichter der meisten Jade Blades, die sich im Hauptraum versammelt haben, bleiben verschlossen, obwohl Li weiß, dass nur wenige Jade Blades bei einer Kindesentführung mitziehen würden. Sicherlich würde niemand die von den Offizieren, den Bapaks, beschlossenen Pläne kritisieren oder gar zu verhindern versuchen, doch würde eine solche Tat tiefe Wunden in das soziale Gefüge der Gang werfen und zudem ein Loch in das Gotong Royong der Jade Blades reißen. Einzig Iesyes Augen sprühen vor Neugier ob dieses waghalsigen Unterfangens, und nicht zum ersten Mal fragt sich Li, wie weit die siebzehnjährige Schönheit tatsächlich gehen würde, um ihre Risikolust zu befriedigen.


    Dann kündet Motorenlärm von der Rückkehr eines Jade Blades an. Yon, der die Außensicherung wie immer im Blick hat, wartet, bis ausgesprochen wurde, bevor er mitteilt, dass Is zurückkehrt. Der 16-Jährige ist einer der Kurierfahrer der Gang und zumeist auf den Straßen des Sprawl unterwegs. Jetzt kehrt er von einer der zahlreichen Fahrten zurück, welche die Gang für ihren Gönner Herman übernimmt.


    Als Is hereinkommt, nickt er den Versammelten grüßend zu und drückt mittels eines längeren Verharrens in Gedes Richtung seine Anteilnahme aus. Kaum ist er richtig angekommen, verkündet er auch schon die Neuigkeiten, die er von seiner Tour mitgebracht hat.


    "Ich habe Neuigkeiten. Bei meiner Fahrt habe ich Hu getroffen, einer von Nao Hsin Feng. Ich kenne ihn vom Sehen, habe zwei oder drei Mal mit ihm gequatscht. Es war in Glodok, ganz in der Nähe von der Lagerhalle, wo die Party lief. Er hat mir das hier gegeben."


    Is öffnet seine mit Hardliner-Handschuhen umschlossene Hand und offenbart damit die filigrane Haarspange, die das Yin-Yang-Symbol zeigt. Li erkennt es sofort: es ist Mei Lings Symbol. Er hat von Gerüchten gehört, dass die Anführerin der chinesischen Nao Hsin Feng, ihre extravaganten Haarspangen zu überreichen pflegt, wenn sie an einem persönlichen Treffen interessiert ist.

  • -Bomb -


    Nachdem seine Schwester offenbar fit war um eine Dusche zu genießen war Bonn beruhigt, auch wenn er sich nichts hatte anmerken lassen.
    So ne schwule Schieße wie Trideoaufzeichnungen fangen wir gar nicht erst an. Wir sind Blades, Alter. BLADES.
    warscheinlich wissen diese Kinderficker nicht, mit wem sie sich da angelegt haben. Ich sage wir gehen hin und fordern Bambang zurück, oder wir legen einfach so lange Leute von ihnen um, bis sie ihn rausrücken.

  • -281-


    Li muss grinsen als Bomb seine Meinung kundtut. Genau die richtige Einstellung.
    Jedoch sollten sie vorher wissen was sie dort erwartet. Wenn die Red Suns die Yakuza benachrichtigt haben wäre es unklug blind in die Falle zu laufen.


    Nachdenklich nimmt Li die kleine Haarspange in die Hand. Das Bild von Mei Ling taucht in seinen Gedanken auf und die Erinnerungen an eine alte Zeit in Glodok. Doch es sollte nicht sein was nicht sein sollte. Er verdrängt die Erinnerungen in die Tiefen seiner Seele und konzentriert sich auf das jetzt.


    Die Schlange will den Drachen treffen. Sehr interessant. Li glaubt nicht an einen Zufall.


    "Wie unerwartet. Ein Treffen mit den Nao Hsin Feng. Entweder haben sie auch Ärger mit den Japsen oder sie glauben sich ein Stück von unserem Kuchen abschneiden zu können."
    Ohne Rückendeckung sollten sie jedenfalls nicht so einfach auf Mei Lings Einladung eingehen.


    Er schaut Gede in die Augen: "Am besten versuchst du mit Rico schon mal alles über das Rising Sun herauszufinden. Wer ist der Besitzer, wie viele Wachen gibt es? Haben sie ne Matrixsite mit Fotos der Fleischpuppen? Wo werden diese untergebracht und so weiter."
    Für Beinarbeit und Matrixsuche sind die beiden zumindest am besten geeignet.
    "Ich gehe mit Beauty und Bomb und vielleicht noch 2 anderen zu dem Treffen mit Mei Ling."


    Da 4 die Chinesische Unglückszahl ist sollten sie nur zu dritt oder zu fünft auftauchen.
    Li wendet sich an Is:
    "Na schön, du rufst Hu an, das wir an einem Treffen interessiert sind. Sie sollen uns auf neutralem Grund treffen."

    Charaktere können auch nach der Charaktererschaffung schwanger werden, allerdings erhalten sie dadurch keinen Karmabonus.
    (Schattenhandbuch 2, Seite 165)

  • #282 - Gede Raka


    Seit er hörte, wo sein Bruder hin verschleppt wurde, daran dachte, was ihm alles widerfahren könnte, war Gedes Gesichtsausdruck finster doch er schien äußerlich ruhig. Er verzog keine Miene bei der Besprechung, steht dort ruhig und mit verschränkten Armen. Seine Miene verfinsterte sich noch etwas mehr bei dem Vorschlag, selbst Kinder zu entführen oder bei der Erwähnung, dass irgendjemand seinen Bruder 'bestellen' könnte. Die Nao Hsi Feng wecken seine Aufmerksamkeit nur am Rande.
    Ein wirklich aufmerksamer Beobachter könnte vielleicht bemerken, dass seine Hände, die er auf seinen Armen liegen hat, ganz leicht zittern, ein bisschen Feuchtigkeit, die sich in seinen Augenwinkeln sammelt. Jemand mit einer guten Nase könnte vielleicht einen Hauch von Angstschweiß riechen. Als ob alte Dämonen ihn heimsuchen würden...
    Als Li ihn ansieht, sieht Gede auf, nickt, als er gesagt hat, was zu tun ist und geht dann zu Rico.

  • -283- Beauty


    Marisa steht mit unbewegter Mine da als Li ihren Vorschlag abschmettert


    Scheiß auf Ehre, was glauben diese Vollpfosten was der kleine Bambang grade so alles von "Ehre" hält?


    Als Li verkündet sich mit der Chinesin zu treffen schluckt sie ihren Ärger runter


    "Dieses Treffen sollte besser schnell stattfinden."

  • -284-


    Is nickt und zieht sich etwas an den Rand zurück, um Hu zu kontaktieren. Es dauert nicht lange, bis er zu Li und den anderen zurückkehrt und berichtet, was er erreicht hat. Etwas verunsichert fährt er sich mit seiner rechten Hand über das verschwitzte kurze schwarze Haar, während sein Blick an Li und Beauty vorbei ins Leere geht.


    "Nun... Hu meint, dass große Schwester Mei Ling sich in Glodok beim Jinde-Yuan treffen möchte. Sie garantiert für die Sicherheit ihrer Gäste."


    Is verstummt kurz und fügt dann noch hinzu:


    "Das waren seine Worte."


    Jinde-Yuan - die alte Tempelanlage ist der älteste chinesische Tempel im Sprawl und liegt nahe des chinesischen Friedhofs in einem Meer kleiner Straßen und Gassen.


    Abseits davon hat sich Sai zu Gede gestellt, der sich so eben an Rico wendet. Das Mädchen versucht Gedes finsteren Gesichtsausdruck mit einem verzagten Lächeln aufzuheitern. Ihre Stimme ist leise, als sie spricht, und ihr Blick nach unten gerichtet.


    "Bitte sag mir, wenn ich irgendwie helfen kann... ."

  • #285 - Gede Raka


    Als Sai zu ihm kommt, ist Gedes Miene nicht mehr ganz so finster. Wie könnte sie auch. Es wäre ein Sakrileg, von der Aufmerksamkeit eines solchen Mädchens nicht wenigstens ansatzweise aufgemuntert zu werden. Oder von ihrem Lächeln. Von der Tatsache, dass sie ihn anspricht, ihm ihre Hilfe anbietet. Er ringt sich zu einem sanften Lächeln durch.
    "Danke, Sai... Das bedeutet mir viel. Ich werde dich vielleicht fragen, aber für jetzt... du hast schon geholfen, wirklich. Ich will nicht, dass du Ärger kriegst..."

  • -286-


    Beauty scheint es nicht wirklich zu gefallen, das ihr Bruder Bomb sich auf Lis Seite gestellt hat - aber das Geschwisterpaar ist dafür bekannt nicht immer einer Meinung zu sein, aber trotzdem wie Pech und Schwefel zusammen zu halten.
    Während Is noch telefoniert wendet er sich an die gutaussehende Orkin:
    "Hey, keine Sorge - ich bin nicht an einem Frontalangriff ohne Plan interessiert. Vielleicht können wir es ja auch subtil erledigen. Wichtig ist aber das wir erstmal die Lage beim Rising Sun auskundschaften und herausfinden was die Chinesen wollen. Nur Mut alleine reicht nicht. Wir brauchen Mut und Schlauheit."
    Als Is ihnen von Hus Antwort berichtet meint Li:
    "Im Jinde-Yuan wird sie keinen Hinterhalt versuchen, das würde die Ahnen beleidigen. Am besten nehmen wir Waffen mit, aber tragen sie nicht offen."

    Charaktere können auch nach der Charaktererschaffung schwanger werden, allerdings erhalten sie dadurch keinen Karmabonus.
    (Schattenhandbuch 2, Seite 165)

    Einmal editiert, zuletzt von Tildus ()

  • -287- Beauty


    "Hey, keine Sorge - ich bin nicht an einem Frontalangriff ohne Plan interessiert. Vielleicht können wir es ja auch subtil erledigen. Wichtig ist aber das wir erstmal die Lage beim Rising Sun auskundschaften und herausfinden was die Chinesen wollen. Nur Mut alleine reicht nicht. Wir brauchen Mut und Schlauheit."


    Leiser, so das es nur Li hören kann, erwiedert sie.
    "Subtil oder nicht ist doch scheiß egal, wir müssen SCHNELL sein, wir haben schon viel zu viel Zeit verloren"

  • -288-


    Sai senkt wieder den Blick.


    "Ich werde tun, was du sagst."


    Antwortet sie mit leiser Stimme und blickt sich dann nach Del um, die am Eingangsbereich zur Küche steht und wachsam darauf achtet, zur Stelle zu sein, wenn sie gebraucht wird.

  • -290-


    Babang war auf dem Rückweg. Zurück aus einer scheinbar anderen Welt, denn Das Dorf unweit Bogors war ein krasser Kontrast zu den verwinkelten, geradezu von Zivilisation überwucherten Starßen und Gassen Jakarta Selatans. Die Contrail unter ihm röhrte, während er auf der Schnellstraße wieder ins Herz des Molochs unterwegs war. Wie Schleier huschten Erinnerungen an die letzen Wochen an ihm vorbei, wirre Fetzen, die surreale Szenen wiederauferstehen ließen. Auch wenn er schlußendlich hatte helfen können, das grauen würde die Familien noch lange verfolgen. Die Javenen wussten um die Geisterwelt, nicht erst seit dem Erwachen, aber manche der Dinge, die in den Schatten lauerten, sollten besser auch dort bleiben. Hermanns Nachricht hatte ihn schon gestern ereicht, aber er konnte einfach nicht eher aufbrechen, ohne seine Gastgeber zu beleidigen. Kuramar, ihr Abschiedsgeschenk steckte in seinem Gürtel, über Kreuz mit seinem normalen Kris. Doch Kuramar war weit mehr als ein normaler Kris, er spürte die Anwesenheit der Waffe, ihre beruhigende Aura.


    Auch wenn es ihm in manchen Augenblicken wie eine Ewigkeit erschien, so war es doch in Summe nur ein kurzer Ausflug in die Welt seiner Kindheit gewesen, bevor seine Eltern mit ihren Kindern zusammen in den Sprawl aufgebrochen waren, in der Hoffnung auf ein besseres Leben dort. Und je näher er dem Revier der Blades kam, desto mehr holte ihn die jüngere Vergangenheit ein. Er erkannte hin und wieder Leute aus der Gegend und Leute erkannten seine Gangabzeichen, einige vielleicht sogar ihn. Auch wenn die Gang viele jüngere Mitglieder hatte, einige waren - besonders für Orks - schon echt lange dabei und er war eben auch nicht einer von vielen sondern Spark. Sein Status als Erwachter, auch wenn er kein Dukun war, machte aus ihm etwas besonderes und manch einer wusste davon.


    Er war sich sicher, dass ihn irgend jemand aus dem Hauptquartier schon gesehen haben musste, als er seine Maschine vor dem heruntergekommen Haus abstellte. Da nur ein paar wenige Leute Wache schoben, musste oben irgendwas los sein, etwas wichtiges. Eines der Gesichter der Wachen war neu und der Penner zuckte kurz um sich ihm in den Weg zu stellen, aber der andere erkannte Babang und hielt ihn zurück.


    "Cool dass du wieder da bist, Spark. Wo hast du dich rumgetrieben? Es gab die wildesten Gerüchte?"


    ""Hatte familiär zu tun, ging echt nicht anders. Ich muss aber erst mal Li und dem rest hallo sagen. Pass auf die Maschine auf, okay?"


    Er hatte jetzt keine Zeit zum Quatschen, auch wenn altbekannte Gesichter schön waren. Eilig nahm er die Schritte die Treppe hoch und folgte den Stimmen, die aber wie vermutet in den Versammlungsraum führten. Er überlegte kurz, ob er den konventionen folgen sollte und höflich eintrten sollte, entschied sich dann spontan dagegen und platzte einfach herein.


    "HI LEUTE, WAS LIEGT BEI DEN BLADES AN?"

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    "HI LEUTE, WAS LIEGT BEI DEN BLADES AN?"


    Spark erscheint wie ein beschworener Geist plötzlich in der Tür. Li hatte ihn noch nicht zurückerwartet, er weiss das magische Fertigkeiten durchaus zeitintensiv sind wenn man mehr als ein Kaninchen aus dem Hut ziehen will.


    Li's mißmutige Mine verändert sich zu einem für seine verhältnisse freundlichem Lächeln. Und seine Freude ist wirklich groß Spark zu sehen.


    "Du kommst im richtigen Moment, Bruder. Um es kurz zu machen: der kleine Bambang, Gedes Bruder wurde von einem Red Sun-Wichser entführt. Den Entführer selber haben wir im Keller gefangen und es gab auch schon ein paar Tote Japaner - wenn auch leider zu wenige.
    Jedenfalls hat unser Keller-Wichser den armen Jungen schon an das Rising Sun Bordell verkauft!


    Wenn du helfen kannst Bambang's Aufenhaltsort zu finden wäre das sehr praktisch."

    Charaktere können auch nach der Charaktererschaffung schwanger werden, allerdings erhalten sie dadurch keinen Karmabonus.
    (Schattenhandbuch 2, Seite 165)

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    Spark hatte ja damit gerechnet, dass irgend etwa wichtiges passiert war, sonst hätte Li nicht nahezu alle Blades zusammengerufen, aber das hier war schon echt heftig.
    "Bambang entührt? Diese Wichser! Und dann ausgerechnet so einen Drecksladen wie das Rising Sun. Ich werd sehen, was ich tun kann, aber ich bin auch mal gespannt, ob die Yaks da irgendwelche Sicherheitsmaßnahmen installiert haben. Bei der Scheiße die die dort abziehen, würde mich das nicht wundern."


    Falls die Yaks oder die Red Suns dort Hüter errichtet hatten, könnte es sein, dass er nichts ausrichten konnte ohne entdeckt zu werden. Das wollte er Li und den anderen aber so direkt nicht auf die Nase binden, ohne als schwach dazustehen. Die Situation erklärte natürlich auch, warum Li ihn so freudig empfing, obwohl Spark damals nahezu kommentarlos abgehauen war, um seiner Familie in Bogor zu helfen. Er würde später mit der Echse reden müssen und ihm wenigstens ein paar Sachen erklären.


    Fürs erste wunderte er sich nach einem kurzen Rundumblick, wo Faith war.
    "Wo ist denn unser Löwenzahnfresser? Den hättet ihr ja ins Rising Sun schicken können um die Penner zu bequatschen. Dem Freak hätte es da wahrscheinlich sogar gefallen ..." Babang schüttelte sich leicht beim Gedanken an dass, wofür das Rising Sun auf den Straßen hier berüchtigt war. Nichts gegen ein normales Bordell. Sex war geil und Babang war soclhen Etablissements keineswegs abgeneigt, aber bei Kindern, Tieren und ähnlichem hörte für ihn der Spaß sofort auf. Was zwei Erwachsene miteinander trieben war ihre Sache, so lange beide Spaß dran hatten (oder es nötig war ...), aber Kinder? Grimmige Wut stieg in ihm hoch und ließ seine Finger zucken.

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    "Alter, gut dass du wieder da bist. Gutes Timing."


    Spark konnte sich ein kurzes Grinsen nicht verkneifen. "Jep, das Timing ist wohl der Ausgleich für mein Verschwinden ..." Ying und Yang waren für ihn mehr als nur grobe Konzepte und wieder einmal zeigte sich, dass die Wujen damit wohl wirklich recht hatten. Jede Tat wurde durch eine andere ausgeglichen.


    "Wollen wir hier noch lange paaren, oder holen wir den kleinen jetzt da raus?"


    "Von mir aus kann's sofort losgehen. Ihr passt auf meine Hülle auf und werde mal sehen, ob ich im Rising Sun was erfahren kann. Sollte nicht allzu lange dauern, höchstens ein paar Minuten. Dan können wir einen handfesten Plan schmieden!"

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    Rico lächelte höflich und verfolgte das Gespräch mit einer Mischung aus Aufmerksamkeit und Desinteresse das für ihn typisch war wenn er sich auf mehr wie eine Sache zu konzentrieren versuchte. Er war kein Konsolenkid, und das hier ging langsam aber stetig über seine Kragenweite hinaus. Aber wenigstens war Spark wieder da. Gute Sache. Er bot ihm wortlos etwas zu trinken an bevor er sich wieder auf sein Tun konzentrierte. So viele Fäden, die zusammenführten.

    Band of Runners - Dramatis personae


    "Never use a metaphor, simile, or other figure of speech which you are used to seeing in print. Never use a long word where a short one will do."
    - Eric Arthur Blair(1903-1950), in: "Politics and the English Language"

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    Als Spark seinen Körper verlässt und in den Astralraum eintaucht, muss er an seine ersten Reisen durch dieses seltsame Gefilde denken. Jakarta im Astralraum zu überfliegen gleicht einem Tripp in eine andere Welt. Es wirkt hypnotisch, schlägt den Reisenden in seinen Bann, wie der Blick auf den erhabenen Wayang Kulit-Schirm, hinter dem die schattenhaften Figuren aus der Mythologie tanzen und kämpfen.


    Unter Spark erstreckt sich eine wogende Masse, die sich schier endlos bis zum Horizont ausbreitet. Die offiziellen Statistiken sprechen von 25 Millionen Einwohnern, aber in Wirklichkeit weiß niemand genau, wie viele Seelen der Sprawl zählt. All die Schicksale auf dem gewaltigen Meer der Straßen erzeugen einen undurchschaubaren Reigen aus Emotionen, Absichten und Instinkten, welche den Astralraum mit ihrer Resonanz erfüllen, aus dem steten Grau des Asphalts und den riesigen Schatten der Hochhäuser hervorbrechen, wie Blumenknospen unter rissigem Beton.


    Spark driftet weiter nach Norden. Schon bald erkennt er die schimmernden Lichter und Neonreklamen der Dunia Fantasia, der großen Erlebniswelt im Norden Jakartas, hinter der sich wie ein gewaltiger Spiegel die javanische See erstreckt. Es dauert eine Weile, bis er das Rising Sun ausfindig gemacht hat, da die Schatten, welche die Gebäude im Astralraum werfen, eine Welt der Monotonie erzeugen.


    Bereits kurz nach dem Betreten spürt Spark eine Woge knisternder Gefühle über sich zusammenbrechen. Lust und Verlangen, ungezügelte Begierde, sind es, die den Astralraum an diesem Ort beherrschen. Es ist keine Liebe oder Zuneigung, die Spark zu fühlen glaubt, sondern erzwungene Ekstase. Spark schwindelt, plötzlich wird ihm übel. Er hält inne, versucht, sich zu konzentrieren, die Wogen abklingen zu lassen. Als er meint, sich beruhigt zu haben, dringt er weiter in das Gebäude hervor. Die Beleuchtung ist gedämpft, schimmert in blutrotem Licht, das an einen künstlichen Sonnenaufgang erinnert, an eine Schwelle zu einer anderen Welt, die aber niemals gänzlich überschritten wird. Die Stille, die Spark vorfindet, wirkt angesichts der starken Emotionalität im Astralraum zuerst verwirrend, doch der Ork gewöhnt sich relativ schnell daran.


    Dann kann er die ersten Auren ausmachen. Anscheinend hat er eine Art Bar gefunden. Er erkennt einen langgezogenen Tresen, Auren, die sich im Raum befinden, japanische Gesprächsfetzen. Doch das Gebäude ist nicht stark belebt, nicht um diese Zeit. Jakarta nähert sich erst seiner Dämmerungszeit, und das Rising Sun ist ein Etablisment jener Sorte, die erst im Trubel der Nacht, wenn die pulsierenden Energien durch das Sprawl strömen, zu Leben erwacht. Spark durchfliegt wachsam verschiedene Räumlichkeiten, die sich im Astralraum kaum unterscheiden lassen, und hält Ausschau nach anderen astralen Gestalten und Auffälligkeiten. Als er weiter nach unten vordringt, stellt er fest, dass das Rising Sun - anders als die meisten Gebäude im Sprawl - über einen Keller verfügt. Von dort aus dauert es auch nicht mehr lange, bis er die schimmernden Hüter sieht, deren blutrotes Erscheinungsbild einen atemberaubenden Anblick bietet. Die unterirdischen Räumlichkeiten sind größer, als Spark vermutet hat. Von einer zentralen Kreuzung ausgehend, entdeckt er vier Korridore mit jeweils zwei Türpaaren, deren dahinterliegende Räume alle mit Hütern gesichert sind.

  • -297-


    Es dauert nicht lange, bis Rico und Gede bei ihrer Matrixrecherche fündig werden. Die Matrixtopographie Jakartas ist ein buntes Sammelsurium, das als Spiegel des multikulturellen Gebildes gesehen werden kann, welchses sich vom Meer aus kilometerweit ins Inselinnere erstreckt. Graue und statische Bereiche im schimmernden Meer der Digitalität zeugen von den tagtäglichen Stromausfällen oder Knotenabstürzen, die das javanische Netz plagen. Unter der Oberfläche aus Universitäts-, Regierungs,- Konzern- und den öffentlich zugänglichen Systemen der zahlreichen Subunternehmen des Militärs tummelt sich eine Welt halboffizeller und -legaler Clubs und Etablisments, die letztendlich meist zu einer Kebatinan-Bewegung oder einem der Syndikate führen.


    Das Rising Sun ist in diesem Sinne keine Ausnahme. Wie die meisten japanischen Clubs ist seine AR-Ikonographie von einem makellosen schliff und von modernster Machart. In einem Wechselspiel aus Rottönen, ist die Glorie der aufgehenden Sonne, stets im Hintergrund zu vernehmen. Der Club befriedigt sowohl traditionelle Begierden als auch auf einfachste reduzierte, animalische Bedürfnisse. In einer aufwendigen Holo-Laufsteg-Show, zeigen sich dem interessierten Kunden hier alle - offiziell - zur Verfügung stehenden jungen Frauen mit einer Auflistung ihrer Fähigkeiten und Talente, zuzüglich einer schier endlosen Liste aus Zusatzangeboten. Einige sind - zumindest laut System - traditionelle Geisha, während der Bunraku-Bereich in der üblichen, schematisierten Optik und Informationspräsentation gehalten ist. Eine genaue Lokalisierung der Dienste ist zwar nicht möglich, aber es ist erkennbar, dass der Bunraku-Salon im Erdgeschoss angesiedelt ist, während die traditionelleren Dienste die beiden oberen Stockwerke belegen.


    Geschäftsführer und Inhaber ist ein gesichtsloser Hayato Watanabe, dessen Existenz an sich aber fragwürdig ist, wenn man die dürftigen Informationen betrachtet, die sich über ihn finden lassen. Gelegen ist das Rising Sun in Jakarta Utara, wobei es keinen nennenswert exklusiven Standort aufweist. Das dreigestöckige Gebäude verfügt über eine einzige glatte Oberfläche - auch die Fenster, die ständig polarisiert sind, sind nichts weiter als sauber eingelassene durchsichtige Platten. Über dem Eingang schimmert die Rising Sun in all ihrer animierten Pracht, und vor dem Gebäude erstreckt sich ein kleiner Parkplatz mit eigenem Schrankensystem. Der Rest der Gegend verbreitet das übliche Hafenflair - endlose Areale mit Lagerhallen und Depots, triste, graue Verwaltungsbauten, billige Konzernunterkünfte, ausländische Kneipen.

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    Die Dämmerung naht, als die Jade Blades Glodok erreichen. Noch haben die Nachtmärkte die Straßenzüge Chinatowns nicht erobert, so dass das chaotische Treiben seinen gewohnten Gang nimmt. Vorbei an Rikscha- und Becak-Fahrern, chinesischen Elektrowarenhändlern und umherziehenden Garküchen erreichen die Ganger das Herz des Distrikts, in dem die größte und einflussreichste Minderheit des Archipels, die Chinesen, ihr Reich errichtet hat. Abseits des allgemeinen Trubels, verborgen durch ein Netz schmaler und verwinkelter Gassen und Seitenstraßen liegt der chinesische Friedhof, der - obwohl mitten im Sprawl gelegen - mit seinen Baumgruppen eine fast schon anmutige Atmosphäre schafft.


    Nicht weit vom Friedhof entfernt befindet sich Jinde Yuan, oder auch Dharma Jaya genannt, der älteste chinesische Tempel des Sprawls, der bereits 1650 von Buddhisten an dieser Stelle errichtet worden ist. Zwar kann Jinde Yuan von seiner Größe her nicht mit den meisten Tempelanlagen Javas konkurrieren, wohl aber, wenn es um die anmutige Pracht seiner Architektur geht. In der gleißenden Sonne Jakartas glänzt das geschwungene, zinnoberrote Dach, während die goldenen Säulen und die mächtigen Drachenstatuen ein beeindruckendes Antlitz erschaffen.


    Jinde Yuan liegt am Rande eines kleinen Platzes, der wegen seiner dichten Randbebauung Ähnlichkeit mit einem großen Hof hat. Mit ihren Bikes kommen die Jade Blades nicht bis auf den Platz, so dass sie ihre Maschinen bereits vor dem durch rote Säulen gestützen Ziegeldach zurücklassen müssen, welches den Eingang zum Hof darstellt. Verglichen mit den Straßen Glodoks sind hier nur wenige Personen zu sehen. Ein paar chinesische Bettler haben sich auf steinerne Stufen gegenüber des kleinen Tores gehockt, während ein älterer Mann direkt vor den Säulen des Durchgangs den Boden fegt.


    Als Li und die anderen den Platz betreten, weist Is auf einen jungen Chinesen in der Straßenkleidung der Nao Hsin Feng.


    "Das ist Hu."


    Erklärt er kurz, obwohl auch einige andere Jade Blades den Chinesen vom Sehen her kennen. Hu macht eine einladende Handbewegung und steckt sich dabei die Sonnenbrille ins wirre schwarze Haar. Li grüßt er auf Kantonesisch, während er den anderen freundlich zunickt und die Gruppe dann in Richtung des Tempels führt.


    Im Schatten der Eingangsstufen erblicken die Jades Blades die Anführerin der Nao Hsin Feng: Mei Ling. Die Chinesin ist von kleinem Wuchs, strahlt aber Autorität aus. In ihrer engen Lederkleidung, das schwarze Haar zu verschiedenen, komplizierten Knoten verschlungen, wirkt sie auf den alten Steinstufen irgendwie Fehl am Platz. Ihr hübsches Gesicht ist wegen der Hitze von Schweißperlen durchzogen, was aber in keinster Weise ihrem perfekt aufgetragenen Make-up zu schaden scheint. Die Absätze ihrer Schuhe klacken auf dem kahlen Stein, als sie die wenigen Stufen hinab steigt und ein gerissenes Lächeln aufsetzt.