[08.06.2063, 00.29 Uhr]
Ägypten, etwas östlich des Gebirges Jabal Junnah
Sand, überall Sand. Er hasste Sand. Er hasste den Sand und die Sonne und überhaupt diese ganze verf... Exkursion.
Es war jetzt 00.30 Uhr und immer noch brennend heiß. Tagsüber konnte man keinen Fuß vor die dicken, dreifach isolierten Zeltplanen setzten mit den integrierten Klimaanlagen setzten ohne das einem die Haut wegbrannte und dann noch diese unbequeme Kleidung...
Wütend riss er sich den Schuh vom Fuß und leerte den Sand darin vor die Zelttür. Mit dem zweiten Schuh verfuhr er genauso und warf sie dann in eine Ecke.
Seufzend lies er sich auf ein Kissen sinken und wischte sich zum tausendsten mal den Schweiß von der Stirn - alleine an diesem Tag.
Musste der blöde Schulze ausgerechnet bei seiner Jahresexkursion ausfallen? Bein gebrochen, hatte der Dekan zu ihm gesagt.
"Ihr Spezialgebiet sind doch Artefakte und alte Sachen, oder?", hatte der Dekan leicht hin gefragt.
"Mein Spezialgebiet sind magische Artefakte und Gegenstände, nicht annähernd so alt, sie sehen also ich bin der..."
"Artefakte, sag ich doch. Super Buchner, sie sind der einzige Dozent der im Moment Zeit und annähernd Ahnung hat."
"Aber ich..."
"Kein aber, sie werden Herrn Prof. Dr. Schulze bei seiner Ägyptenexkursion vertreten. In einer Woche gehts los. Sein Assistent hat den Vorbereitungskurs für die Studenten übernommen und ird sie unterstützten. Viel Spaß!"
Viel Spaß, das er nicht lachte. Wie konnte Schulze nur Spaß daran empfinden jedes Jahr mit den Grundstudium-Studenten in diese Gluthitze zu fahren und Tonscherben auszubuddeln? Tonscherben... er musste doch in seiner Karriere als Dozent schon Wagenladungen von Tonscherben gesammelt haben und trotzdem hoffte sein Kollege immer noch mit dem gleichen Eifer wie vor Jahrzehnten auf den großen Fund. Bestimmt nicht hier und bestimmt nicht mit diesen Kindern da draußen, dachte er und schaltete die kleine Klimaanlage in dem Zelt an und legte die Füße hoch.
Sollte der Assi von Schulze alleine mit den Studenten da draußen im Sand buddeln, der war genauso verrückt wie Schulze selbst, musste ansteckend sein.
Der größte Fund den Schulze in seinem Leben bisher hier gemacht hatte, waren mal die Überreste eines kleinen Bootes gewesen, irgendwo wo irgendwann mal der Nil lang geflossen war. Aber das war auf dem Weg in die ADL gestohlen worden, wahrscheinlich von Ägyptischen Kulturfanatikern die meinten, alles was man im Sand findet gehöre ihnen. Schulze war wochenlang nicht ansprechbar gewesen.
Mehr würde er hier auch nie finden, alles was es hier im Sand zu finden gab, war bereits gefunden. Zumindest war das seine Meinung. Trotzdem grub Schulze mit seinen Archäologiestudenten jedes Jahr einen anderen Ort hier im Sand um und fand... Tonscherben. Wenn überhaupt und für soetwas zahlte die Universität auch noch Geld für die Grabungslizenzen, das würde er nie verstehen.
Eine Woche im Archäologie Übungscamp, eine Woche in der Gluthitze dieser verdammten Wüste. Nur noch vier Tage, versuchte er sich zu beruhigen: Dann bin ich wieder im wunderschönen Thüringen und kann meine Forschungen über die Fokibindung weiter führen und werde ganz bestimmt nie wieder in meinem Leben einen Fuß in dieses Land setzten. "Wenn Schulze sich nochmal was brechen sollte, kündige ich vorher!", murmelte er. Außer ihm selbst gab es hier weit und breit nichtmal einen Magier mit dem er sich über interessante Themen hätte unterhalten können. Nur ihr Führer und Übersetzer, ein gewisser Eslam Mubarak Mohamed ein Ägypter, war magisch Begabt, aber er war Schamane und unheimlich war er ihm auch, außerdem war er ein Ork, nicht dass ihm das was ausmachen würde, aber der hellste schien er nicht gerade zu sein.
Er wollte gerade nach seiner Wasserflasche greifen, als ihr Führer, die Zeltplane zur Seite riss, er keuchte und der Schweiß rann ihm in Strömen das Gesicht herab, er musste gerannt sein.
"Ist etwas passiert?", fragte Buchner fast schon freudig. Wenn einer der Studenten sich verletzt hatte, konnte er sich vielleicht mit ihm in ein kühles Krankenhaus in die Zivilisation absetzen.
"Grüße Dr. Kommen schnell mit, ja? Studenten haben gefunden etwas!"
"Schon wieder eine Tonscherbe?", fragte er ganz plötzlich gelangweilt und setzte die Wasserflasche zum trinken an. Wahrscheinlich versteckt Schulze die Dinger hier selber und lässt jedes Jahr die gleichen ausgraben, schoss es ihm durch den Kopf.
"Nein nein, haben Eingang gefunden. Zufall, Student mit Sand gerutscht.", Eslam machte mit dem Arm eine Geste, die wohl den Vorgang des rutschend beschreiben sollte.
Buchner stellte die Flasche weg und folgte Eslam nach draußen, wo die Hitze über ihn hereinbrach.
Am Ausgrabungsort angekommen, standen alle 30 Studenten um ein Loch im Sand herum und drei von ihnen hielten ein Seil, an dem einer der Studenten gerade hoch klettern wollte, aber immer wieder im Sand wegrutschte.
Buchner schüttelte nur entnervt den Kopf und mit einem Wink seinerseits materialisierte zwischen den Studenten ein Erdgeist in Trollgröße. Die Studenten stoben auseinander und die drei ließen vor Schreck das Seil fahren. Mit einem erstickten Schrei rutschte der Student zurück in das Loch. Ein dumpfer Laut und eine Staubwolke kündigte vom Ende seines Falls. Auf einen weiteren Wink hin rutschte der Erdelementar in das Loch und hob den Studenten heraus. Er war von oben bis unten mit Staub bedenkt und hatte wahrscheinlich eine Tonne Sand in der Unterhose, aber davon und vom Schreck einmal abgesehen schien es ihm gut zu gehen.
"D...d...danke...", stotterte er.
Buchner nickte und beging den Fehler dem Student auf die Schultern zu klopfen, was ihn sofort in eine Staubwolke einhüllte und zum husten brachte.
"Dann wollen wir mal sehen was sie da gefunden haben. Herr Prof. Dr. Schulze wird bestimmt stolz auf sie sein!"
Buchner rief noch einen weiteren Erdelementar und gab beiden den Befehl das Loch zu vergrößern und zu befestigen. "Eslam besorgen sie bitte eine Leiter!"
Als Eslam die Leiter brachte, waren die Elementare mit ihrer Arbeit fertig und Buchner kletterte mit einigen Studenten und dem Assistenten von Schulze in das Loch, in dem die Elementare eine Art Eingang freigelegt hatten.
"Aufmachen!", befahl Buchner knapp und entgegen den Protesten des Assistenten, man müsse erstmal die Tür untersuchen.
Einer der Elementare schob die Steinplatte zur Seite die den Eingang versperrte und legte einen kurzen Gang frei aus dem muffige, jahrtausendealte Luft entströmte.
"Na dann wollen wir mal. Eslam, die Taschenlampe bitte! Eslam? Wo ist Eslam hin?"
"Er ist gerade in die Richtung der Zelte gelaufen, Herr Buchner.", antwortete ihm eine junge Studentin deren Namen er vergessen hatte.
"Unzuverlässiger Kerl...", murmelte Buchner, während er sich selbst eine Taschenlampe organisierte.
[07.06.2063, 23.38 Uhr]
ADL
Durch den dunklen Raum schalt das klingeln eines Telefons, das kurz darauf abgenommen wird.
"Hallo?"
"Marhaban, es gibt Neuigkeiten. Die Studenten haben sind tatsächlich auf etwas gestoßen, dass von Interesse sein könnte. Ich werde sie auf dem laufenden halten."
Das Telefon wird wieder aufgelegt.
[ADL, 10.06.2063, 07.00 Uhr]
Selbst jetzt, früh am morgen, ist es bereits warm. Noch ist es angenehm, aber die letzten Tage haben gezeigt, dass es gegen Mittag schon zu heiß für körperliche Tätigkeiten werden würde.
Was man erledigen musste tat man morgens, oder man war Lohnsklave und hatte eine Klimaanlage an seinem Arbeitsplatz. Die armen Schweine wollten gar nicht nach Hause, in ihren Familientrott in ihrer Unterschicht-Konzern-Wohnung, die gerade mal genug Komfort bot damit die Leute sich nicht beschweren konnte.
Aber das blieb den Subjekten die sich durch die Schatten der Gesellschaft bewegen ja zum Glück erspart. Zwar meistens nicht besser eingerichtet als Joe Lohnsklave, oder sogar weit darunter, wenn man nicht das Glück hatte zu den erfolgreichen Schattenläufern zu gehören, waren sie dennoch frei in der Wahl ihrer Beschäftigung. Sofern sie es sich leisten konnten einen Job nicht anzunehmen...
Im Trideo läuft der Wetterbericht:
"...keine Änderung in den nächsten Tage. Es bleibt sonnig und heiß mit Temperaturen bis zu 40 Grad. Das perfekte Wetter um das Wochenende im neuen Schwimm- und Erlebnisparadies von Ares Global Entertainment zu verbringen. Das Schwimmerlebnis der neuen Generation mit Holoprojektionen und magischen Showeinlagen. Ares Global Entertainment - We love to Entertain you..."
Die Schlagzeile in der Tageszeitung lautet: "Giftgeister greifen Hafen in Hamburg an - Psi-Aid vermutet das ungewöhnlich heiße Wetter als Grund."
Direkt unter dem Bericht über die Giftgeister in Hamburg findet sich ein kleiner Abschnitt mit der Überschrift: "Archäologie Studenten von der Schiller-Universität in Jena machen brisanten Fund in Ägypten."