Währenddessen zieht er Piper hinter einen Busch und zündet Thermalrauch um etwaige Nacht- und Infrarotsicht zu blenden.
Er hat wenig Zeit für den Schützen. Er drückt Piper die Hand auf die Halswunde.
Nein… nein, nein, nein. Aijsche bleib bei mir.
Ihr Blut quillt zwischen seinen Fingern hervor wie ein Fluss den man versucht mit einfachen Mitteln am Fließen zu hindern. Er kann ihren Puls spüren, spürt wie mit jedem Schlag ihres Herzens mehr Blut zwischen seinen Fingern, die auf ihren Hals pressen, gedrückt wird. Er weiß das dies bedeutet, dass eine Arterie verletzt sein muss.
Sie muss blinzeln, mehr als ein Mal, sie kneift die Augen zusammen und öffnet sie wieder. Die Magnesiumfackel blendet sie, taucht alles in ein bedrohliches Licht.
oder wie beim Fußball... nein, das waren Bengalos. Ist das dasselbe?
Sein Gesicht verschwimmt erneut vor ihren Augen. Sie blinzelt wieder und hört sich selbst murmeln.
"Ich bin doch hier..."
Seine Umrisse werden klarer. Er sieht besorgt aus. Er blutet. Und wieder kann er ihre Sorge sehen.
"Bist du okay?"
———
Hilflos… die Magie die ihm eben noch half seine Stimme als perfektes Instrument für seine Täuschung zu nutzen, sein Charisma, sein Wissen über Gefühle, sein technisches Verständnis, seine Kampfausbildung, ja selbst seine Kenntnisse der ersten Hilfe, helfen ihm ohne Medkit wenig. Er kann einen Scharfschützen mit seiner Stimme zum Rückzug bewegen… Aber hier kann er einfach nichts tun. Er rüttelt sie wieder wach.
Nein nein nein… sieh mich an.
Sein Schutzgeist, der ihm zeigt wie man mit einem Lächeln alles bekommt was man will, hat nichts beizutragen. Sein Hirn will ihm sagen, dass hier das unausweichliche passieren wird, doch er will es nicht hören. Nein! Verführer schreit in seinem Inneren, er solle gefälligst etwas tun. Verführer ist es nicht gewohnt, dass Codys Herz so sehr an jemandem hängt, so sehr, dass es droht zu brechen, also treibt er ihn an. Doch Cody ist hilflos…
Schon mit sehr brüchigem Tonfall sendet er ein Notsignal an Phil. Er schreit es fast, als wäre er auf dem Schlachtfeld. Man hört das Weinen raus, verzweifelt überschlägt die Stimme.
<< Saniiii! An meine Position! >>
Er bindet ein von seinem Shirt gerissenen Fetzen provisorisch um ihren Hals. Es dauert nur Sekunden, bis er komplett durchnässt ist.
Aijsche halt durch… sie kommen, hörst Du? Sie kommen, sie sind gleich da.
Er redet auf sie ein, während seine Tränen auf ihr Gesicht tropfen. Denn „gleich“… das ist zu lange hin…
———
Erkenntnis schimmert in ihren Augen, es ist nicht er, sie ist es. Sie... und... sein Blick... oh Gott...
Er kann die aufkommende Angst in ihren Augen sehen, fast schon Panik, wenn sie stirbt dann...
"Das Baby Jack! Unser Kind. Was ist mit unserem Kind?"
Ihre Augen füllen sich mit Tränen, sie windet sich als müsse sie es nur schaffen sich zu setzen und alles würde wieder in Ordnung kommen, ihre Träumereien eine kleine Familie zu sein würden wahr werden, sie spürt den Schmerz doch eigentlich kaum, sie fühlt sich nur dumpf, beginnt zu frieren, schnell und hektisch zu atmen und Cody kann das leichte Zittern sehen, ihre Haut die immer fahler wird, den Schweiß auf ihrer Stirn und den schwindenen Puls unter seinen Fingern spüren. Alles Zeichen des einsetzenden hypovolämischem Schocks wie er weiß.
———
//Das Baby!!!//
Gott Kleines. Ich tu was ich kann. Aber Du musst einfach nur wach bleiben. Dann siehst Du es aufwachsen!
Tränenverschmiert drückt er ihr einen salzigen Kuss auf die Lippen. Liebe durchströmt ihn. Er küsst sie wieder und wieder. Verschwendet Lebenszeit, im wahrsten Sinne Wortes. Denn reden kann sie so nicht. Er sagt es nicht, denn er will ihren Kampf nicht erschweren, aber im Prinzip sieht er keine Chance mehr. Die Minuten, die das Team braucht, um herzukommen, die hat Piper nicht.
Bleib hier Aijsche
Schnieft er. Er kämpft um mehr als ihr Leben, denn er hat keine Ahnung, wie er das ohne sie machen soll. Sie hat ihm so viel gegeben, nun sogar ein Baby. Und irgendein Arschloch nimmt ihm… alles… er kann nur zusehen, wie ihr Leben einfach durch seine Finger rinnt.
———
Und Aijsche kämpft, er weiß es, er sieht es und kennt sie. Sie ist eine Kämpferin, sie hat schon so viel überlebt aber er weiß bereits, was sie nur ahnt, manche Kämpfe kann man nicht durch reine Willenskraft gewinnen und so rinnt ihr Leben weiter zwischen seinen Fingern hindurch während sie verzweifelt versucht nicht das Bewusstsein zu verlieren und sich der Sand um sie herum immer dunkler einfärbt.
Doch nach und nach werden ihre Lieder schwer, die Dauer der geschlossenen Augen länger und ihre Atmung immer ruhiger. Sehr ruhig. Zu ruhig. Sie ist so furchtbar müde. Sie weiß es, nimmt all ihre Kraft zusammen und sieht ihn an. Ihre Hand nimmt seine von ihrem Hals, er braucht sie nicht mehr um sie zu retten, jetzt ist sie es die sich um ihn kümmern muss.
"Jack... hörst du mich? Hör mir zu. Es gibt immer etwas Gutes im Leben und... in jedem, man muss es nur finden. Versprich mir das du es findest... bitte. Versprich es mir."
Ihre Stimme klingt fast fremd. Entrückt, liebevoll und doch schon fast von ihm entfernt. Er kann sehen wie viel Kraft es sie kostet sich zu konzentrieren, seinen Blick zu suchen. Vor Anstrengung drückt ihre Hand seine und ihre braunen Augen sehen ihn an, noch immer hoffnungsvoll auch in dieser Sekunde wo alles verloren scheint. Aber eben nur für sie. Nicht für ihn. Nicht für ihre Sache.
———
Er nickt. Er reißt sich zusammen… hat sich gehen lassen. Als wäre dass hier nur für ihn schlimm. Blödsinn Jack. Es geht um sie.
Ich hör Dich Kleines… ich hör Dich…
Er gibt ihr die Sicherheit, dass alles irgendwie gut werden wird. Zeigt ihr, dass sie loslassen darf, denn er sieht es ein. Sie wird es nicht schaffen. Und er will sie nicht verbissen sterben lassen, sie soll gehen dürfen in dem Wissen, dass er er selbst bleiben kann.
Also nickt er. Natürlich wird er das Gute im Leben finden. Immer. Für sie.
Ich verspreche es… und ich werd Merle aufwachsen sehen, ich werd ihr alles über Dich erzählen. Und… ich werde den Menschen hier helfen…
Er kennt sie. Sie muss wissen, dass auch ohne sie alles irgendwie laufen wird, dass er klarkommen wird... Andere waren ihr schon immer wichtiger als sie selbst. Ob er dieses Versprechen wird halten können, ob er ihren Körper so lange dazu bringen kann den Fötus zu versorgen, ist mehr als fraglich. Aber er ist unverschämt reich. Es wäre möglich. Und dass es ein Mädchen wird… Merle… wie ihre Mutter… irgendwie weiß er es.
Ich liebe Dich…
———
Merle...
Sie muss lächeln. Glücklich darüber wie gut er sie kennt. Traurig darüber, dass sie das Kind das diesen Namen tragen wird, nie sehen wird.
Einen Augenblick sieht sie ihn nur an, Tränen laufen ihre Wangen herab, sie will nicht gehen, sie saugt seinen Anblick in sich auf um ihn mit sich zu nehmen, wohin auch immer das sein mag, ehe sie kaum hörbar flüstert:
"Ich liebe dich Jack... hab keine Angst... alles wird gut. Alles wird..."
Und dann ist Stille. Kein Atemzug. Kein Flüstern. Das Leben weicht aus ihren braunen Augen die ihn eben noch so mitfühlend angesehen haben. Sie sehen ihn noch immer an. Leer.