The Hippocratic oath don't apply to the competition. - Jim "Doc Croc" Crocker, DocWagon HTR pilot
Montag, 2. November 2065, 09:45 PST
Ort: Beaux Arts, Bellevue, Seattle Metroplex.
Der Montag der ersten Arbeitswoche im November beginnt mit einem grau verhangenen Himmel aus dem ein feiner, kalter und unangenehmer Nieselregen strömt. Die Farben der Umgebung bewegen sich aufgrund des Regens und dem Tageslicht, welches sich mühsam seinen Weg durch die dichten, tief hängenden Wolkenschichten bahnt, streng entlang einer Graupalette: Dunkelgrau, fast schwarz fließt ein Bach unter der Brücke der 114th Avenue Southeast, welche kurz darauf von Süden kommend T-Förmig die von West nach Ost verlaufende 8th Street Southeast kreuzt.
Hier befindet sich die Haltestelle für den Zubringerbus, der zwischen Beaux Arts und dem Overlake Medical Center, dem Seattler Hauptquartier von DocWagon, pendelt. Satt grau glänzt der perfekt aufgetragene und durch eine Unmenge von Verkehr langsam abgeschliffene Asphalt und ähnelt dadurch stark der Farbe der Wolkenschicht, die unablässig ihre nasse, kalte und unter die Haut gehende Fracht über Seattle ablädt.
In der Ferne erklingen Sirenen. Das Lehrgang-geschulte Ohr erkennt in Sekundenbruchteilen eine Ambulanz-Sirene von DocWagon, die sich mühelos gegen den permanenten Straßenlärm der in der Nähe von Nord nach Süd verlaufenden Interstate 405 durchsetzt. Ein Blick nach Osten, entlang der 8th Street zeigt, dass sie nach einem knappen Kilometer an einer hohen Mauer und einem größeren Checkpoint endet. Dort, wo zwei bewaffnete Sicherheitsleute mitten auf der Strasse stehen und Fahrzeuge kontrollieren, endet die behütete Heile-Welt von Beaux Arts. Dahinter, hinter der Auffahrt auf die I-405, beginnt eine Mittelklassen-Realität genannt Woodbridge, gefolgt von anderen, weniger betuchten Gegenden...
Am Checkpoint werden die Schranken geöffnet und ein hellgrauer, ehemals weiss lackierter Zubringerbus taucht im Blickfeld auf. Pünktlich wie ein schweizer Uhrwerk hält er um 9:50 an der Haltestelle vor der Kreuzung. Die Türen öffnen sich und helles, angenehm beiges Licht und ein Schwall warmer Luft aus dem Inneren verführen geradezu dem grauen, tristen Novembermorgen zu entfliehen.
Im Bus sitzt ein freundlich dreinblickender Busfahrer. In seinen dunkelblauen Pulli ist das Logo von Bellvue Transports Ltd., einem privaten Busbetreiber, eingestickt: ein weisser Bus, der wie ein geölter Blitz durch eine urbane Landschaft saust. "Guten Morgen", grüsst er jeden freundlich, der in seinen Bus einsteigt. Nach der Kälte draußen sind die angenehm weichen und mit Sitzheizung ausgestatteten Sitze eine übergangslose Verlegung ins Paradies. Selbst die graue Landschaft bekommt durch die getönten Scheiben einen angenehmen Rosa-touch. Mit einem leisen Zischen schließen sich die Türen und lautlos gleitet der Bus los, während angenehme, unaufdringliche Musik aus den versteckten Lautsprechern rieselt.
Gekonnt wendet der Fahrer den Bus und steuert auf den Checkpoint am Osttor von Beaux Arts zu, wo er von einem Sicherheitsmann mit einer trägen Armbewegung gleich zum Passieren aufgefordert wird. Augenblicke später fährt er die Auffahrt zur Interstate 405 in nördlicher Richtung hinauf und fädelt sich mit einer kakerlakenartigen Dreistigkeit in den träge dahinfließenden Verkehr. Auf der linken Seite fällt dabei als erstes auf der Gegenfahrbahn die Ursache für die Sirenen auf: eine Massenkarambolage von etwa 20 Fahrzeugen blockiert den Verkehr in Südrichtung. Diverse Einheiten Lone Star und auch von DocWagon sind bereits vor Ort des Geschehens und lassen die durch die getönten Scheiben surreal rosa getönte Situation als einen Vorgeschmack auf die zukünftige Tätigkeit aussehen.
Bald darauf erheben sich voraus die massiven Türme vom Overlake Medical Center, eurem neuen Arbeitsplatz. Über den Türmen setzt gerade ein Helikopter mit komplett aktivierter Landebeleuchtung zur Landung auf dem Dach von einem der Türme an. Mittlerweile verlässt der Zubringerbus die Interstate und der landende Helikopter verschwindet nach oben aus dem Blickfeld. Fünf Minuten später scheucht euch der Busfahrer mit einem "Endstation" aus dem rollenden Paradies zurück in die graue, kalte und laute Hölle an der Nordostseite des Overlake Medical Center. An einer großen, leuchtenden Übersichtstafel lässt sich der Weg zu Gebäude 7, eurem Ziel, ablesen.
Nach einem strammen Marsch von fünf Minuten entpuppt sich Gebäude 7 als ein ausgewachsenes Hospital mit wenigstens 40 Stockwerken und einer Fassadenlänge von rund 150 Metern. Ein weiterer Helikopter setzt zur Landung - dieses Mal auf diesem Gebäude - an.
In der Eingangslobby empfängt Euch geschäftiges Treiben: Patienten, Ärzte und Krankenschwestern in Weißkitteln mit DocWagon-Logo sind hier mit unterschiedlichen Zielen unterwegs. Vor der Rezeption hat sich eine kleine Schlange von Patienten und Angehörigen gebildet. An den Seiten stehen bewegungslos je zwei Sicherheitsmänner, die den Eingangsbereich im Blickfeld haben. Der vorherrschende Lärm wird durch ein Doktor Mayers, bitte melden Sie sich auf Station 7... durchschnitten.
Schließlich seid ihr an der Reihe bei der Rezeption. Eine freundliche junge Krankenschwester von knapp über 20 Jahren wünscht euch einen guten Morgen und nimmt die ID-Sticks entgegen. Bei der nachfolgenden Darstellung auf ihrem Monitor weiten sich ihre Augen kurz, dann gibt sie die ID-Sticks zurück.
"34. Etage, Zimmer 3410. Die Aufzüge sind dort auf der rechten Seite. Herzlich willkommen", flötet sie Euch zu und winkt den Nächsten heran.
Lautlos fährt der recht geräumige Aufzug hinauf in die 34. Etage und hinter den sich öffnenden Türen empfängt euch ein langer, recht breiter Gang mit einer angenehmen Leere und Stille. Kurz euch orientierend geht ihr in Richtung des Raumes 3410. In dem in hellen Grau- und Weisstönen gehaltenen Gang fällt als erstes ein einen Meter breiter, leuchtend roter Streifen auf dem Boden auf, der sich von einer der anderen Lifttüren auf dieser Etage beginnend mittig entlang des Ganges erstreckt und einige Räume hinter der 3410 endet. Die 3410 selbst ist mit BRIEFING-ROOM gekennzeichnet. In diesem Fall stimmt der Inhalt mit der Verpackung überein und innen finden sich ein Auditorium mit Sitzplätzen für etwa 50 Personen und eine große, leuchtende Übersichtstafel, die mit einem kleinen Computer vorne verbunden ist.
Zwei kleine Gummibäume im Topf geben dem sonst in Weiß und blau gehaltenen Raum einen Klecks freches Grün. Die Fenster sind abgedunkelt und auf der aktivierten Übersichtstafel leuchtet der Eintrag:
02.11.65, 10:15 -- Briefing Team H-31